Songwriter Richard Hawley

Großer Auftritt, kleine Pose

Der britische Musiker Richard Hawley.
Der britische Musiker Richard Hawley. © dpa / picture alliance / Britta Pedersen
Jutta Petermann im Gespräch mit Axel Rahmlow · 16.09.2015
Der britische Musiker Richard Hawley kann gut ohne die Klatschspalten der Tagespresse leben. Er gilt als einer der besten Songwriter Englands - die große Aufmerksamkeit sucht er aber nicht. Das zeigt sich auch in seinem neuen Album "Hollow Meadow".
Axel Rahmlow: Von einem echten Geheimtipp kann man bei Richard Hawley nicht mehr sprechen, aber was hat er eigentlich für einen Stellenwert?
Jutta Petermann: Richard Hawley ist ein sehr angesehener Songwriter, ganz sicher einer der besten Songwriter des englischen Königreichs, von Musikkritikern jenseits und diesseits des Ärmelkanals verehrt für seine meist ruhig-fließenden, eleganten, mystischen Songs und für seinen warmen, gefühlvollen Gesang. Seine sonore Stimme gehört zu den schönsten überhaupt im Pop, irgendwo angesiedelt zwischen Elvis Costello und Frank Sinatra. Er ist eben nur nicht der breiten Masse bekannt, ist keiner der Stadien füllt und er ist auch keiner der den Hype sucht.
Rahmlow: Will er tatsächlich nicht oder kann er nicht der große Hype werden?
Petermann: Mit dem letzten Album "Standing at the Sky's Edge" 2012 sah es fast danach aus, als würde er der nächste Hype. Damals landete Richard Hawley auf Platz drei der englischen Albumcharts, aber er sagte letztens gegenüber der englischen Tageszeitung "The Guardian", dass man in den Fängen des Ruhms und des Erfolges, im Endeffekt mehr verliert als gewinnt. Er weiß das. Er hat schon mal reingeschnuppert in kommerziellen Erfolg, und dessen Folgen in den 1990er-Jahren mit der Britpop-Band "Longpigs" - damals Drogenabhängig - und ihn habe nur gerettet, dass ihn sein Jugendfreund Jarvis Cocker damals gebeten hatte, ihn auf Tour mit der Band Pulp zu begleiten. Dort habe er erstaunlicherweise die Ruhe gefunden seine Tollwut, wie er seine Abhängigkeit nennt, zu überwinden.
Rahmlow: Was hat diese Einstellung zum Leben eines Musikers, also dass er Drogen nicht glorifiziert wie manch anderer, dass er Aufregung um seine Person vermeiden will - wie schlägt sich das jetzt in diesem neuen Album "Hollow Meadow" nieder?
Petermann: "Hollow Meadow" ist wieder eine sehr ruhige Platte, nachdem das Vorgängeralbum "Standing at the Sky's Edge" kernigerer Brit-Pop war. Er bemüht sich hier sehr um Erdung und die Verankerung in seiner Nahwelt. Das zeigt sich wieder einmal im Album Titel "Hollow Meadow" - "Heilige Wiesen". Da pflegt er einen kleinen Spleen. Seine Werke haben immer Namen von Orten aus seiner Heimatstadt Sheffield. Sprachgeschichtlich sind das Wort Hollow und der Name Hawley verwandt und es stellte sich heraus, dass die Vorfahren Hawleys früher an den "Hollow Meadows" lebten, sein eigener Name rührt höchstwahrscheinlich daher. Zum anderen will er dezidiert den Kontakt zu den Menschen in seinem näheren Umfeld bewahren, denn über sie bleibe man bei sich selbst - verliert sich nicht - das ist Hawleys große Angst, weshalb er den überstrapazierten Mythos von Sex, Drugs und Rock 'n' Roll abschwört. Hat deshalb mehrere Folkmusiker, die in seiner Nähe leben, mit denen er befreundet ist als Gastmusiker eingeladen.
Rahmlow: Nach Folk klang das aber eben gar nicht.
Petermann: Wobei der bluesige Ton der Gitarre recht deutlich war und Richard Hawley auch Chuck Berrys Musik für Folk hält. Aber Du hast natürlich Recht, denn Richard Hawley macht orchestralen Pop mit 50er- und 60er-Touch, dessen Charakter in der Regel leichtfüßige Melancholie ist. Sehr nachdenklich und nach innen gewandt, Hawley lotet auf "Hollow Meadow" bewusst verlorene, vergessene Orte aus und seiner Meinung nach, ist die Innenwelt des Menschen heutzutage in Gefahr verloren zu gehen. Wir leben alle zu sehr im Außen und nach der Beurteilung anderer. Das alles ist ziemlich Anti-Rock 'n' Roll, in dem sich das Reflektierende und das Gefühlvolle klug und wohlklingend verbinden.
Rahmlow: Was man sich aber auch leisten können muss, seine Karriere selbst so auszubremsen, wie es Richard Hawley hier vormacht.
Petermann: Oder man muss es sich leisten wollen. Er ist kein Star und kann es anscheinend trotzdem finanzieren musikalisch genau das zu machen, worauf er Lust hat. "Hollow Meadow" ist ja aufwendig produziert. Hawley hat als Kompensation zum Ruhm und Reichtum etwas Besseres nämlich den Respekt und das Ansehen bei den Kollegen, er ist ein gefragter Mann für Kooperationen, arbeitet unter anderem mit den Arctic Monkeys und mit den Manic Street Preachers zusammen. Aber er kann auch sein kleines alltägliches Leben leben, mit den Menschen, die ihm wichtig sind und davon singt er auch im folgenden Lied "Nothing like a friend", gemeinsam mit Jarvis Cocker.
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