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Europas Bonität
Ratingagentur Standard & Poor´s: Kreditwürdigkeit europäischer Krisenländer wächst wieder

Die Rezession in den Peripheriestaaten der Eurozone sei überwunden, urteilt die Ratingagentur Standard & Poor's. Handlungsbedarf bestehe jedoch weiterhin bei privaten Schulden. Neues Sorgenkind der Agentur ist Frankreich. 2012 wurde der zweitgrößten Volkswirtschaft Europas die Bestnote entzogen.

Von Brigitte Scholtes | 20.11.2013
    Die Lage in den Peripheriestaaten der Eurozone hat sich verbessert. Die Rezession ist überwunden. Die Fortschritte in der Stabilisierung seien auch darauf zurückzuführen, dass man die Zügel etwas lockerer gelassen habe, meint Moritz Krämer, Europa-Chefanalyst der Ratingagentur Standard & Poor’s. Das zeigt sich etwa darin, dass Irland und Spanien den Rettungsschirm im Dezember verlassen wollen. Irland sei auf dem richtigen Weg, meint Krämer:
    "Wir glauben, dass Irland zurzeit guten Marktzugang hat, ihn aber gar nicht braucht, weil bis 2014 Ende des Jahres eine Präfinanzierung bereits stattgefunden hat. Das ist natürlich einerseits ein Erfolg, andererseits soll man aber auch nicht die Augen davor verschließen, dass auch in Irland wie auch in anderen Peripheriestaaten noch ein erheblicher Anpassungsbedarf besteht, um diese nach wie vor exorbitante Verschuldung der Privatsektoragenten, nicht nur des Staates, sondern auch Haushalte und Unternehmen, um das mittelfristig zu reduzieren.“
    Das ist eben auch in anderen Krisenländern zu beobachten: Die Staatsschulden sind zwar heruntergefahren worden, aber die privaten Schulden sind weiter sehr hoch, hier müsse also noch einiges geschehen. Immerhin gebe es in den Krisenländern wieder einen Leistungsbilanzüberschuss. Auch in Spanien seien zwar erhebliche Fortschritte zu verzeichnen, die Wirtschaft richte sich wieder auf mehr Export aus. Aber hier werde ein anderes Problem deutlich, meint der Europa-Analyst:
    "Die Herausforderung wird darin bestehen, diesen Kurs fortzusetzen. Denn das geht natürlich einher mit einer Reduzierung des einheimischen Konsums, mit vermehrten Sparmaßnahmen auch im Haushalt, denn das Defizit ist ja nach wie vor sehr hoch in Spanien, das heißt, kann hier der soziale Konsens erhalten bleiben, um eben auch die wachstumsfördernden Reformen auf den Weg zu bringen, die ja zunächst mal häufig kurzfristig unpopulär sind.“
    Neues Sorgenkind ist Frankreich, das Standard & Poor’s vor zwei Wochen herabgestuft, nachdem die Ratingagentur schon 2012 der zweitgrößten Volkswirtschaft Europas die Bestnote entzogen hatte. Krämer traut der französischen Regierung nicht zu, die Strukturreformen auf den Weg zu bringen:
    "Hier scheint der politische Wille noch am Reifen zu sein. Wir glauben, dass vor diesem Hintergrund die mittelfristige Wirtschaftsperspektive Frankreichs bestenfalls moderat ist und somit auch die Reformen für den Wiedergewinn der Wettbewerbsfähigkeit erschwert werden könnte."
    Und Frankreich ist dabei nur das hervorstechendste Beispiel. Denn als wesentliche Herausforderung sieht die Ratingagentur das neue Gleichgewicht, das sich gebildet hat, denn der Druck der Kapitalmärkte auf die Staaten habe nachgelassen, sagt Krämer:
    “Die Refinanzierungsbedingungen der Staaten haben sich sehr stark verbessert, das heißt, hier ist der Druck weg. Gleichzeitig wächst der Druck verständlicherweise auch von der Bevölkerung, dass hier entsprechende stimulative Maßnahmen ergriffen werden sollten, die sich einige Staaten zurzeit einfach noch nicht leisten können. Und wir glauben, dass für die Erklärung des Sieges in diesem Kampf gegen die Krise die Zeit noch zu früh ist."