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Mangrovenwälder in Ecuador

Wie Honig liegt die tropische Schwüle über San Lorenzo. Jede Bewegung ist mühsam. Der Tag zieht sich langsam von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. San Lorenzo liegt im äußersten Norden Ecuadors, nahe der kolumbianische Grenze. Mitten in den Mangrovenwäldern, die einen Großteil der Küste Ecuadors bedecken.

von: Tim Zülch und Kerstin Ewald | 25.07.2002
    Wie Honig liegt die tropische Schwüle über San Lorenzo. Jede Bewegung ist mühsam. Der Tag zieht sich langsam von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. San Lorenzo liegt im äußersten Norden Ecuadors, nahe der kolumbianische Grenze. Mitten in den Mangrovenwäldern, die einen Großteil der Küste Ecuadors bedecken.

    Olinda Riasco ist Conchera, Muschelsucherin. Mit dreien ihrer Töchter fährt sie, wenn die Gezeiten es erlauben, auf Muschelsuche. In dem Schlick zwischen den Stelzwurzeln der Mangrovenbäume sind sie zu finden, die Concha-Muscheln.

    Meine Schwester zeigte mir wie man Muscheln sammelt. Damit hab ich immer meine Kinder über die Runden gebracht. So konnten sie auch in die Schule gehen. Wir verkaufen die Muscheln und leben davon. In San Lorenzo leben die meisten von der Muschelsuche, denn es gibt hier keine Arbeit.

    Doch die Preise sind schlecht geworden. Umgerechnet 3 Euro bekommt Olinda für 100 Muscheln. Die Ernte eines Tages. Seit Ecuador vor zwei Jahren den US-$ als Währung eingeführt hat sind die Preise fast aller Produkte gestiegen. Doch auch die Mangrovenwälder sind nicht mehr so fruchtbar wie früher.

    Früher habe ich 400 bis 500 gesammelt, sie waren einfacher zu verkaufen; das Essen war billiger, die Ernährung war besser. Heute ist alles teuer. Tanja, meine Tochter, geht mit mir Muscheln suchen. Sie sagt, besser du schickst mich abends zur Schule, allein schaffst du das nicht, die ganze Arbeit.

    Seit 1984 hat sich die Fläche der Mangrovenwälder in Ecuador halbiert. Die Hauptschuld daran trägt die expandierende ecuadorianische Garnelen-Industrie. Auf riesigen Flächen werden Mangrovenwälder gerodet und Becken zur Garnelenzucht angelegt. Mit hohem Einsatz von Antibiotika und anderen Chemikalien werden die Garnelen für den Export gezüchtet. Alfonso Roman von der lokalen Umweltorganisation Accion Ecologica setzt sich für den Schutz der Mangroven ein.

    Wenn wir von den Mangroven sprechen, können wir nicht nur von einer Pflanze sprechen. Wir müssen uns ein ganzes Ökosystem vorstellen, ein Ensemble von verschiedenen Pflanzen. Mangroven können sowohl in Salzwasser, als auch in Süßwasser leben. Unter solchen Bedingungen kann keine andere Pflanze leben. Außerdem leben dort Vögel, Säugetiere und Fische. Mehr als 70% des Lebens im Meer reproduziert sich in den Mangroven.

    Nicht weit von San Lorenzo liegt das Fischerdorf Olmedo. Hier bekommen die Bewohner den Einfluss einer Garnelenfarm in der Umgebung hautnah zu spüren. Nach langem Kampf mit den Behörden haben die Bewohner eine Konzession zu Nutzung der nahen Mangrovenwälder bekommen. Hier befinden sich die höchsten Mangroven der Welt. Doch seit die Firma Procongo dort Ihre Garnelen-Becken angelegt hat, lässt sich nur noch wenig Verwertbares finden. Juan Flores Arboleda ist einer der Wenigen, die noch von den Früchten der Mangrovenwälder leben können. Er ist Krebsfänger.

    Juan Flores Arboleda liegt auf dem Boden, den Arm bis zur Schulter im Schlamm. Die Moskitos, die in den Löchern der Krebse wohnen, schwirren aufgeschreckt um ihn herum. Dann - sein Gesicht verformt sich zu einem breiten Grinsen.

    An diesem hier ist alles dran. Den kann man gut verkaufen.

    50 Cent bringt ein großer Blauer auf dem Markt in Sto. Domingo. Doch nur die Unversehrten lassen sich verkaufen, die Anderen, denen bei der Jagd ein Bein ausgerissen wurde, kommen ins eigene Essen. Seit die Firma Procongo hier ihre Garnelenfarmen angelegt hat, hat sich Juan Flores Arboleda einiges verändert.

    Bevor die Procongo angefangen hat Mangroven zu zerstören, gab es hier unglaublich viele Krebse. Es gibt hier fast keine Krebse mehr. Sie schütten viel Chemie in die Erde. Jetzt können die Krebse hier nicht mehr leben.

    Die Acción Ecologica unterstützt Gemeinden, die Konzession für Teile der Mangroven zu erkämpfen. Von der Regierung ist wirksamer Schutz nicht zu erwarten.

    Mehr als 60% der Gesetzgeber, der Parlamentarier haben enge Verbindung zu den Garnelenfarmen oder sind sogar die Eigentümer. Wir glauben, dass die Mangroven in die Hand der ansässigen Gemeinde gehören. Das ist die einzige Form sie tatsächlich zu schützen.