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Cyberangriffe in Belgien
Nach den Attacken auf die Tageszeitung "Le Soir"

Für zwei Stunden war der Redaktionsbetrieb bei "Le Soir" komplett lahmgelegt - kein Zugang zu Nachrichtenagenturen, kein Internet, keine Mails. Am nächsten Tag folgte eine Attacke auf die Online-Ausgabe der belgischen Tageszeitung. Nun läuft die Suche nach den Verantwortlichen für die Cyberangriffe.

Von Thomas Otto | 15.04.2015
    Ein Mann arbeitet an der Tastatur eines Laptops.
    Vieles deutet daraufhin, dass die neuerliche Attacke die Tat eines Trittbrettfahrers ist. (dpa / picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand)
    Ob nun Dummer-Jungen-Streich oder doch eine politische Aktion – fest steht: Der neuerliche Angriff auf die Webseiten belgischer Tageszeitungen hat einmal mehr deutlich gemacht, wie leicht sich das hohe Gut der Meinungsfreiheit im Netz angreifen lässt.
    Der Zugang zu den Online-Auftritten mehrerer belgischer Tageszeitungen war Montagnacht für kurze Zeit gestört. Darunter auch eines der meistgelesenen Blätter des Landes, der französischsprachige "Le Soir". Der Angriff folgte auf die Attacke vom Sonntagabend, bei der die Redaktion von "Le Soir" für zwei Stunden komplett lahmgelegt wurde, wie Chefredakteur Christophe Berti im belgischen Fernsehen erklärte:
    "Wir hatten zwischen 19:30 Uhr und 21:30 Uhr keinen Zugang zu unserem Computernetzwerk. Die Vorbereitung der Spätnachrichten gestaltete sich reichlich kompliziert, die Redakteure hatten keinen Zugang zu den Nachrichtenagenturen. Es gab kein Internet und keine Mails. Wir mussten also unsere Arbeit neu erfinden."
    Dummer-Jungen-Streich oder politische Aktion?
    Techniker arbeiteten daran, die Sicherheitsvorkehrungen des Medienhauses zu verbessern, teilte "Le Soir" auf seiner Internetseite mit. Man stelle sich auf mögliche weitere Angriffe ein. Luc Golvers, der Vorsitzende der belgischen Vereinigung für IT-Sicherheit, relativiert die Auswirkungen des Angriffs allerdings:
    "Das große Zittern sollte man nicht so sehr vor den Folgen des natürlich sehr sichtbaren und von den Hackern auch so gewünschten Angriffs auf Medien bekommen, sondern wenn kritische Netzwerke eines Landes, wie Wasser- und Energieversorgung oder die Finanzwelt attackiert werden. Dort wären die Konsequenzen viel gravierender."
    Weshalb auch EU-Digitalkommissar Günther Oettinger nicht zögerte, umgehend über Twitter zu versichern: "Wir müssen schnell einen hohen europäischen Standard für Datensicherheit schaffen." Nach Ansicht des IT-Sicherheitsexperten Golvers reichten Standards allein in Belgien aber nicht:
    "Wir brauchen auch eine staatliche Struktur - das beginnt sich zwar zu formen: ein "Cyber-Sicherheitsbüro", für das 25 Stellen vorgesehen sind, aber das geht nur schleppend."
    Cyber-Sicherheitsbüro geplant
    Im Gegensatz dazu seien nach dem Angriff auf den französischen Fernsehsender TV5 Monde dort allein 15 Beamte für die Ermittlungen abgestellt worden. Belgien habe da Nachholbedarf:
    "Wir haben ein großes Problem im Vergleich zu unseren Nachbarländern: Wir haben leider keinen Masterstudiengang für die Sicherheit von Informationssystemen, das müssen wir dringend anpacken. Ein kleines Land mit viel weniger Einwohnern – wie das Großherzogtum Luxemburg – hat eine solche Ausbildung."
    Vieles deutet daraufhin, dass die neuerliche Aktion die Tat eines Trittbrettfahrers ist. Einerseits handelte es sich dabei um einen deutlich weniger raffinierten Angriff. Die Systeme von "Le Soir" wurden nicht infiltriert. Vielmehr wurde die Webseite durch eine so genannte Denial-Of-Service-Attacke überlastet.
    Was auch für einen Trittbrettfahrer spricht, ist eine Botschaft der belgischen Anonymous-Gruppe. Die Hacker kritisieren die Attacke als Angriff auf die freie Meinungsäußerung. Angeblich hätten sie die Person, die hinter der Aktion steckt, identifiziert und die entsprechenden Informationen bereits der belgischen Polizei übermittelt. Von den belgischen Behörden wurde das aber bisher nicht bestätigt.