Abfallexperte Henning Wilts

Nirgendwo gibt es so viel Verpackungsmüll

07:09 Minuten
Entsorgung von Haushaltsabfällen: Blick in eine gelbe Wertstofftonne am Straßenrand.
In Deutschland wird Müll nicht nach Material sortiert, sondern danach, wer die Entsorgung bezahlt. Falsch, findet Henning Wilts vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie © imago
Henning Wilts im Gespräch mit Stephan Karkowsky |
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220 Kilo pro Kopf und Jahr für die Gelbe Tonne: Damit ist Deutschland beim Verpackungsmüll trauriger Spitzenreiter in Europa. Abfallvermeidung müsste finanziell belohnt werden, meint der Umweltexperte Henning Wilt.
Wie kriegt die Welt ihr Plastikmüllproblem in den Griff? Das ist eine der zentralen Fragen der UN-Umweltkonferenz, die derzeit im kenianischen Nairobi stattfindet. Könnte der Rest der Welt dabei von Deutschland lernen? Schließlich gibt es hier bereits seit 1991 Grünen Punkt und Gelbe Tonne.
„Deutschland hat eigentlich die optimalen Voraussetzungen, um Vorreiter zu werden“, sagt Henning Wilts, Abteilungsleiter Kreislaufwirtschaft beim Wuppertal-Institut für Klima, Energie und Umwelt. „Wir können manche Sachen extrem gut.“
Entsorgungssicherheit gewährleisten zum Beispiel, auch wenn sie viel Geld kostet: „850 Millionen Euro pro Jahr allein für die Verpackungsabfälle“, so der Abfallexperte.
Weniger gut steht Deutschland allerdings da, wenn es um Müllvermeidung geht: Mit 220 Kilogramm Abfall für die Gelbe Tonne pro Kopf und Jahr ist Deutschland das Land in Europa mit dem meisten Verpackungsabfall.
„Insofern ist das sicherlich nicht das Vorbild für den Rest der Welt.“
16.04.2018, Niedersachsen, Hannover: Leichtverpackungen und Gelbe Säcke liegen auf der Deponie des «aha Zweckverband Abfallwirtschaft Region Hannover», im Vordergrund läuft ein Mitarbeiter.
Wer blickt da noch durch? Leichtverpackungen und Gelbe Säcke auf der Deponie.© picture alliance / Julian Stratenschulte
Hinzu kommt das extrem komplizierte System der Mülltrennung: Was muss in welche Tonne? „Das lässt sich keinem wirklich überzeugend erklären“, meint Wilts.
„Manchmal muss der Grüne Punkt drauf sein, manchmal muss er nicht drauf sein. Manchmal geht das gleiche Material einmal in den Restmüll, einmal in die Plastik.“
Das Problem: „Wir sortieren in Deutschland danach, wer es bezahlt: entweder die Industrie für die Verpackung oder die Kommune oder wir dann über unsere Müllgebühr.“
Eigentlich müsste aber nach Material sortiert werden, sagt der Abfallexperte und mahnt Veränderung an: „Da müssen wir auch in Deutschland dringend ran.“

Nur 50 Prozent des Verpackungsmülls wird recycelt

Zweiflern, die meinten, am Ende würde trotz Mülltrennung in Deutschland doch alles auf der gleichen Deponie landen, erteilt Wilts eine Absage:
„Das stimmt definitiv nicht. Jeder gelbe Sack wird tatsächlich sortiert. Es werden Sachen raussortiert, die dann recycelt werden.“
Hierbei könne man allerdings noch viel mehr tun, denn:
„Auch aus der Verpackungsabfalltonne gehen halt 50 Prozent in die Verbrennung, Sachen, die nicht sinnvoll recycelt werden können. Und wenn wir da anders sortieren würden, könnten wir diese Quote mit Sicherheit noch deutlich erhöhen.“
In Sachen Müllvermeidung rät Wilts zu einem Blick nach Frankreich. Dort habe man gesagt:
„Wir wollen einen finanziellen Anreiz für jeden, der Abfall vermeidet. Seitdem ist da das Abfallaufkommen relativ stabil. Das finde ich eigentlich eine sehr gelungene Lösung.“
(uko)
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