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DHL-Shirt als Modetrend
Kleidungsstück der Gehetzten

Das sonnengelbe T-Shirt des Paketdienstes DHL auf dem Catwalk? Das gab es auf der Pariser Fashion Week zu sehen. In diesem Sommer ist es zum Trend geworden und längst ausverkauft. Was ist mit der Modewelt los, dass Kunden 245 Euro dafür ausgeben?

Von Gesine Kühne | 02.06.2016
    Der Paketzusteller der Deutsche Post DHL, Hubert Pilat, liefert am 02.09.2015 in Herten (Nordrhein-Westfalen) Pakete aus.
    Ein Paketzusteller des Paketdienstes DHL (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Knallrot auf satt-sonnigem Gelb – modisch geht echt anders. Dennoch hat die Farbgebung, die sonst nur zweitklassigen Sportclubs und dem Logistikunternehmen "DHL" vorbehalten ist, die Modewelt erobert. Blogger posten sich in dem auffälligen Shirt mit DHL-Schriftzug munter durchs Internet, das französische Label "Vetements" dankt es ihnen, denn das 245-Euro-teure T-Shirt ist ausverkauft.
    Nein, es ist nicht die DHL GmbH, die hier auf den Modemarkt drängt, vielmehr ist es eine mit Ironie angelegte Idee eines recht jungen, aufstrebenden Labels aus Paris. "Es gäbe im Büro so viel zu verschicken, sie fühlten sich schon wie die DHL", so beschreiben die Designer von "Vetements" den Gestaltungshintergrund. Das passe zum Label, sagt der Moderedakteur und Stylist Sebastian Schwarz.
    "Wenn man sich den Rest des Labels so anschaut, was die so machen, zum Teil wirklich Second Hand Kleidung zu nehmen, auseinander zu schneiden und neu konstruiert wieder zusammen zu setzen, das dann für sehr viel Geld zu verkaufen, passt das schon ganz gut ins Bild, ein eher modefremdes DHL-T-Shirt zu nehmen."
    Kurze Modezyklen
    Modefremd. Das ist dieses Shirt tatsächlich. Auch wenn das Label den viereckigen Schnitt des T-Shirts verändert hat, die Farbkombination gehört eher in die Neunziger Jahre, ein großes Label auf der Brust auch. Niemand sollte ernsthaft heute noch Shirts mit dem Schriftzug von Erfrischungsgetränken oder Zwieback oder eben Logistikunternehmen tragen!
    Dass so etwas 2016 dennoch funktioniert, hat zum einen mit den kurzen Modezyklen zu tun, die Neunziger sind seit gut zwei Jahren Teil der aktuellen Mode, zum anderen zeigt der Bohai um dieses T-Shirt, wie anfällig uns soziale Medien für schnelllebige Trends gemacht haben. Sofort werden neue Looks kopiert und geteilt. Wer "Likes" einsammeln möchte, hat gar keine Zeit mehr über den unsinnigen Konsum künstlich gehypter Klamotten nachzudenken. Modefreund Sebastian Schwarz, der beim Gespräch aussieht, als sei er einem Neunziger-Jahre Boyband-Video entsprungen, gesteht.
    "Lustigerweise habe ich das tatsächlich gemacht, im Internet oder auch bei Ebay nach DHL-T-Shirts geguckt, oder Poloshirts, und auch festgestellt, dass es die ja auch für 9,99 Euro gibt."
    Im amerikanischen DHL-Shop gibt es das gelbe T-Shirt mit Logo auf der Brust sogar noch günstiger. Nachfrage nach solchen Merchandise-Artikeln gibt es nicht erst seit dem Vetements-Coups, heißt es vom Unternehmen.
    "DHL ist eine weltweit führende Marke, mit der sich fast 300.000 Mitarbeiter weltweit identifizieren und sich darüber hinaus auch bei externen Zielgruppen einer hohen Beliebtheit erfreut. Diese Zielgruppen – Menschen, die sich für Logistik interessieren und Fans unseres Unternehmens – fragen entsprechende Artikel aktiv nach."
    Und das überteuerte T-Shirt der Franzosen versteht das Unternehmen als Hommage an den Paketdienst:
    "Das Label Vetements hat mithilfe des DHL-Shirts die Relevanz von Logistik für das globale Fashion Business thematisiert. Aus unserer Sicht eine spannende und relevante Botschaft, daher haben wir der Nutzung unseres Logos auf Anfrage von Vetements zu diesem Zweck zugestimmt."
    Zweifel an Attraktivität
    Modefan Sebastian Schwarz, der sich in seinem Studium vor allem mit der Philosophie von Mode und Konsum auseinandersetzt, zweifelt daran, dass Träger des Shirts DHL wirklich attraktiv finden, vielmehr seien sie der Anti-Mode-Strategie des Labels "Vetements" auf den Leim gegangen.
    "Was ich in Vetements vor allem sehe, ist so etwas wie ein Spiegel, der der Gesellschaft vorgehalten wird. So wie es vielleicht ein Andy Warhol in der Pop-Art gemacht hat, oder ein Jeff Koons in seinen Kunstwerken, so macht es jetzt Vetements in der Mode. Die entlehnen Logos und Thematiken ganz anderer Bereiche, die mit dem modischen Verständnis, wie wir es sonst vielleicht haben wollen, nicht viel zu tun hat. Und sagen einfach das ist jetzt das neue It-Piece, kauft euch das, zieht das an, dann seid ihr die Cool Kids eurer Generation."
    Es ist die Generation, die in der ständigen Wiederholung gefangen scheint und selbst deren größter Motor ist, die von zahllosen Kopien und kurzen Zyklen, von ständiger, schneller Reproduktion geprägt ist. Es ist die Generation, die im Internet groß geworden ist, in dem der nächste Mode-Hype schneller kommt als der Paketbote, der das Päckchen mit gelb-rotem Shirt bringt.