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Forschung an der Wurzel

Technologie.- Die Wurzel ist ein höchst komplexer Teil einer Pflanze, der erforscht werden will. Doch gerade dabei haben es Wissenschaftler nicht leicht - schließlich steckt sie meist tief in der Erde. "RootChip" nennen Forscher aus den USA nun ihre Erfindung. Dieser "Wurzel-Chip" soll das unterirdische Ende von Blume, Baum und Co. überwachen.

Von Michael Böddeker | 09.01.2012
    Er ist quadratisch, kleiner als eine Briefmarke und besteht aus durchsichtigem Kunststoff. Durchzogen wird er von winzigen Kanälen, die nur Bruchteile eines Millimeters breit sind. Über diese Leitungen werden die Pflanzen mit Nährlösung versorgt: acht Arabidopsis-Keimlinge, die in kleinen Aussparungen an der einen Seite des Chips stecken. Je zwei kleine Blätter wachsen nach oben, und die Wurzeln nach unten.

    "Wir haben Kanäle eingebaut, in die die Wurzeln der jungen Keimlinge hineinwachsen. Und weil das Material des Chips durchsichtig ist, können wir die Wurzeln beobachten, während sie wachsen."

    Wolf Frommer ist Leiter der Abteilung für Pflanzen-Biologie der Carnegie Institution in Stanford. In seinem Labor wurde der "RootChip" entwickelt. Frommer erforscht schon lange den Stoffwechsel von Pflanzen, und weiß daher auch um die Schwierigkeiten bei der Arbeit mit Wurzeln.

    "Das größte Problem ist, dass die Wurzeln in der Erde stecken, und nur schwer davon zu trennen sind. Wenn man das versucht, zerstört man schnell einen großen Teil des feinen Wurzelnetzes. Deshalb haben Forscher bisher eine Reihe von Tricks angewandt, um das Wurzelsystem beim Wachsen beobachten zu können, und sie zum Beispiel in einer Flüssigkeit wachsen lassen."

    In einer Flüssigkeit wachsen auch die kleinen Keimlinge auf dem "RootChip" - allerdings in einer sehr geringen Menge: Die Kanäle, in die die Wurzeln hineinwachsen, enthalten weniger als einen Mikroliter Flüssigkeit, also weniger als einen tausendstel Milliliter.

    "Es ist also nur ein ganz klein bisschen Flüssigkeit nötig, um diese Kanäle zu füllen. Das bedeutet natürlich auch, dass man das Medium, das die Wurzel umgibt, sehr schnell austauschen kann."

    Und auf diese Weise lassen sich mit dem Chip unzählige Experimente machen: Einfach die Zusammensetzung der Flüssigkeit verändern, und dann unter dem Mikroskop beobachten, was mit der Wurzel passiert. Video-Aufnahmen zeigen anschließend das Wachstum der Wurzel im Zeitraffer. Spezielle Fluoreszenz-Mikroskope sehen sogar noch mehr als nur das bloße Wachstum. Dafür muss die Pflanze allerdings vor dem Versuch genetisch so verändert werden, dass sie spezielle Proteine herstellt. Diese können dann unter dem Mikroskop zum Leuchten angeregt werden.

    So ähnlich funktioniert auch ein Experiment, das Wolf Frommer bereits ausprobiert hat. Dabei wurde die Wurzel einer Flüssigkeit ausgesetzt, die den Zucker Galactose enthielt. Unter einem Fluoreszenz-Mikroskop war danach zu sehen, wie der Zucker von der Wurzel aufgenommen wurde.

    "Wir gaben ihnen Galactose. Das hinderte sie daran, zu wachsen, und führte außerdem zu schweren Schäden an der Wurzel, wie wir mithilfe des 'RootChips' beobachten konnten."

    Die bisherigen Experimente haben noch keine grundlegend neuen Erkenntnisse gebracht, sagt Wolf Frommer. Sie seien vor allem dazu gedacht gewesen, zu zeigen, dass der "RootChip" funktioniert. Aber der Biologe ist etwas auf der Spur: Pflanzen pumpen einen Teil des Zuckers, den sie über die Photosynthese produzieren, in den Boden. Warum sie das tun, ist unklar – möglicherweise, um bestimmte Mikroorganismen in der Erde zu versorgen, die im Gegenzug wiederum der Pflanze nützen. Für die Beförderung des Zuckers aus der Wurzel in den Boden sind wahrscheinlich sogenannte Transporter verantwortlich – spezielle Molekülkomplexe in der Membran von Zellen, die den Durchtritt von Stoffen regeln. Dazu soll noch im Januar ein neuer Artikel von Frommers Arbeitsgruppe im Fachmagazin "Science" erscheinen. Mithilfe des "RootChips" sollen die Zuckertransporter in der Wurzel später noch genauer untersucht werden.

    "Wir glauben, durch unsere neue Technik können wir bedeutende Fortschritte dabei machen, herauszufinden, wie all das funktioniert."