Pflegeberufe in der Krise

"Den Beruf halte ich nicht bis zur Rente durch"

08:49 Minuten
Eine Krankenschwester kümmert sich auf der Intensivstation um einen Covid-19-Patienten.
An die 9000 Pflegerinnen und Pfleger in Krankenhäusern und Altenheimen haben allein zwischen Anfang April und Ende Juli 2020 ihren Beruf aufgegeben. © AFP / Ina Fassbender
Christian Lühmann und Christine Vogler im Gespräch mit Axel Rahmlow · 30.03.2021
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Geringe Bezahlung, viel Verantwortung: Der Alltag als Pfleger sei „weitestgehend frustrierend“, berichtet Christian Lühmann. Kein Wunder, dass Pflegepersonal fehlt. Ein Studiengang soll Abhilfe schaffen. Doch auch der scheint wenig attraktiv zu sein.
9000 Pflegende haben nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit zwischen Anfang April und Ende Juli letztes Jahr ihren Beruf aufgegeben. "Ich denke, dass Corona diesen Prozess beschleunigt hat", sagt Christian Lühmann, Pfleger und Betriebsrat in der Helios Klinik in Erfurt.
"Aber ich bin mir relativ sicher, dass das auch schon vor der Pandemie für den einen oder anderen ein Thema war – zu sagen, diesen Beruf, den halte ich nicht bis zur Rente durch, ich suche nach Alternativen." Den Job ein ganzes Berufsleben auszuüben, sei so gut wie unmöglich, so die Einschätzung Lühmanns.
Den momentanen Alltag als Pfleger erlebe er selbst als "weitestgehend frustrierend". Denn in der Coronakrise habe man das Gefühl, in eine Art "emotionale Geiselhaft" genommen zu werden. "Weil man relativ sicher ist: Die Leute schmeißen in der Krise nicht hin, sondern werden es irgendwie machen."

"Kosten darf es so gut wie nichts"

Dass der Beruf durch das Lob und die Aufmerksamkeit in der Coronakrise an Attraktivität gewinne, glaubt er nicht. Ganz im Gegenteil.
"Ich denke eher, der umgekehrte Effekt wird eintreten", meint Lühmann. "Wir haben jetzt erlebt: Hier wird viel wohlfeiles Lob gespendet. Kosten darf es so gut wie gar nichts. Die Mitarbeiter erleben: Im Notfall wird davon ausgegangen, die machen das schon irgendwie." Das sei "nichts, was die Attraktivität des Berufs erhöht".
Um den Mangel an Pflegekräften zu beheben, gibt es seit Kurzem neben der Ausbildung auch einen primär qualifizierenden Studiengang Pflege.
Allerdings ist der bisher nicht sehr gefragt: "Weniger als 50 Prozent der Studienplätze in der akademischen Pflegeausbildung sind belegt", warnen die Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft und der Deutsche Pflegerat in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Mangelnde finanzielle Ausstattung des Studiums

Der Grund für so wenig Interesse am Studiengang sei die mangelnde finanzielle Ausstattung, meint die Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerats Christine Vogler. "Es wollen eigentlich viele Menschen Pflege studieren." Nur fehle es an den Universitäten an entsprechendem Fachpersonal und Trainingsräumen.
Hinzu komme, dass für die Studierenden in der Praxiszeit keine Vergütung vorgesehen sei. Und da diese keine klassischen Semesterferien haben, sei es ihnen kaum möglich, einen Nebenjob anzunehmen. "Tatsächlich müssen die Länder in die Studiengänge unbedingt Geld reingeben", betont Vogler.
(lkn)
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