Akane Shimizu: „Cells At Work! 1“
Aus dem Japanischen von Burkhard Höfler
Manga Cult, Ludwigsburg 2019
192 Seiten, 10 Euro
Körperkunde im Mangastyle
05:42 Minuten
„Cells at Work! erzählt in Comicform, wie der Körper funktioniert – und das erstaunlich akkurat. Vermenschlichte Zellen sind die Protagonisten in der Reihe. So ganz ohne Geschlechterzuschreibungen kommt das Buch nicht aus.
Bakterien und Viren, die in ihrem Zeichenstil und in ihren Machtansprüchen an die Dämonen aus Animes wie „Sailor Moon“ erinnern. Oder ein heldenhaftes weißes Blutkörperchen, das ein noch unerfahrenes rotes Blutkörperchen auf seiner Reise durch den menschlichen Körper ständig aus Gefahrensituationen herausboxt: Antropomorphisierte, also vermenschlichte Körperzellen sind die Protagonisten in der Mangareihe „Cells At Work!“ von Akane Shimizu. Soeben ist deren erster Band auf Deutsch erschienen.
Das erinnert an die französische Zeichentrickserie „Es war einmal… Das Leben“, die ab den späten 1980er-Jahren Kindern die Funktionsweise des menschlichen Körpers verdeutlichte. Die Grundideen ähneln sich, doch ist „Cells At Work!“ deutlich heutigen Sehgewohnheiten angepasst. Der Manga und dessen Anime-Verfilmung sind wesentlich schneller erzählt, weniger pädagogisch, dafür actionreicher und oft blutig.
Mediziner loben die Reihe
Die Allergene einer Sicheltanne, die im ersten Band den Körper bombardieren, erinnern an Gespenster, und wenn ein Virus Körperzellen infiziert, dann wirkt das wie in einer Zombie-Apokalypse.
Auch die Zeichenstile unterscheiden sich: Sind die Hintergründe in „Es war einmal… Das Leben“ noch simpel gehalten, strotzen die Panels in „Cells At Work!“ nur so vor Details.
Ein zeichnerischer und erzählerischer Reichtum, den auch Ärzte und Medizinstudenten loben: In sogenannten „Reaction-Videos“ auf YouTube schauen sie sich den Anime an und kommentieren ihn für ihre teils Millionen Zuschauer. Ihr Grundtenor: Obwohl sich „Cells At Work!“ die eine oder andere künstlerische Freiheit herausnimmt, ist die Transferleistung der Macher enorm. Erstaunlich akkurat stellen sie die Vorgänge im menschlichen Körper dar.
Nur eines könnte auf den ersten Seiten von „Cells At Work!“ für Unmut sorgen: Dass immer wieder das weibliche rote Blutkörperchen vom männlichen Weißen gerettet werden muss. Die ewige damsel in distress mag ein abgelutschtes Narrativ sein. Doch je länger man den Manga liest, desto mehr Figuren tauchen auf, die diese Stereotype wieder aufweichen: Weibliche sowie männliche Figuren auf allen hierarchischen Ebenen.
Riesiger Beliebtheit in der Fan-Community erfreuen sich zum Beispiel die Thrombozyten. Blutplättchen, die etwa dafür sorgen, dass Schürfwunden mit Schorf überzogen werden. Akane Shimizu zeichnet sie als eine Gruppe niedlicher Vorschulmädchen, die einen Knochenjob erledigen und dabei gleichzeitig kawaii – also „niedlich“ – sein können.
In Japan galt es bis vor einigen Jahren als relativ normal, dass viele verheiratete Frauen nicht arbeiteten. Auch erzwungen durch die Überalterung der Gesellschaft, ändert sich die Situation dort langsam. Autorinnen und Zeichnerinnen wie Akane Shimizu tragen ihren Teil dazu bei.
Im Herbst kommt eine düstere Version
Überhaupt scheint der in „Cells At Work!“ als riesige Fabrik dargestellte Körper, in dem jeder Teil makellos funktionieren muss, auf den ersten Blick der harten japanischen Arbeitswelt zu entsprechen. Doch bald stellt sich heraus, dass sich für jeden Ausfall und jedes Problem auch eine andere, meist gemeinschaftliche Lösung finden lässt.
In dieser Hinsicht ist der Manga deutlich optimistischer als das Spinoff, das im kommenden Herbst erscheinen soll: „Cells At Work! Black“ wird eine düstere Version, in dem es die permanent gestressten Zellen mit „Erwachsenenproblemen“ wie Alkoholkonsum, Zigaretten oder Burnout zu tun bekommen.