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Konventionen ohne Biss

Umwelt.- Vor 20 Jahren tagten Hunderte Regierungsvertreter zwei Wochen lang in Rio de Janeiro, um auf dem Weltgipfel über die Zukunft der Erde zu beraten. In Folge des Treffens wurde der Grundstein für drei konkrete Konventionen gelegt: zum Schutz des Klimas, der Biologischen Vielfalt und zum Kampf gegen Wüstenbildung.

Von Monika Seynsche | 19.06.2012
    Die Zahlen sprechen für einen klaren Misserfolg. 33 Milliarden Tonnen Kohlendioxid wurden 2010 in die Erdatmosphäre gepumpt. Das sind 45 Prozent mehr als noch 1990. Vom Ziel der UN-Klimarahmenkonvention, die globale Erwärmung zu verlangsamen, ist die Welt damit weit entfernt.

    "Trotzdem denke ich nicht, dass es fair wäre, die Konvention als Misserfolg zu bezeichnen. Denn ohne sie wären wir heute noch viel schlechter dran."

    Mark Stafford Smith leitet beim staatlichen australischen Forschungsinstitut CSIRO ein Programm, das Anpassungsstrategien an den Klimawandel erforscht und er war einer der Vorsitzenden der wissenschaftlichen Vorbereitungskonferenz für Rio+20. Seiner Ansicht nach haben die drei Konventionen, die in der Folge der ersten Riokonferenz verabschiedet wurden, zumindest ein Problembewusstsein geschaffen. Und immerhin habe das auf der Klimarahmenkonvention fußende Kyotoprotokoll einige, wenn auch geringe Verbesserungen gebracht. Bei der Konvention zum Schutz der Biologischen Vielfalt sieht es dagegen düster aus. Allein in den Tropen hat die Biodiversität seit dem Erdgipfel 1992 um 30 Prozent abgenommen. Dabei sollte die Konvention genau diesen Verlust minimieren.

    "Die Konventionen wurden etabliert und sie funktionieren, wenn auch mit sehr durchwachsenem Erfolg. Erfolgreich waren sie darin, mehr Informationen anzuhäufen und zu einem besseren Verständnis der Zusammenhänge beizutragen. Außerdem sind einige kleinere Abkommen aus ihnen hervorgegangen, die durchaus erfolgreich sind, zum Beispiel das Cartagena-Protokoll zum Umgang mit genetisch veränderten Organismen. Aber im Großen und Ganzen ist es uns natürlich nicht gelungen, den Klimawandel zu stoppen oder den Artenschwund zu bremsen. Und die Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung hat im Prinzip überhaupt nichts erreicht."

    Diese dritte Konvention hat 18 Jahre nach ihrer Unterzeichnung die magerste Bilanz vorzuweisen. William Dars Ansicht zufolge sind dafür in erster Linie die reichen Industrieländer verantwortlich, die Wüstenbildung nicht als großes Problem sähen. Der Generaldirektor des Internationalen Getreideforschungszentrums für die semiariden Tropen hat von 2007 bis 2009 das wissenschaftliche Gremium geleitet, welches die Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung berät.

    "Unter den drei UN-Konventionen ist die Übereinkunft zum Kampf gegen die Wüstenbildung die am stärksten vernachlässigte. Viele Staaten investieren nicht genug, so dass die zuständigen Gremien kaum handlungsfähig sind. Sie ist die unterfinanzierteste von allen Konventionen."

    Die magere Erfolgsbilanz der drei UN-Konventionen ist für den Professor für Internationes Recht an der Universität von Kalifornien, David Victor, symptomatisch für die Ergebnisse großer internationaler Konferenzen.

    "Die internationalen Verhandlungen müssen sich wegbewegen vom Setzen großer abstrakter Ziele, deren Durchsetzung sich völkerrechtlich nicht erzwingen lässt, hin zu kleineren Zielen, die sich viel stärker mit dem decken, was die einzelnen Regierungen sowieso wollen. Dann können wir versuchen, die Staaten noch ein wenig mehr in unsere Richtung zu drängen, um ihnen größere Zugeständnisse an den Umweltschutz zu entlocken."

    Das von den Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention vorgegebene Ziel etwa, die globale Klimaerwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, sei viel zu abstrakt und zu weit entfernt von den nationalen Interessen der meisten Staaten. Ein gutes Beispiel dagegen, sei eine Initiative, die sich der Bekämpfung von Ruß verschrieben habe.

    "Viele Staaten, die zwar kein großes Interesse haben, sich für den Schutz des Klimas einzusetzen, sind gleichzeitig sehr beunruhigt über die Ruß-Emissionen in ihren Ländern. In China und Indien zum Beispiel kochen die meisten Landbewohner über offenen Feuerstellen. Gerade Frauen inhalieren so große Mengen Rußpartikel, die Lunge und Herz angreifen und zahlreiche vorzeitige Todesfälle verursachen. Wenn Sie also einen Weg finden, diesen Ländern dabei zu helfen, ihre Ruß-Emissionen zu senken, tun Sie etwas, das die Staaten sowieso wollen und gleichzeitig führen geringere Ruß-Emissionen auch zu einer schwächeren globalen Erwärmung."

    Solche kleinen Initiativen seien wesentlich erfolgversprechender als lautstark verkündete internationale Ziele, an die sich sowieso niemand halte, sagt David Victor.

    Weiterführende Links zum Thema:

    Themenportal Rio+20
    Die UN-Konferenz Rio+20