Fotoausstellung in London

Auf den Minenfeldern der Männlichkeit

07:44 Minuten
Adi Nes, Untitled, from the series Soldiers, 1999 Courtesy Adi Nes & Praz-Delavallade Paris, Los Angeles.
Adi Nes, Untitled, from the series Soldiers, 1999 Courtesy Adi Nes & Praz-Delavallade Paris, Los Angeles. © Adi Nes
Robert Rotifer im Gespräch mit Gesa Ufer · 05.03.2020
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Der Begriff der "Männlichkeit" ist heute so aufgeladen wie vielleicht noch nie. Die Fotoausstellung "Masculinities" in London macht die Veränderungen des künstlerischen Blicks von den 60er-Jahren bis heute sichtbar. Doch etwas fehlt.
Debatten rund um das Thema "Männlichkeit" werden oft sehr aufgeregt geführt. Dass die Kunst helfen kann, den Blick zu weiten, zeigt die Ausstellung "Masculinities: Liberation Through Photography" im Londoner Kunstzentrum Barbican besonders anschaulich. Es geht hier um nichts weniger, als die Befreiung von bestimmten Formen der Männlichkeit durch die Fotografie.
Laut Selbstbeschreibung will die Ausstellung die Arten erforschen, "in denen Männlichkeit in Fotografie und Film von den 60er-Jahren bis heute erlebt, dargestellt, kodiert und gesellschaftlich konstruiert wurde".
Ein hoher Anspruch, dem die Ausstellung aber gerecht werde, meint unser London-Korrespondent Robert Rotifer. Die Kuratorin Alona Pardo habe die Ausstellung sehr gut strukturiert, etwa in die Bereiche "Disrupting the Archetype", "Male Oder" oder "Queering Masculinites", lobt er. "Sie hat sehr viele Begriffe aus dem derzeitigen Diskurs herausgenommen und sich überlegt, welche Fotografinnen und Fotografen Arbeiten dazu gemacht haben."

Wer am lautesten schreit, bekommt ein Bier

Dabei würden einige Stereotype abgegrast, erzählt Rotifer. Es gehe um Soldaten, Stierkämpfer und Cowboys, aber auch um den weißen Blick auf schwarze Körper: "Die Ausstellung gestaltet sich ein bisschen so, als würde man durch das Minenfeld der Definition verschiedener Maskulinitäten in diesem Zeitalter durchwandeln."
Die Werke würden trotz des theoretischen Überbaus für sich selbst sprechen, sagt Rotifer. Da ist zum Beispiel das Video "Fraternity" von Richard Mosse. Ein Video über das Wettschreien unter den Männern einer Bruderschaft der Universität Yale, der Gewinner erhält ein Fass Bier. "Da bekommt man die geballte toxische Männlichkeit der amerikanischen Spielart zu sehen", sagt Rotifer.
Auch Piotr Uklanskis Reihe "The Nazis" spreche für sich. Sie zeigt Schauspieler, die Nazis verkörperten und mache deutlich, "dass hier eine Fetischisierung in Gang ist".

Der weibliche Blick auf Männer

Durch den Zugang der Kuratorin und die Werke von Fotografinnen in dem Bereich "Women on Men – Reversing the Male Gaze" zeige die Schau auch eine Umkehrung des männlichen Blicks. In dem Bereich seien Pionierarbeiten zu sehen, wie die Fotoarbeit der deutschen Marianne Wex "Let's Take Back Our Space: ,Weibliche‘ und ,männliche‘ Körpersprache als Ergebnis von patriarchalen Strukturen" (1977). Darin habe Wex gezeigt, wie sich Männer und Frauen im öffentlichen Raum zueinander verhielten.
Ein anderes Beispiel ist Tracey Moffats "Heaven". Sie filmte Surfer beim Umziehen, ohne dass die sich dessen bewusst seien. "Das war der einzige Punkt der Ausstellung, wo ein erotischer weiblicher Blick auf Männer zu sehen war", sagt Rotifer. Ansonsten fehle dieser erotische heterosexuelle Blick von Frauen auf Männer. Das sei ein Kritikpunkt bei einer Ausstellung, die von den 60er-Jahren bis heute über die Veränderung von Männlichkeitsbildern nachdenken wolle: "Wo ist eigentlich die Androgynität abgeblieben, wo ist zum Beispiel der Blick auf den männlichen Popstar, der ja oft auch ein weiblicher Blick ist?"
(sed)

Masculinities: Liberation through Photography
Barbican, London
20.2 - 17.5.2020

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