Wortfilter bei TikTok

Nicht überraschend, aber problematisch

04:02 Minuten
Ein Besucher der Messe Gamescom macht mit dem Smartphone ein Foto vom TikTok-Stand.
Auch auf der Gamescom ist der TikTok-Stand ein gerne genutztes Foto-Motiv. Gerade unter Jugendlichen ist die chinesische Videoplattform beliebt. © picture alliance / AP / Martin Meissner
Ein Kommentar von Falk Steiner · 05.10.2022
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TikTok setzt in Deutschland systematisch Wortfilter ein. Bei Begriffen wie LGBTQ, Drogen oder Nazi werden Kommentare öffentlich nicht angezeigt. Der Fall spiegele die Macht und Intransparenz großer Plattformen wider, sagt der Journalist Falk Steiner.
Die vor allem bei Jugendlichen beliebte Kurzvideo-Plattform TikTok ist kein Hort der grenzenlosen Meinungsfreiheit. Diese Feststellung ist für viele Beobachter weder überraschend, noch ist sie wahrscheinlich dazu geeignet, die Nutzer massenhaft zum Wechseln zu bewegen. Denn, dass TikTok nicht alle Kommentare zulässt, wäre erst einmal nicht direkt problematisch. Doch es zeigt zwei große Problemfelder auf.
Da ist zum einen die Macht, die Betreiber digitaler Plattformen über die Möglichkeiten und die Grenzen des Diskurses im digitalen Raum heutzutage ausüben: Jede Plattform hat zum einen Gesetze, denen sie unterliegt. Je nach Herkunftsland, je nach Rechtsraum, in dem sie wirtschaftlich tätig ist. Das betrifft alle Facebooks, Twitters, TikToks, YouTubes und Instagrams gleichermaßen.

Geschäftsbedingungen sind Intransparenz

Als zweites Element kommen dazu die jeweiligen Hausregeln, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Diese dürfen auch über das hinausgehen, was gesetzlich vorgeschrieben ist. Doch nach welchen Interessen die Unternehmen die Regeln für ihre Plattformen gestalten, das ist regelmäßig vor allem eines: intransparent.
Mein Haus, meine Regeln – das gilt für die Plattformen nur zu oft in einer intransparenten Art und Weise, die den Betreibern nahezu beliebiges Verhalten ermöglicht. Im Fall von TikTok sind es Wortfilterlisten, die automatisiert Kommentarinhalte nicht durchlassen, ohne auf den Kontext zu achten. Im Fall anderer Betreiber sind es automatisierte Bilderkennungsverfahren, die etwa Nacktheit in Video- oder Bilddateien erkennen und sperren.

Wie sehr wird TikTok vom Staat gelenkt?

TikTok ist aber insofern ein Sonderfall, als dass es die einzige bei uns populäre Plattform ist, die chinesische Wurzeln hat. Immer wieder steht sie im Verdacht, aus politischen Gründen Inhalte automatisiert zu zensieren. Mein Haus, meine Regeln – das heißt in den USA und Europa dann doch etwas anderes als in der Volksrepublik. Die Frage, inwiefern TikTok wirklich unabhängig vom chinesischen Staat und seinen Interessen agiert, wird dabei immer wieder thematisiert. Eindeutige Antworten aber gibt es bis heute nicht.

Neues EU-Gesetz könnte helfen

Was den Fall TikTok zudem besonders macht, ist: Laut den Journalisten, die die Wortfilter nun analysiert haben, merken Nutzer nicht, wenn ihre Kommentare durch die Wortlisten herausgefiltert werden. Für sie sieht alles so aus, als ob diese vorhanden wären. Das ist für die Nutzer intransparent und irreführend.

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Hier könnte tatsächlich europäische Gesetzgebung demnächst Abhilfe schaffen: Mit dem Digital Services Act (DSA, zu Deutsch: Deutsch Digitale Dienste-Verordnung), der ab 2024 in der EU gelten wird, verändern sich auch die Anforderungen an alle Plattformbetreiber massiv. Der DSA verpflichtet Anbieter nicht nur dazu, Inhalte entsprechend der Gesetze zu moderieren, sondern auch, ihre Moderationsregeln offenzulegen und die Meinungsäußerungsfreiheit nicht unzulässig zu beschneiden. Hier könnte TikTok, das als besonders große Plattform direkt unter die Aufsicht der EU-Kommission fallen wird, ein interessanter Fall werden. Offen bleibt allerdings auch mit dem Digital Services Act, inwiefern eine automatisierte Inhaltefilterung erlaubt bleibt. 
Für Nutzer wiederum heißen die aktuellen Meldungen vor allem eines: Wer glaubt, dass er auf Social-Media-Plattformen nicht dem Wohl und Weh der Plattformen ausgeliefert sei, dessen Aufmerksamkeitsspanne für Kritik war in den vergangenen Jahren wohl noch kürzer als ein TikTok-Video.
 
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