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Entladung vor der Haustür

Technik. – Die tradierte Weisheit ''Eichen sollst Du weichen, Buchen sollst Du suchen'' ist wenig hilfreich, zumal wenn es um den Schutz von Häusern oder empfindlichen elektronischen Geräten geht. Doch auch fachgerecht montierte Blitzableiter können Computer und Co nicht immer vor Schaden bewahren, wenn der Himmel grollt. Auf der Internationalen Blitzschutz-Tagung des Verbandes der Elektrotechnik In Neu-Ulm erörterten Experten, was wirklich hilft, damit der Blitz einen Bogen um empfindliche Objekte macht.

17.11.2003
    Die Anforderungen an den Blitzschutz werden immer höher. Ein Grund hierfür sind die weit verbreiteten Computer, denn ihre Schaltkreise sind besonders empfindlich gegenüber den himmlischen Über-Spannungen. Auch kann der wirtschaftliche Schaden groß sein, wenn Rechenanlagen unter dem Schlag eines Blitzes zusammenbrechen. Wenig hilfreich sei überdies, dass der Mensch dem Himmel immer näher baue, sagt Friedhelm Noack, Professor für Elektrische Energietechnik an der Universität Ilmenau: "Je höher die Gebäude werden, desto größer ist auch die Gefahr, dass sie von einem Blitz getroffen werden. Auf der anderen Seite wächst bei Häusern, die aus Stahlbeton bestehen, auch die Möglichkeit, die Gebäudestruktur in den Blitzschutz einzubeziehen." Metallkonstruktionen könnten sogar selbst ein wesentliches Element der Blitzabwehr bilden, sofern sie direkt in ein Schutzkonzept einbezogen werden. In diesem Fall könne man sich mehr den empfindlichen "Innereien", also elektrischen und elektronischen Einrichtungen im Haus, widmen.

    Der moderne Schutz gegen die Urgewalten der Natur erfolgt gestaffelt. Die unterste Ebene bildet der klassische Blitzableiter, der die Spannung in die Erde führt. Doch dies gelingt im Ernstfall nur selten wirklich vollständig. Daher verfügen besonders gefährdete Einrichtungen über einen zusätzlichen Überspannungsschutz, der die beim Blitzschlag entstehenden Spannungspotenziale innerhalb des Gebäudes an empfindlicher Elektronik vorbei führt und einen Schaden verhindert. Die nächste Stufe der Blitzgegenmaßnahmen sind dann zusätzliche Überspannungsfilter in empfindlichen Geräten, in denen Sicherungen jedes noch so keine Zuviel an elektrischer Spannung abweisen. Jeder Baumarkt führt heute entsprechende Zwischenstecker, mit denen auch Otto-Normalverbraucher seinen PC weitgehend gegen Blitze wappnen kann. Doch auch sie versagen, wenn der Blitz das Haus direkt trifft.

    Geht es darum, komplexere elektronische Infrastruktur zu schützen, dann bemühen Ingenieure Computer und Simulationen, schildert Noack: "Simulationen werden auf der immer breiteren Basis praktischer Erfahrungen stets weiter verbessert. Weil aber Blitze kaum vorhergesagt und nur schwer im Detail beobachtet werden können, stellen wir sehr starke und durchaus vergleichbare Entladungen im Labor auch ganz praktisch nach." So sind eine Million Volt und 20.000 Ampere typische Werte, die innerhalb von Millisekunden auftreten und zu Boden fahren. Doch nicht nur Computer gehören zu der gefährdeten Spezies, auch der Mensch ist - zumal im Freien – der Naturgewalt aus Elektrizität ausgeliefert. Daher werden an Orte von Großveranstaltungen besondere Anforderungen gestellt. Friedhelm Noack untersuchte beispielsweise das neue Münchener Fußballstadion, das zur Weltmeisterschaft 2006 fertig sein soll: "Einerseits wird das Stadion eine riesige Stahlkonstruktion auf einem Stahlbetonsockel besitzen, wobei die Dachkonstruktion selbst quasi einen Blitzschutz darstellt." Um im Falle eines Gewitters aber auch Zuschauer auf den unteren Rängen sowie die Spieler auf dem Feld sicher zu schützen, empfiehlt der Fachmann, in luftiger Höhe über dem Stadion dünne Erdungsseile zu spannen.

    [Quelle: Hellmut Nordwig]