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Gefährliche Nahrungssuche im Wald

Sie kommen meist in der Dunkelheit und kümmern sich wenig um den Schaden, den sie anrichten: Umweltfrevler, die Müll aller Art illegal im Wald entsorgen. Ob Bauschutt, Hausabfälle oder ganze Küchenzeilen, Polizei und Forstämter in Niedersachsen kämpfen seit Jahren gegen die Müllhalden im Wald. Denn die Hinterlassenschaften schaden nicht nur der Umwelt, sie werden auch zu regelrechten Todesfallen für zahlreiche Tiere.

Von Jörn Haarmann | 12.04.2005
    "Insbesondere ist es das Schwarzwild, mit dem feinen Spürsinn. Aber auch Füchse, Marder Dachse. Wenn sie Hunger haben, gehen sie gerne an Plastikmüll ran, in dem noch Reste von Nahrungsstoffen drin sind, lecken die ganz einfach aus. Und da kommen sie ganz einfach mit der Schnauze in die Joghurtbecher rein und können sich dieser Joghurtbecher nicht mehr entledigen. Sie verhungern, ja."
    Für Carl-Otto Caspari, Leiter des Niedersächsischen Forstamtes Rotenburg/Wümme, ist illegal entsorgter Müll nahezu an der Tagesordnung. Mindestens einmal in der Woche findet er in den weitläufigen Forsten des Bezirks Rotenburg anhängerweise Haus- und Sperrmüll oder Elektroschrott. Doch dabei bleibt es nicht immer. Im Emsland sind mittlerweile auch Schlachtabfälle und Tierkadaver im Wald aufgetaucht, möglicherweise von landwirtschaftlichen Betrieben stammend. Wolfgang von Vogel, Dezernent beim zuständigen niedersächsischen Forstamt Ankum.

    "Schafe, Schweine, bis hin zu entsorgten Haustieren. Solche Fälle sind vorgekommen und widersprechen jeglicher Tierseuchenhygiene und jeglichem Abfallentsorgungsvorgang. "

    Auch wenn dies Einzelfälle sind: Das Problem der illegalen Müllentsorgung nimmt zu. Carl-Otto Caspari vom Forstamt Rotenburg/Wümme.

    "Man merkt sofort, wenn die Müllgebühren in einer Gemeinde steigen, dann nimmt nach unserer Erfahrung auch der Müll im Walde zu. Rotenburg ist ein Verkehrsknotenpunkt, mehrere Bundesstraßen führen hier zusammen, also auch viel Verkehr. Insofern sind wie gezwungen, Baken davor zu machen, damit die Zuwegung nicht gegeben ist."

    Zugleich ermittelt die Polizei immer weniger Verantwortliche. Konnte sie etwa im Landkreis Osnabrück im Jahr 2002 noch rund achthundert Umweltsünder fassen, sank ihre Zahl im vergangenen Jahr auf unter siebenhundert. Die Spuren können meist nicht zurückverfolgt werden; in manchen Fällen allerdings schon. Forstamtleiter Caspari:

    "Hier bei Zewen ist eine Kaserne. Und die bewegen sich natürlich auch draußen im Wald. Das sind ganz normal aus diesen Verpflegungsrationen Dosen, das sind Plastikbehälter, Einwickelpapier. Alle diese Dinge bleiben über Jahre, Jahrzehnte draußen im Wald liegen. "

    Die Bundeswehr reagiert und sucht die Forste alle paar Monate auf Hinterlassenschaften der Soldaten ab. Wie viele Tiere sich an scharfen Blechteilen, Dosen, Kühlschränken und anderem wildem Müll verletzen, ist ungewiss:

    "Ich vermute, es gehen mehr Tiere zugrunde, als wir glauben, weil wir es einfach nicht wissen. Die kleinen Tiere sind einfach unauffälliger, sie ziehen sich zurück und kein Mensch sieht die Tiere, wenn sie dann verendet sind. "
    Unübersehbar sind allerdings schwer verletzte Hirsche, die Förster immer wieder finden. Für sie sind Drähte von nicht abgeräumten Weidezäunen lebensgefährlich. Oder Kabel und Stricke jeder Art, mit denen sie mit Vorliebe spielen. Wolfgang von Vogel vom Forstamt Ankum:

    "Wir haben hier ein Foto von einem Damhirsch, der an seinem Geweih eine Hanfschnur aufgewickelt hat, die auch sich um einen Hinterlauf zugezogen hatte. Und er ist dann leichte Beute von Füchsen, Wildschweinen in dem Falle und wird wohl sehr elendig zugrunde gegangen sein. "

    Die Forstämter stehen dem Problem der illegalen Müllentsorgung bisher weitgehend machtlos gegenüber. Helfen könne höchstens die Einsicht der Verursacher. Doch die werden nach den Erfahrungen der Forstbeamten auch von hohen Geldstrafen von bis zu mehreren Tausend Euro selten abgeschreckt, die bei Fällen von Umweltverschmutzung drohen.