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Frauen als Firmengründerinnen
Weniger grübeln, mehr auf das Herz hören

Kirstin Knuffmann gehört zu den wenigen Frauen in Sachsen-Anhalt, die den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt hat. Sie hat einen Online-Versand für vegane Lebensmittel. Viele Frauen in dem Bundesland trauen sich eine Firmengründung nicht zu. Das soll sich ändern.

Von Christoph D. Richter | 08.03.2017
    Eine Geschäftsfrau mit Aktenordnern und Handtasche.
    In Sachsen-Anhalt sollen Frauen dazu ermutigt werden, Firmen zu gründen. (dpa / picture-alliance / Patrick Pleul )
    Schon frühmorgens um acht ist Kirstin Knufmann in ihrem kleinen Betrieb - der sich in einer Lagerhalle aus DDR-Zeiten im altmärkischen Klötze befindet – schnellen Schrittes unterwegs. Pure Raw steht am Tor und ist ein Online-Versand für vegane Rohkostprodukte, wie Gerstengras-Pulver, Hanf-Samen, Reishi-Latte oder Chlorella-Algenpresslinge. Aber auch:
    "Wir haben hier unsere Produktlinie mit indischen Gewürzen aus der traditionellen ayurvedischen Lehre. Wir haben hier die Alternative für Butter, Milch und Ei: Bobei. Backen ohne Butter und Ei. Goldene Milch, Caj-Latte, das wir da den Leuten das Leben erleichtern."
    Nahrungsmittel, die in üblichen Supermärkten kaum erhältlich sind. Und für Roh-Veganer gedacht sind, die sich ausschließlich von Obst und Gemüse, getrockneten Früchten, Nüssen, Samen, Keimen, Sprossen und Algen ernähren. In einem ungeheizten, staubigen Raum stehen zwei Mitarbeiterinnen in weißen Kitteln und rühren vegane Trinkmischungen an.
    Superfoods kommen besonders gut an
    Der große Renner sind Spirulina – und Chlorella-Algen, die am Ortsrand in einem kleinen Bio-Reaktor hergestellt werden. Superfoods nennt man diese Nahrungsmittel.
    "Ist ein Lebensmittel mit einer besonders hohen Nährstoffdichte, sprich: auch möglichst unverarbeitet. Sodass ich hier einfach gute Nährstoffe in möglichst weniger Masse bekomme", erzählt Kirstin Knufmann.
    Keine verbohrte Dogmatikerin, eher die fröhlich lachende Ernährungsberaterin. Die roh-veganen Produkte werden von Klötze aus - das liegt 30 Kilometer nordöstlich von Wolfsburg - in die ganze Welt verschickt.
    "Die Idee kam aufgrund meines eigenen Interesses, d. h. ich habe mich vegan bzw. rohköstlich ernährt. Und habe dann die Produkte in der Qualität für mich zusammengebracht, in der ich sie gerne haben wollte."
    2010 ist Kirstin Knufmann in den Osten gekommen. Die 36-Jährige stammt ursprünglich aus Frechen bei Köln, eine ausgebildete Immobilienkauffrau. Später war sie Modefotografin und hat in Barcelona, New York und Los Angeles gelebt und gearbeitet. Jetzt hat sie ihr Start-up nicht in der hippen großen weiten Welt, sondern in der beschaulichen Altmark, im Norden Sachsen-Anhalts gegründet.
    Nicht viele Frauen in Sachsen-Anhalt gründen Firmen
    Mittlerweile beschäftigt Kirstin Knufmann 6 Mitarbeiter. Der Umsatz ihres Versandhandels für vegane Rohkostprodukte - ein Hype nicht nur in den USA - beläuft sich ihren Angaben zufolge zwischen ein und zwei Millionen Euro. Die Erfolgsgeschichte einer jungen Unternehmerin, in Sachsen-Anhalt nicht der Regelfall: Denn nur jede vierte Firma wird im einstigen Frühaufsteher-Land von einer Frau gegründet. Knufmann beobachtet, dass gerade hier Frauen das nötige Selbstbewusstsein fehlt.
    "Ich glaub', Männer sind mehr bereit Risiko einzugehen und da denken Frauen vielleicht sicherheitsbedachter. Auch gerade mit der Familie. Da ist man eher froh, wenn man angestellt ist, auch weil man nach der Schwangerschaft auch wieder einfacher in den Job reinkommt. Alles Faktoren, die bei Frauen eine Rolle spielen."
    Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei ein großes Problem bei Existenzgründungen von Frauen beobachtet auch Traudel Gemmer vom Verband selbstständiger Frauen in Sachsen-Anhalt. Bundesweit wagten 2016 nur 270.000 Frauen den Schritt in die Selbstständigkeit. Laut dem Gründungsmonitor der KfW-Förderbank, ein Rückgang von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das sei drastisch, sagt Gemmer. Steuerberaterin und Unternehmerinnen-Coach:
    "Ja, das ist richtig. Frauen haben oft nicht den Mut, das eigene Unternehmen aufzubauen. Gründe sind vielfach, das stellen wir fest, die Frage der Finanzierung. Frauen wollen nicht gleich in Schulden gehen. Sie haben aber auch Angst Personal zu führen, oft kommt auch das Argument, ich trau es mir nicht zu."
    Servicecenter soll Frauen unterstützen
    Mittels eines 2015 gestarteten Servicecenters für Existenzgründerinnen versucht man nun in Sachsen-Anhalt Frauen den Weg in die Selbstständigkeit schmackhaft zu machen. Dazu wird ein Lotsendienst angeboten, die potenzielle Unternehmerinnen bei den Wegen zu den Behörden und Banken unterstützen. Denn in den kommenden Jahren will das Land mehr Unternehmerinnen hervorbringen, Frauen auf dem Weg zur eigenen Firma zur Seite stehen.
    "Man muss ihnen Mut machen, ihnen aufzeigen, dass es geht. Und sie begleiten. Ich glaube, das sind die wichtigen Punkte, die wir im letzten Jahr festgestellt haben."
    Wer Lust habe, sich als Frau selbstständig zu machen, solle auf sein Herz hören, weniger grübeln. So der Rat von Kirstin Knufmann, die nicht nur vegane Rohkostlebensmittel vertreibt, sondern auch Kochbücher schreibt, Seminare und Workshops gibt.
    "Im Grunde genommen kann einem nichts passieren. Das Einzige was passieren kann, das ich mir vorwerfe, dass ich es nicht probiert habe. Das heißt, ich mache mir mein Leben lang Vorwürfe. Das will ich nicht. Und wenn es daneben geht, fange ich wieder neu an, also was soll passieren."