Dienstag, 30. April 2024

Archiv

Berthe Morisot
Impressionistin der ersten Stunde

Die französische Malerin Berthe Morisot verstand es, ihre Eindrücke der Natur und menschliche Figuren mit schnellem, fast schon flüchtigen Pinselstrich auf der Leinwand festzuhalten. Hiermit schockierte sie das große Publikum. Vor 125 Jahren ist sie gestorben.

Von Björn Stüben | 02.03.2020
    Berthe Morisot, 1872
    Berthe Morisot, 1872 (dpa/Heritage Art/Heritage Images)
    Die junge Frau schaut den Bildbetrachter direkt an. Ihr Teint ist fast weiß und sticht aus dem tiefen Schwarz des am Dekolleté mit filigraner Spitze besetzten Kleides hervor. Sie posierte dem Maler Edouard Manet 1873 nicht etwa für Geld, sondern sie war eine enge Vertraute und wurde ein Jahr später sogar seine Schwägerin. Es war die Künstlerin Berthe Morisot.
    Gerade dreiunddreißigjährig, gründete sie gemeinsam mit Claude Monet, Edgar Degas, Auguste Renoir und über zwanzig anderen Künstlern 1874 die Gruppe der Unabhängigen, die im selben Jahr ihre erste Ausstellung eröffnete. Diese Maler wurden später Impressionisten genannt. Marianne Mathieu, Konservatorin am Pariser Musée Marmottan: "Berthe Morisot vermittelte zwischen Renoir, Monet und Manet. Wir wissen heute, dass sie nicht von einem dieser Künstler direkt beeinflusst wurde, sondern ihre eigene Malerei entwickelte. Sie trieb den Impressionismus entscheidend voran und ihre künstlerischen Bestrebungen verbanden sich dabei mit denen ihrer Malerkollegen."
    Modernes Leben abbilden
    Unkonventionell in Stil und Themenwahl, einte die jungen Künstler, dass sie häufig im offiziellen Kunstsalon abgelehnt worden waren, aber auch, dass sie die akademischen Maltraditionen über Bord werfen und das moderne Leben abbilden wollten. Berthe Morisot wurde 1841 in großbürgerliche Kreise hineingeboren und schon sehr früh im Aquarellieren und Zeichnen unterrichtet. Selbst hochbegabten Frauen wurde jedoch der Zugang zur Pariser Kunsthochschule verwehrt, und so hatte Morisot private Lehrer. Von Camille Corot, der mit der Freiluftmalerei die Kunst revolutionierte, übernahm sie die Palette mit klaren Farben und die Liebe zum Malen in der Natur. 1873 heiratete sie Eugène Manet, der sie als Malerin akzeptierte. Selbstbewusst signierte sie mit ihrem Mädchennamen. Der Kritiker Paul Mantz lobte Morisot 1877: "Es gibt in dieser revolutionären Gruppe nur einen Impressionisten: das ist Mademoiselle Berthe Morisot."
    Sie war es, die konsequenter und auch radikaler als die meisten Mitstreiter die Grundlagen der neuen impressionistischen Malerei umzusetzen versuchte. Der Kritker Charles Ephrussi umschrieb 1880 ihren Stil: "Man meint, dass sie auf ihrer Palette Blütenblätter zerkleinert, um sie dann anschließend auf der Leinwand in sehr spirituellen Pinselstrichen wieder auszubreiten. Der Zufall scheint sie auf den Malgrund verteilt zu haben. Sie passen sich dann einander an und etwas sehr Feines entsteht, das lebhaft und charmant wirkt und das man eher erahnt, als dass man es wirklich sieht."
    Doch das Publikum hatte mit großem Unverständnis auf den avantgardistischen Malstil des Impressionismus reagiert. Ein erklärter Gegner der neuen Kunstströmung, Albert Wolff, erwähnte Morisot 1880 im Figaro: "Es gibt auch eine Frau in der Gruppe, wie immer bei solchen Banden. Sie heißt Berthe Morisot, und sie ist interessant zu beobachten. Weibliche Anmut bleibt ihr erhalten trotz allen Wahnsinns im Geiste."
    Unabhängigkeit und Subjektivität als Künstlerin
    Ungeachtet solcher Stimmen nahm sie an sieben der acht Impressionistenausstellungen in Paris teil. Die Themen, die sie in ihren Werken verarbeitete, unterschieden sich nicht von denen ihrer Mitstreiter. Marianne Mathieu: "Sie malte alle Themen, außer vielleicht die Guinguettes, die Ausflugslokale, denn als junge Frau aus gutem Milieu frequentierte man solche Orte nicht. Ihre bevorzugten Bildmotive waren die Landschaft und die menschliche Figur."
    Es waren oft ihr Mann Eugène und ihre Tochter Julie, die in ihren Bildern von blühenden Gärten oder windgepeitschten Strandszenen als Statisten aus einem wahren Farbenrausch auftauchten. Morisots Pinselstrich war extrem pastos. Auch ließ sie einige Werke unvollendet, nackte Leinwand blieb erkennbar und dies mit voller Absicht. Der Schaffensprozess der Malerin sollte hiermit erkennbar bleiben. Für Morisot, die sich für das Leben einer Künstlerin entschieden hatte, kam dies einem Bekenntnis gleich, denn es unterstrich ihre Unabhängigkeit und Subjektivität als Künstlerin, aber auch als Frau. Berthe Morisot: "Ich glaube nicht, dass es je einen Mann gab, der eine Frau gleichberechtigt behandelt hätte. Und das ist eigentlich nur das, was ich verlangt hätte. Denn ich weiß, dass ich gleichwertig bin."
    Berthe Morisot starb am 2. März 1895 im Alter von 54 Jahren. Im Pariser Familiengrab beigesetzt, findet sich unter ihrem Namen lediglich der Zusatz eingraviert "Witwe Eugène Manets". Ein Verweis auf ihre Karriere als professionelle Malerin fehlt. Diesen Beruf einer Frau zuzubilligen, weigerte sich ihre Epoche.