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"Zu ungenau, zu billig, zu wenig transparent"

Landwirte wollen mit der "Initiative Tierwohl" die Bedingungen in der Schweine- und Geflügelmast verbessern. Aus Sicht von Tierschutzorganisationen ist das allerdings nur ein Schritt in die richtige Richtung und keine wirkliche Verbesserung.

Von Jessica Sturmberg | 04.10.2013
    Anfang September trafen sich die Spitzenvertreter von Landwirtschaft, Schlachtwirtschaft und Lebensmitteleinzelhandel in Berlin, um die "Initiative Tierwohl" ins Leben zu rufen. Damit soll in der Landwirtschaft auf breiter Ebene ein höherer Tierschutzstandard eingeführt werden. Damit will man Lebensmittelskandalen, dem hohen Einsatz von Antibiotika in der Tiermast und Fehlentwicklungen in der Massentierhaltung entgegen wirken.

    Anlässlich des Welttierschutztages und vor Beginn der großen Nahrungsmittelmesse Anuga in Köln haben der Deutsche Tierschutzbund, Bund für Umwelt und Naturschutz BUND und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft AbL die Initiative gemeinsam kritisiert. Zu ungenau, zu billig und zu wenig transparent, lauten die Kernvorwürfe der drei Verbände.
    Die "Initiative Tierwohl" betrifft bisher nur die Schweine- und die Geflügelmast. Die Landwirte, die an der Initiative teilnehmen, bekommen Geld dafür, wenn sie höhere Qualitätskriterien einführen.

    Das Ganze ist aufgebaut wie ein Katalog: Es gibt ein Standardpaket, das der Bauer erfüllen muss, unter anderem jährliche Audits, ein Antibiotikamonitoring, ein Stallklimacheck oder die Gewährleistung von 1,5 Prozent Tageslicht. Für das Standardpaket bekommt der Landwirt 500 Euro für seinen Betrieb pro Jahr. Die weiteren, frei wählbaren Qualitätsaspekte werden jeweils unterschiedlich honoriert. Beispielsweise je mehr Platz den Tieren eingeräumt wird, desto mehr Zusatzvergütung bekommt er. Alternativ kann der Landwirt auch Raufutter einführen.

    Frei wählbare Qualitätskriterien bei der Tiermast trügen wenig zum Tierwohl bei, außerdem seien mögliche Wechselwirkungen der frei wählbaren Kriterien nicht bedacht, kritisieren die drei Verbände weiter. Etwa, wenn den Schweinen die Ringelschwänzchen belassen würden, dann müssten diese zugleich mehr Auslauf und Raufutter erhalten, damit sie sich nicht gegenseitig angreifen würden. Finanziert werden soll das durch den Handel. Ob damit die Fleischpreise steigen oder die Honorierung der höheren Standards anderweitig gegenfinanziert werden, ist noch unklar.

    Diese neue Tierschutzinitiative allerdings nutzt dem Verbraucher zunächst einmal nicht direkt. Denn es wird gar nicht erkennbar, welchen Tierschutzstandard er mit dieser neuen Initiative genau bekommt. Beispielsweise ob und wie viel mehr Platz die Schweine oder das Geflügel im Stall haben, wie viel Tageslicht sie bekommen, ob sie Raufutter erhalten, ob ihnen Wasser in einer offenen Wanne zur Verfügung steht oder ob den Schweinen die Ringelschwänze belassen werden. Das kann der Landwirt ja selbst wählen.

    Und ob Gentechnik eine Rolle spielte, ob Antibiotika eine Rolle spielte, das kann man am Produkt zumindest vorerst nicht erkennen, weil alles in derselben Verpackung landet. Die Verbraucher wissen im Prinzip nur abstrakt, dass in einigen Betrieben die Standards besser geworden sind.

    Bauernverband verteidigt die Initiative
    Zu der Kritik von Tierschutzbund, BUND und AbL, dass dadurch ein viel zu großes Durcheinander an zusammengewürfelten Qualitätskriterien im Raum stünden, sagt der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes Bernhard Krüsken dem DLF:

    "Das ist ja genau der Vorzug dieser Initiative, dass der Landwirt vor Ort entscheiden kann, wie viel er in Sachen Tierwohl machen kann und das in einem Rahmen seiner betrieblichen Möglichkeiten machen kann. Ich finde bei der Kritik von AbL, Tierschutzbund schon mal wichtig, dass man die Grundrichtung der Initiative begrüßt. Wir machen uns ja hier ein Stück weit auf den Weg. Wir installieren ein Anreizsystem und das ist eben das Besondere an dieser Initiative. Das hat nun die Chance einmal mit der direkten Honorierung des Landwirtes auf seinem Betrieb, aber auch mit der Konstruktion der Initiative das Thema in die Fläche zu bringen."

    Also das Ziel lautet: Tierschutz auf breiter Ebene, dafür aber mit individuellen Qualitätskriterien, die sich der Landwirt selbst wählen kann. Wie viele Bauern sich beteiligen werden, darüber gibt es bisher noch vage Prognosen. Der Bauernverband sähe es als Erfolg, wenn in ein paar Jahren ein "zweistelliger%bereich" der Landwirte bei der Initiative mitmachen würde. Aber hierbei muss jeder Landwirt auch für seinen Betrieb kalkulieren, was er und wie er es umsetzen kann und ob es sich finanziell realisieren lässt. Zu der Kritik, dass der Verbraucher an der Fleischtheke im Grunde gar keinen Anhaltspunkt hat, welche Qualität Fleisch er kauft, erläuterte Bernhard Krüsken:

    "Es ist auch nicht vorgesehen, Ware, die jetzt in der Theke liegt, konkret damit zu bewerben, das muss man auch noch mal sehen. Ich denke, der implizite Vorwurf, den ich da so ein bisschen heraushöre, dass Verbraucher hier im Unklaren gelassen werden, würde ich so nicht gelten lassen. Wir müssen sehen, dass wir jetzt erst einmal Betriebe in diese Schiene hineinkriegen und solange wir hier keine richtige Größenordnung erreicht haben, wäre es glaub ich auch unredlich, jetzt hier am Produkt mit solchen Dingen zu werben."

    Wie sich wiederum der Tierschutzbund eine gute Lösung vorstellt, dazu erklärte Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder:

    "Wir brauchen eine Lösung, die den Verbraucher mit einbezieht, dass er bewusst entscheiden kann am Einkaufsort. Also ganz klar auf den Packungen muss drauf stehen, was drin ist. So transparent wie möglich für den Verbraucher und wir brauchen eine Lösung, die die Landwirte dafür belohnt, dass sie mehr tun im Stall und das kann nur bedeuten, Fleisch ist heute zu billig und wer Fleisch so billig belässt, der will keinen Tierschutz mehr, der will nur Ruhe im Sortiment haben und deswegen brauchen wir sicherlich andere Preise im Fleischbereich, einen bewussteren Verbraucher. Aber den kann es nur geben, wenn er auch bewusst einkaufen kann und entscheiden kann, am Produkt selbst erkennen kann, was ist dort besser und was will ich dort noch kaufen."

    Für den Tierschutzbund, BUND und AbL ein Schritt in die richtige Richtung, aber noch nicht das Gelbe vom Ei.