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Vor 50 Jahren
Als der globale Süden eine Neue Weltwirtschaftsordnung forderte

Die Unterschiede zwischen armen und reichen Ländern sind bis heute enorm. Dabei hat es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Initiativen und Konzepte gegeben, um das zu ändern. Die Forderung nach einer neuen "Weltwirtschaftsordnung" wurde nicht erfüllt, bestimmte Länder haben es trotzdem geschafft, sich zu entwickeln.

Von Caspar Dohmen | 12.04.2022
Ein Kakaobauer in der Elfenbeinküste bei der Arbeit. Ihr Land ist besonders vom Verkauf der Kakaobohnen abhängig.
Ein Kakaobauer in der Elfenbeinküste bei der Arbeit (imago images / Joerg Boethling)
Bei dieser Versammlung im Westen Afrikas, in einem Dorf an der Elfenbeinküste, machen 200 Frauen und Männer ihrem Ärger Luft, denn vom Kakaoanbau können sie nicht leben: "Die Regierung muss die Preise erhöhen", sagt ein Bauer.
"Ein europäischer Autohersteller würde seine Autos doch auch nicht unter seinen Herstellungskosten verkaufen, so wie wir das hier häufig beim Kakao machen. Wir sind doch diejenigen, die den Kakao anpflanzen, und wir sollten deshalb auch die Preise festsetzen."
Die Elfenbeinküste ist eines von 101 Ländern, die besonders stark vom Verkauf von Rohstoffen und landwirtschaftlichen Produkten abhängen. Dazu zählt die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung, UNCTAD, Staaten, wenn sie mindestens 60 Prozent ihrer Exporteinnahmen mit Rohstoffen erzielen.
Von den 101 Staaten verkaufen 38 vorwiegend landwirtschaftliche Produkte, 32 Staaten vor allem mineralische Rohstoffe und 31 Rohöl. Hauptimporteure sind China, Deutschland, Japan und die USA. Diese vier kaufen knapp 40 Prozent aller Rohstoffe auf. Manche Staaten nehmen viel Geld mit dem Rohstoffverkauf ein, vor allem die Öl-exportierenden Länder, für andere kann Rohstoffhandel jedoch ein besonders schlechtes Geschäft sein.
Das war ein zentrales Thema bei der UNCTAD-Konferenz in Santiago de Chile 1972, auch der äthiopische Politikers Getema Yifru sah darin eine globale Ungerechtigkeit:
"Das Problem der Handelsbeziehungen zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern ist die wohlbekannte Tatsache, dass die Entwicklungsländer mit ihren Exporten nicht genug verdienen, um die Einfuhren von industriellen Investitionsgütern zu bezahlen und so eine akzeptable Wachstumsrate zu erreichen."

Rohstoff-Lieferanten sind abhängig von der Spekulation

In die ökonomische Klemme geraten die Rohstoff-Lieferanten auch regelmäßig wegen stark schwankender Preise. Sie sind nicht nur von Angebot und Nachfrage abhängig, sondern auch von Spekulation. Um ihre Stellung im Welthandel und die Entwicklungsmöglichkeiten der Volkswirtschaften im globalen Süden zu verbessern, hatten Entwicklungsländer bei der ersten Welthandelskonferenz 1964 in Genf die Gründung der UNCTAD beschlossen.
Die Industrieländer waren dagegen. Acht Jahre später brachten Politiker aus dem globalen Süden bei der dritten UNCTAD-Konferenz in Santiago de Chile erstmals die Schaffung einer Neuen Weltwirtschaftsordnung ins Gespräch, sie sollte auch neue Regeln für den Rohstoffhandel umfassen.
"Im Bereich der Rohstoffe geht es vor allem um Marktzugang, internationale Preisstabilisierung und die Rohstoffhandelsvereinbarungen. Man kann sagen, dass die Neue Weltwirtschaftsordnung vielleicht auf zwei Standbeinen beruhte."

Hinter den Erwartungen zurückgeblieben

Der Politikwissenschaftler Markus Wissen lehrt an der Hochschule für Wirtschaft in Berlin und beschäftigt sich intensiv mit gesellschaftlichen Transformationsprozessen im globalen Süden.
"Das eine war eine Stabilisierung der Erlöse aus den Rohstoffexporten. Die Rohstoffpreise waren erheblichen Schwankungen ausgesetzt und das ist natürlich für Länder, die vor allen Dingen auf Rohstoffexporte angewiesen sind, ein Problem, es sollte also zu Ausgleichsmechanismen kommen, die dazu beitragen eben, die Erlöse aus den Rohstoffexporten zu stabilisieren. Das war das eine und zum anderen sollte eine nachholende industrielle Entwicklung des globalen Südens ermöglicht werden."
Die Weltwirtschaftsordnung war nach den Vorstellungen des globalen Nordens bei der Konferenz von Bretton Woods 1944 beschlossen worden. Zwar waren Lateinamerikanische Staaten und zum Beispiel auch Indien dort vertreten, aber viele andere Staaten des globalen Südens nicht, weil sie noch Kolonien waren und keine souveränen Staaten.
Im Kern der Ordnung stand ein Währungssystem mit einer Mischung aus festen und flexiblen Wechselkursen. Zur Aufrechterhaltung des Systems entstanden Weltbank und Internationaler Währungsfonds IWF. Dagegen scheiterte die Gründung einer Welthandelsorganisation am US-Kongress, Konzepte für eine Stabilisierung der Rohstoffmärkte blieben deshalb in den Schubläden liegen.
In der Dekade von 1960 bis 1970 blieb die wirtschaftliche Entwicklung des globalen Südens hinter den Erwartungen zurück. Dies sprach der damalige deutsche Wirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller in Santiago de Chile 1972 an.
"Wir alle hatten gehofft, dass die Kluft zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern hätte verringert werden können. Stattdessen müssen wir feststellen, dass sie sich trotz beachtlicher Fortschritte zwischen den reichen und den armen Ländern weiter vergrößert hat."

Die "Terms of Trade" verschlechterten sich

Der Welthandel wuchs. Auch die Entwicklungsländer verkauften mehr Rohstoffe. Aber davon hatten sie wenig, weil die Preise für die Exportgüter der Industrieländer - Maschinen, Autos oder Medikamente - schneller stiegen als die Preise für landwirtschaftliche und mineralische Rohstoffe aus den Entwicklungsländern. 
Fachleute bezeichnen dies als eine Verschlechterung der Austauschverhältnisse, englisch "Terms of Trade". Außerdem erschwerten die Industrieländer Importe aus dem globalen Süden, etwa durch Zölle auf halbfertige oder fertige Produkte. Entwicklungsländer hätten somit nichts davon gehabt eine industrielle Weiterverarbeitung für Rohstoffe aufzubauen.
"Es gibt vielleicht einige Leute, die sich zu sehr an die Vorstellung gewöhnt haben, dass reiche und arme Länder nebeneinander bestehen. Ein solches Konzept, reflektiert eine falsche Vorstellung von der Gesellschaft, denn es gibt kein ökonomisches Gesetz, das besagt, dass das unveränderlich ist."
Aber selbst nach der Senkung bestimmter Zölle, dem Abbau anderer Handelshemmnisse durch die Industrieländer blieb die Entwicklung im globalen Süden bescheiden. Was lief falsch?
"Das war der einfache Glaube, man muss nur Entwicklungsland sein und dann wird man sozusagen in den Chor der freien Märkte aufgenommen und wupp, wie durch ein Wunder, ist man reich und wohlhabend. Das hat leider nicht funktioniert."
Der Wirtschaftswissenschaftler Heiner Flassbeck war viele Jahre Chefökonom bei der UNCTAD. "Bretton Woods war ja nicht schlecht, also das Währungssystem nach dem Krieg hat ja vielen Ländern tatsächlich geholfen, aber es war eben auch keine allgemeine Lösung für das Entwicklungsproblem."
Einige Forscher sahen den Hauptgrund für diese Entwicklungsprobleme in einer anhaltenden Prägung der Volkswirtschaften im globalen Süden als Rohstofflieferanten für ihre ehemaligen Kolonialherren aus Europa. Sie hatten riesige Flächen mit Rohstoffen für ihren Bedarf anbauen lassen, das Vereinigte Königreich beispielsweise Tee und Baumwolle in Indien, Belgien Kautschuk im Kongo oder Frankreich Kakao in Westafrika. Dieses Austauschsystem habe trotz der Dekolonisierung weiterhin die wirtschaftlichen Beziehungen geprägt, sagten die Vertreter der Dependenztheorie.

Aktionsprogramm für eine neue internationale Wirtschaftsordnung

Sie hatte ihren Ursprung in Lateinamerika, wo die Dekolonisierung bereits im 19. Jahrhundert stattfand. "In Lateinamerika gab es einfach eine tiefgründigere Analyse der eigenen Situation, schon jahrzehntelang", sagt der Entwicklungs- und Friedensforscher Dieter Senghaas, der die Dependenztheorie in den 1970er Jahren nach Deutschland brachte.
"Daraus ist dann sozusagen die Vorstellung entstanden, dass es also zum Beispiel nicht nur um Terms of Trade geht. Denn Terms of Trade ist eine Problematik, die bezieht sich auch auf Westeuropa und Amerika zum Beispiel und ändert ja nichts an der Gesamtstruktur vor Ort und auch nicht an der Struktur zwischen Nord und Süd, wie man das damals auch nannte."
1973 - ein Jahr nach der Konferenz in Santiago de Chile - legten die blockfreien Staaten, zu denen vor allem Entwicklungsländer zählten, in Algier ein Aktionsprogramm mit der Forderung nach einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung vor. Die Idee wurde bei den Vereinten Nationen weiter entwickelt und dort von der Generalversammlung 1975 beschlossen.
Mit deren Architektur beschäftigte sich dann die sogenannte Nord-Süd-Kommission. Der Vorsitzende und ehemalige deutsche Bundeskanzler Willy Brand erklärte, für ihn gebe es keinen Zweifel daran, dass die Beziehungen zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern entscheidend verbessert werden müssten, Zitat Brand: "Für mich stellt dies das wichtigste Problem für den Rest unseres Jahrhunderts dar. Was wir brauchen, ist eine internationale Ordnung, in der die bislang unterprivilegierte Mehrheit der Weltbevölkerung eine bessere Perspektive für ihre Leben erkennen kann."
Doch was bewirkte der Bericht der Nord-Süd-Kommission? Nicht allzu viel, meint Zeitzeuge Dieter Senghaas. "Ja, ja gut, aber es war natürlich, jetzt sage ich mal, Papier. Denn wenn man dann sich überlegt, was passiert konkret vor Ort, in Tunesien oder im Kongo oder sonst wo, dann passierte das ja gar nicht."

Kaffeeabkommen für stabile Preise

Zudem bekamen die Verfechter einer Neuen Weltwirtschaftsordnung aber dann noch Gegenwind aus den Industrieländern.
"Sie wurden wahrgenommen als Forderung, die gegen die Liberalisierung der Weltwirtschaft oder überhaupt gegen liberale Perspektiven ausgerichtet sind. Und, das war meiner Ansicht nach ganz falsch. Das heißt, das, was dort gefordert worden ist, von der Dritten Welt, das waren Forderungen, die völlig identisch waren mit den Ideen, die man hier hatte und die waren überhaupt nicht protektionistisch."
Etwa der Wunsch nach Ausgleichszahlungen, um Preisschwankungen für Rohstoffe abzufedern. Solche Mechanismen hatte die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, die Vorläuferorganisation der EU, für ihre eigenen Bauern längst geschaffen und in bestimmten Bereichen funktionierten solche Ausgleichmechanismen auch international.
Bestes Beispiel ist das 1963 geschlossene Kaffeeabkommen, mit dem Erzeuger und Verbraucherländer die Preise für Kaffee mit Quoten und Mindestpreisen stabilisierten. Der globale Süden verlangte außerdem faire Handelsregeln.
"Nur, dass natürlich sie gefordert haben, wenn es irgendwelche zum Beispiel Agrarzölle gibt in Deutschland für Produkte, die aus Äthiopien, oder sonst woher kommen, dann sollten sie abgebaut werden und wir in der Dritten Welt haben eine Berechtigung auch, ja, wenn erforderlich, bestimmte protektionistische Maßnahmen vorzunehmen, aber da ging es immer nur um Handel, da ging es nicht um Entwicklung."

"Ein Buschfeuer, dass sich durch die peripheren Länder frisst"

Dieser "Entwicklung" standen auch Regierungen im globalen Süden selbst im Weg. Raul Prebisch, ein ökonomischer Vordenker aus Argentinien war der erste Generalsekretär der UNCTAD. Er kritisierte die schnelle Übernahme der Konsumgewohnheiten des Nordens im Süden. Eine Gewohnheit, die sich, so schrieb er, "wie ein Buschfeuer durch die peripheren Länder frisst".
Damit könne sich in den Entwicklungsländern nicht das Kapital bilden, das für Investitionen in eine wirtschaftliche Entwicklung notwendig sei, von der die breite Bevölkerung dann wiederrum profitieren könne.  
Aber verläuft so tatsächlich die wirtschaftliche Entwicklung von Staaten? Forscher Dieter Senghaas nennt einige wichtige Schritte auf dem Weg zum volkswirtschaftlichen Erfolg: Anfangs müssten Staaten die Produktivität in der Landwirtschaft steigern, beispielsweise durch den Aufbau einer eigenen Fertigung von Maschinen für die Landwirtschaft. Dann könne ein Teil der Landarbeiter in die Städte abwandern.
"Die wir als billige Arbeitskräfte zunächst benötigen, um allmählich sozusagen die Industrie überhaupt hochzubringen. Dann ist aber auch wichtig, dass diese Dynamik so dynamisch ist, dass die Arbeitskräfte allmählich knapp werden und die Löhne steigen. Denn nur wenn die Löhne steigen, gibt es auch die Nachfrage nach Massenkonsum. Wenn es die Nachfrage nach Massenkonsum gibt, brauche ich eine neue industrielle Dynamik. Wenn ich eine Verbreitung der Industrie auf diesem Weg habe, brauche ich auch natürlich den inneren Handel, also Dienstleistungsgewerbe und dergleichen, auch da brauche ich Arbeitskräfte und auch die  sollten allmählich knapp werden. Das kann man alles nicht erreichen, wenn man offene Grenzen hat, nach außen."

Japan, Südkorea und China erlebten eine rasante industrielle Entwicklung

Senghaas spricht von einer "sehr listianischen Strategie", die da zu verfolgen sei. Der Wirtschaftstheoretiker Friedrich List entwickelte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Konzept des Schutzzolls und räumte damit dem Staat eine zentrale Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung ein. Staaten sollten neu entstehende Industrien vorübergehend durch Einfuhrverbote oder Zölle gegen die etablierte Konkurrenz aus anderen Ländern schützen.
Die Methode wandten im 19. Jahrhundert diverse einige Staaten mit Erfolg an: Das deutsche Kaiserreich oder die USA. Japan, Südkorea und China erlebten dann im 20. Jahrhundert eine rasante industrielle Entwicklung. Sie aber haben drei unterschiedliche Modelle verfolgt, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Heiner Flassbeck:
"Korea, die haben es einfach gemacht, dadurch, dass sie Produktion getrieben haben. Die haben ihre Grenzen zugemacht, die haben keine westlichen Autos zum Beispiel ins Land gelassen, bevor ihre eigene Industrie, Automobilindustrie aufgebaut war. Das ist furchtbar simpel. Es ist auch furchtbar logisch, denn wie soll man aus dem Stand mit den westlichen Unternehmen, die hundert Jahre existieren und alle Vorteile dieser Welt haben, wie soll man mit denen konkurrieren, das ist vollkommen unmöglich. Das wurde natürlich politisch von den Amerikanern erlaubt, weil sie Korea fördern wollten. Warum hat es Japan geschafft? Weil der Staat massiv eingestiegen ist, diese Miti-Geschichte, also die staatliche Planung von Technologie usw., das hat dem Land ganz ungeheuer geholfen. Die haben eben Technologie mit Gewalt eingeführt und bezahlt. Der Staat hat das gemacht, nicht Unternehmen."
Einen dritten Weg habe China eingeschlagen, indem es seine Märkte für westliche Produzenten öffnete. Wichtig dabei: viele westlichen Unternehmen gingen nach China und brachten ihre Technologie mit.
"Da gab es auch keine komparativen Vorteile, sondern es entstanden absolute Vorteile dadurch, dass sie die hohe westliche Produktivität, also die beste westliche Technologie mit den billigen chinesischen Löhnen kombiniert haben, dadurch haben die sich absolute Vorteile erarbeitet und auf diese Weise wurde dann China erfolgreich. Das war der zentrale Punkt. Alle drei Modelle haben nichts mit dem wunderbaren Freihandelsmodell zu tun."

Ölkrisen sorgen für Inflation und Arbeitslosigkeit

Als China in den 1980er-Jahren seinen wirtschaftlichen Aufstieg begann, verblasste die Erinnerung an die Ideen für die Neue Weltwirtschaftsordnung bereits. Politikwissenschaftler Markus Wissen.
"Ich würde sagen, dass hat viel damit zu tun, dass sich die weltpolitischen Macht- und Kräftekonstellationen im Laufe der 70er und im Laufe der 80er Jahre verschoben haben."
Das Bretton-Woods-Währungssystems war 1973 Geschichte, seitdem bilden sich die Wechselkurse am Markt. Die beiden Ölkrisen in den 1970er Jahren führten zu einer hohen Inflation und zu hoher Arbeitslosigkeit in Industrieländern. Die US-Zentralbank Fed bekämpfte die Inflation, indem sie die Zinsen auf bis zu 21 Prozent anhob. Das hatte enorme Nebenwirkungen. Viele Staaten aus dem globalen Süden konnten ihre Kredite nicht mehr bedienen, weil die Zinssätze an die US-Zinsen gekoppelt waren.
"Die Schuldenkrise, die 1982 mit der Erklärung der Zahlungsunfähigkeit durch Mexiko ausbrach und dann in vielen anderen Ländern ihre Wirkungen zeitigte, führte dazu, dass die Entwicklungsländer, die eben noch zu Beginn der 70er und Ende der 60er Jahre ein starker weltpolitischer Machtfaktor waren, sehr stark geschwächt wurden und fortan einem Diktat des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, also internationalen Organisationen, die ganz stark von den entwickelten kapitalistischen Industrieländern dominiert sind, unterworfen waren."
So gewährten IWF und Weltbank Hilfen an Länder des globalen Südens in der Regel nur, wenn diese ihre Märkte liberalisierten.
"Über die Neue Weltwirtschaftsordnung ist dann seit Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre kaum mehr diskutiert worden. Dieses Thema war vom Tisch."

Drei Viertel der Kakaobauern leben in Westafrika in Armut

Bitter-süßlicher Geruch in den Lagerhäusern der ivorischen Hafenstadt Abidjan. Arbeiter nähen prall gefüllte Säcke zu und verladen sie in Container von Großreedereien: Maersk oder Hapag-Lloyd. Ziele sind Häfen in Europa, den USA und Japan. Dort wird immer noch am meisten Schokolade produziert und konsumiert - seit nunmehr 200 Jahren.
Aus Westafrika stammt mehr als 60 Prozent der Welternte von Kakao. Drei Viertel der Kakaobauern leben dort in Armut. Aber selbst bei einer Verdopplung der Preise würden laut Fachleuten nur rund 41 Prozent der Bauern genug verdienen, um ihre Grundbedürfnisse zu decken. Was es brauche seien größere Betriebe mit einer höheren Produktivität, sagt der Ökonom Heiner Flassbeck und verweist auf die Grundbedingung wirtschaftlicher Entwicklung.
"Der Weg muss immer noch sein, den Entwicklungsländern eine Chance zu geben, in die industrielle Fertigung hinein zu kommen, weil das der einzige Weg ist, wie man Produktivitätsfortschritte realisieren kann, wie man hohe Einkommen und Einkommenszuwächse erzielen kann für die Bevölkerung."