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Studenten gegen Coca-Cola

Vorwürfe über Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung treffen den Coca-Cola-Konzern hart. Denn an US-amerikanischen Universitäten wird inzwischen zum Boykott des Getränkeriesen aufgerufen. Immer mehr Hochschulen schließen sich an, der Imageschaden steigt von Tag zu Tag.

Von David Goeßmann | 30.01.2006
    Die Straßen auf dem Campus der New York University sind voll. Hunderte von Studierende strömen in die Gebäude der 15 Fakultäten. Seit einiger Zeit werden hier keine Coca-Cola-Getränke mehr verkauft. 85 Coke-Automaten wurden zurückgeschickt, die Cafeterias und Mensen sind auf andere Softdrinks umgestiegen. Die Reaktionen der Studierenden darauf sind durchaus gemischt.

    "Ich denke, es ist vollkommen absurd, weil das eine persönliche Wahl und nicht eine Entscheidung der Schule sein sollte."

    "Ich denke nicht, dass das viel bringt. Aber persönlich mag ich Pepsi lieber. Aber ich weiß nicht viel über den politischen Hintergrund."

    "Ich denke, dass das eine großartige Nachricht ist. Ich unterstütze das, weil Coca-Cola Untersuchungen über ihre Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien verweigert. Solange sie die nicht zulassen, sollte die Universität keine Verträge mit ihnen haben und ihre Produkte vom Campus nehmen."

    Die New York University ist eine von insgesamt 21 Universitäten und Colleges, darunter 13 allein in den USA, die sich dem Boykott bisher angeschlossen haben. Die Boykott-Entscheidung wurde im Universitätssenat getroffen, nachdem man dem Cola-Konzern eine Frist gesetzt hatte, unabhängige Untersuchungen zuzulassen - Untersuchungen, die die von zahlreichen Organisationen wie Corporate Accountability International gemachten Vorwürfe überprüfen sollen. Angeschuldigt wird Coca-Cola, für Morde von acht Gewerkschaftsmitgliedern durch Todesschwadronen in Kolumbien mitverantwortlich zu sein. Zudem geht es um Umweltverschmutzungen und Pestizidbelastungen in Cola-Produkten in Indien.

    Yosh Taylor, Sprecher der New York University: "Die Universität urteilt nicht über den Cola-Konzern, ob er schuldig ist oder nicht bezüglich der Vorwürfe. So setzt die Universität nur die vom Senat beschlossene Politik um, solange bis Coke zustimmt und Untersuchungen zulässt."

    Coca-Cola weist die Vorwürfe zurück. In zwei Prozessen in Kolumbien, so heißt es aus der Zentrale in Atlanta, habe man eine Mitschuld des Konzerns an den Menschenrechtsverletzungen nicht nachweisen können. Auf einer extra eingerichteten Homepage werden die Geschäftspraktiken in Kolumbien und Indien demgegenüber als arbeiter- und umwelt-freundlich präsentiert. Für Crystal Yakacki, eine Mitbegründerin der Protestgruppe an der New York University, ist das allerdings nur PR-Fassade.

    "Wir sprechen konkret über Cola-Anlagen, in denen Gewerkschaftsmitglieder während der Arbeitszeit in den Fabriken umgebracht wurden. Am nächsten Tag sind Leute von den Paramilitärs zurückgekommen, haben jeden unter den Augen des dortigen Managers aufgereiht und gesagt, dass wenn sie ihre Gewerkschaftsmitgliedschaft nicht abgeben würden, ihnen das gleiche geschehen würde. Und dann hat jeder seine Mitgliedschaft abgegeben und die Gewerkschaft ist in der Abfüllanlage eingegangen. Da ist also eine klare Verbindung zwischen der Gewalt und der Gewerkschaft. Wir bitten nun einzig darum, dass Coca-Cola anerkennt, was passiert ist, die Gewalt in der Anlage, und tatsächlich eine unabhängige Untersuchung zulässt. Und was sie tun, ist, dass sie das verweigern. Und daher zwingen wir sie, das zu tun."

    Crystal Yakackis letzten eineinhalb Jahre bestanden aus Meetings, Demonstrationen und Lobbying. Alle Studentenfachschaften und der Senat mussten von der Notwendigkeit überzeugt werden, Druck auf Coca-Cola auszuüben.

    Im Hintergrund unterstützt hat die Studierenden Ray Rogers, Direktor der Campaign Against Killer Coke. In seinem Büro unterhalb der Brooklyn Bridge stapeln sich auf den Schreibtischen Broschüren, Poster, Faltblätter und E-Mails aus der ganzen Welt. Rogers hat die Kampagne ins Rollen gebracht und hält Kontakt zu allen Boykott-Unis. Ziel sei es, Coca-Cola zur Verantwortung zu ziehen. In Miami/Florida läuft seit 2001 ein Schadensersatzprozess von Gewerkschaftsführern gegen den amerikanischen Mutterkonzern. Doch allein schon durch den Boykott sind dem Konzern Erlöse in zweistelliger Millionenhöhe verloren gegangen.

    "Ich kann jedem versichern, dass sich die Kampagne unbegrenzt ausweiten wird. Es wird für Coca-Cola in den nächsten Monaten sehr viel teurer werden. Wenn sie die Situation in diesem Jahr nicht klären, dann gehe ich davon aus, dass sie in diesem Jahr durch die Kampagne nicht nur Gewinnverluste im zweistelligen sondern im dreistelligen Millionenbereich hinnehmen müssen."

    Ist auch der finanzielle Schaden für den 23-Milliarden-Dollar-Softdrink-Riesen vernachlässigbar, der internationale Imageschaden ist es nicht. Jeden Tag, so Rogers, würden sich neue Hochschulen der Kampagne anschließen.

    "Wir haben bereits eine Reihe von E-Mails von Studierenden aus Deutschland bekommen. Ein Studierender sagte, dass er über die Kampagne gelesen hat. Er ist von der Technischen Fachhochschule in Berlin. Er hat einen Link zu unserer Homepage geschickt. Zudem hat er an über 70 Universitäten geschrieben in der Hoffnung, dass sie sich alle der Kampagne anschließen werden. Wir haben eine E-Mail von einem Studierenden vom Studentenparlament und dem Universitätssenat in Frankfurt. Er will mehr Informationen und hofft auch, dass die Uni sich dem Cola-Boykott anschließen wird."