Kurz und kritisch

28.12.2008
In "Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945" dokumentieren führende Historiker das Thema im Auftrag des Bundesarchivs. "Jahre der Entscheidung" ist eine Neuauflage des Werks von Oswald Spengler. Eine große kulturelle Bereicherung ist die Leserausgabe der "Ottheinrich-Bibel".
Denkmäler müssen nicht aus Stein sein, sie können sich auch als Bücher manifestieren, und das sehr eindrücklich. Auf 16 Bände und zehn Jahre ist die Quellenedition zur Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden in der NS-Zeit angelegt. Führende Historiker dokumentieren und kommentieren das Thema chronologisch im Auftrag des Bundesarchivs, des Instituts für Zeitgeschichte und der Universität Freiburg. Schon der erste, von Wolf Gruner bearbeitete 800 Seiten starke Band besticht durch das breite Spektrum der Dokumente, durch Präzision und Zurückhaltung in der Kommentierung. Hier spricht die Zeit aus ihren Zeugen und Zeugnissen selbst. Hier zeigt sich die Banalität des Bösen, von der Hannah Arendt sprach. Hier wird die europäische Dimension einer unheilvollen Entwicklung erfasst. Hier ist wohl nicht nur ein wissenschaftliches Grundlagenwerk im Entstehen, sondern ein Schriftdenkmal, das mehr bewirken könnte als dramatisierte Erinnerung.

Wolf Gruner: "Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945", Band 1, Deutsches Reich,
Oldenbourg Verlag, München.

1980 schrieb Heinz Friedrich, der Gründer der Deutschen Verlags Anstalt, über seinen Autor: "Spenglers Schrift Jahre der Entscheidung ist auch heute noch ein Stein des geschichtlichen Anstoßes, an dem sich nicht nur die Meinungen, sondern auch die Geister scheiden. Das ist gut so. Unruhestifter dieses Formats sind notwendig, wenn sich die geistige und politische Auseinandersetzung nicht im parteipolitischen Gezänk erschöpfen soll. Eine Demokratie, die nur Zustimmung wünscht, ist keine. Der Rang... einer Demokratie erweist sich nicht zuletzt daran, ob sie stark genug ist, die Meinung ihrer Kritiker nicht nur zu ertragen, sondern sich ihr zu stellen." Soweit Friedrich 1980. – Spengler, auch "Prophet des Untergangs" genannt, warnte schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg vor Weltmachts-Träumereien und sozialromantischen Utopien, und er verlangte ein verbindliches Ethos in der Politik. Man könnte Spenglers Werk heute durchaus auch als gnadenlosen Kommentar zum Fall Ypsilanti lesen. Wenn das nicht aktuell ist...

Oswald Spengler: "Jahre der Entscheidung. Deutschland und die weltgeschichtliche Entwicklung"
Ares Verlag

Fast wäre es schiefgegangen: Erst wenige Tage, bevor sie bei Sotheby's versteigert werden sollten, konnten die fehlenden Bände der weltberühmten Ottheinrich-Bibel für die Staatsbibliothek in München angekauft werden. Seit diesem Jahr nun befinden sich dort alle acht Bände dieses beeindruckenden Werks vieler Meister. An ihm arbeiteten Buchmacher, wohl besser: Buchkünstler der Spätgotik und der Renaissance. 146 kostbare Illuminationen begleiten eine Übersetzung des Neuen Testaments, die rund 100 Jahre vor Luther entstand. Wer das Original gesehen hat, möchte es am liebsten besitzen. Diesen Impuls hat die Bayerische Staatsbibliothek verstanden und die Illustrationen in einem prächtigen Buch versammelt und erläutert. Es anzuschauen, ist in diesen Wochen, in denen sich viele nur noch durch Weihnachten entfernt ans Christliche Abendland erinnert fühlen, eine geistige und kulturelle Bereicherung.

Die Ottheinrich-Bibel. Das erste illustrierte Neue Testament in deutscher Sprache
Bayerische Staatsbibliothek im Primus Verlag, Darmstadt