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1572 hingerichtet
Túpac Amaru - der verklärte letzte König der Inka

In Lateinamerika steht Túpac Amaru für den Widerstand gegen die spanischen Eroberer und wurde so zu einer Ikone des Anti-Kolonialismus. Dabei führte der letzte Herrscher der Inka nie eine Rebellion an. Heute vor 450 Jahren wurde er hingerichtet.

Von Victoria Eglau | 24.09.2022
Tùpac Yupanqui - Inka-König von 1471 bis 1490, kniet vor dem Conquistador Francisco Pizarro, Gravur von Joachim Campe um das Jahr 1800
Bis heute ist der Name Túpac Amaru ein Symbol für antikolonialistische Bewegungen. Am 24. September 1572 wurde der letzte Herrscher der Inka enthauptet. (imago images / KHARBINE-TAPABOR )
„Es war ein prächtiger Triumphzug. Jeder Teilnehmer an dem Feldzug hatte einen prominenten Gefangenen dabei. Als letzten führte der Hauptmann Loyola den Inka Túpac Amaru an einer goldenen Kette, die um dessen Hals geschlungen war.“
So schilderte der Chronist Tristan Sánchez die Gefangennahme des letzten Inka-Königs Túpac Amaru durch ein spanisches Expeditionsheer im Jahr 1572. Túpac Amaru bedeutet „Leuchtende Schlange“. Als der junge, unerfahrene Herrscher in die Hände der spanischen Eroberer fiel, war er erst wenige Monate an der Macht. Das einst riesige und mächtige Inka-Imperium war zu diesem Zeitpunkt längst auf eine letzte Bastion zusammengeschrumpft: Die Festung Vilcabamba im heutigen Peru.

Das Inka-Reich als Supermacht

„Das war nur eine ganz kleine Gruppe, die sich da zurückgezogen hat, und der Rest, der hat aufgehört zu kämpfen. Es war einfach aussichtslos. Das war auch für die Spanier im Grunde genommen nur insofern bedrohlich, als dass es ihren Herrschaftsanspruch bedrohte“, sagt die Bonner Historikerin Kerstin Nowack.
Die Hochkultur der Inka entwickelte sich ab dem 13. Jahrhundert. Ihr Gebiet erstreckte sich zum Zeitpunkt der Ankunft der Spanier vom Süden des heutigen Kolumbiens bis nach Chile. Die Inka besaßen nicht nur das größte Reich, sondern auch die größte Armee, das größte Straßennetz und den größten Goldschatz im alten Amerika. Manco Capac II., der Vater des letzten Inka-Königs Túpac Amaru, führte eine große Rebellion gegen die Konquistadoren an. Damit lehnte er sich Chronisten zufolge gegen die Misshandlung und Ausbeutung auf.

Unbändige Gier nach Gold und Silber der Inka

„Die Gier der Spanier im Allgemeinen, der Hauptleute im Besonderen und vor allem der Brüder des Marqués Pizarro kannte keine Grenzen. Jede Woche verlangten sie von dem unglücklichen Inka Silber und Gold in solchen Mengen, gleichsam als ob man es aufsammeln könne wie Kiesel aus dem Bach. Darüber hinaus nahmen sie seine Frauen und Töchter vor seinen Augen“, berichtete der Mönch Martin de Morúa.
Der Aufständische Manco Capac wurde 1544 in der Inka-Festung Vilcabamba von Spaniern ermordet. Nach seinem Tod regierte zunächst sein erster Sohn Sayri Túpac und dann der zweite, Titu Cusi. Beide starben mutmaßlich an einer Vergiftung.

Der Schauprozess gegen Túpac Amaru

Über Túpac Amaru, den dritten der Brüder und letzten Inka-Herrscher, ist nicht allzu viel bekannt. Als das spanische Expeditionsheer 1572 die Inka-Festung Vilcabamba eroberte, flüchtete er mit seiner Gefolgschaft ins Amazonas-Gebiet. Dort spürten ihn die Spanier auf und brachten ihn nach Cusco. Túpac Amaru wurden mehrere Verbrechen zur Last gelegt, wie die Ermordung eines Missionars und eines spanischen Gesandten. In einem Schauprozess wurde er zum Tode verurteilt. Der spanische Vizekönig Francisco de Toledo ordnete die Hinrichtung Túpac Amarus an, obwohl der Bischof von Cusco und andere diese zu verhindern suchten, wie der Chronist Huamán Poma de Ayala berichtete:
„Gemeinsam baten alle Priester und Domherren und Konquistadoren und Bürger und vornehmen Indios dieses Königreichs. Und sie gaben seiner Majestät eine große Menge Geld für das Leben des Inka. Es fand sich keine Rettung.“
Am 24. September 1572 wurde Túpac Amaru in Cusco enthauptet. Tristan Sánchez schrieb über die anschließende Verehrung des toten Inka-Königs:
„Man stellte den Kopf auf dem Pfeiler aus; dort blieb er aber nur bis zum nächsten Abend; dann ließ ihn der Vizekönig herunternehmen; denn eine beängstigende Anzahl von Indios verharrte auf dem Platz in Anbetung des verehrten Hauptes, ohne zu essen, und wollte sich nicht von ihm trennen.“

Zur antikolonialistischen Heilsfigur emporstilisiert

Für Kerstin Nowak ist Túpac Amaru, „eine eher tragische und ganz, ganz unbedeutende Figur. Tatsächlich, das Herausragende an ihm ist, dass er hingerichtet worden ist. Toledo hat ihn zu etwas gemacht, was er in sich gar nicht war.“
Nämlich zu einer Legende. Bis heute ist der Name Túpac Amaru ein Symbol für antikolonialistische Bewegungen. 1780 führte der Mestize José Gabriel Condorcanqui, der sich Túpac Amaru II. nannte, einen großen indigenen Aufstand an. Auch er wurde in Cusco grausam hingerichtet.