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Fehlende Transparenz

Transparenz und "Null Toleranz in Sachen Doping" sind vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gern benutzte Worthülsen. Dies zeigt sich auch an der für die Öffentlichkeit völlig intransparenten Überprüfung der deutschen Olympiamannschaft mit Hilfe der beiden sogenannten unabhängigen Kommissionen des DOSB in Stasi- und Doping-Fragen.

Von Thomas Purschke | 05.08.2012
    Zur Stasi-Überprüfung des vom Steuerzahler maßgeblich finanzierten deutschen Olympiateams von London mit seinem rund 280 Personen umfassenden Betreuerstab, bestehend aus Funktionären, Trainern, Ärzten, medizinischem und technischem Personal, teilte der DOSB der Öffentlichkeit Anfang Juli folgendes mit: "In 13 Fällen übermittelte die Stasiunterlagen-Behörde Akten, die zur Prüfung an die Kommission weiter geleitet worden sind. In acht Fällen sah die Stasi-Kommission von einer Befragung ab. Fünf Personen wurden zum Gespräch gebeten. In allen fünf Fällen kam die Kommission zum Schluss, dass keine Bedenken gegen eine Nominierung bestehen. Drei Betreuer aus dieser Gruppe wurden daraufhin nominiert, die beiden anderen waren aus sportfachlichen Gründen nicht mehr auf der Vorschlagsliste der Verbände."

    Um welche 13 aktenkundige Stasi-Personalien es sich konkret handelt, die dem DOSB von der Stasiunterlagen-Behörde Berlin nach der Überprüfung des deutschen Olympiateams mitgeteilt worden sind, beantwortete der Dachverband auf Anfrage nicht. Die Begründung des DOSB lautet: Personenbezogene Daten werden wegen des "Vorrangs des Persönlichkeitsschutzes" nicht veröffentlicht.
    Auch die Stasi-Unterlagenbehörde in Berlin teilte auf Anfrage mit, dass sie keine Ergebnisse der Olympiateam-Überprüfung kommuniziere.

    Das heißt im Klartext: Es ist für die Öffentlichkeit in keiner Weise nachvollziehbar, wie die vom einstigen Direktor der Stasi-Unterlagenbehörde, späteren Verfassungsschutz- sowie BND-Präsidenten und langjährigen Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Hansjörg Geiger, angeführte 5-köpfige Stasi-Kommission des DOSB alle Stasi-Personalien durchwinken konnte. Auf Anfrage erklärte der seit April 2012 als Nachfolger von Joachim Gauck amtierende neue Kommissions-Chef Geiger, dass zwei Personen sich nicht vorher gegenüber ihren Sportverbänden erklärt hatten. Der 69-jährige Jurist Geiger verwies auf eine fundierte Einzelfallprüfung und seine umfassenden Bewertungsrichtlinien. Über konkrete Namen in der Öffentlichkeit zu sprechen, dazu habe sein Gremium, keine Befugnis, sagte Geiger.
    Der DOSB-Jurist Holger Niese, der ohne eigenes Stimmrecht Geschäftsführer der Stasi- und Doping-Kommission ist, sagte indes, dass eine Person einstige Stasi-Kontakte gegenüber seinem Sportverband bisher nicht angegeben hatte. Diese Person habe daraufhin die bemerkenswerte Auflage erhalten, sich gegenüber seinem Arbeitgeber zu offenbaren. Jurist Niese erklärte auf Nachfrage lediglich, dass von den 13 Stasi-Personalien es sich um ein Drittel ehemalige Hauptamtliche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit handele und um zwei Drittel einstiger Inoffizieller Stasi-Mitarbeiter. Laut Niese seien cirka 50 Prozent der 13 Fälle neu gewesen.
    Auch Niese war nicht bereit, Namen beziehungsweise auch nur den betreffenden Sportverband zu nennen. Alle Entscheidungen zu den 13 Stasi-Personalien seien durch die Kommission einvernehmlich getroffen worden.

    Die vom DOSB-Präsidium eingesetzte unabhängige Doping-Kommission unter dem Vorsitz des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Udo Steiner hat laut Auskunft von Niese überhaupt nicht getagt. Trainer und Betreuer des deutschen Olympiateams hatten vorab eine Ehren- und Verpflichtungserklärung abzugeben und zu unterschreiben, dass sie "zu keinem Zeitpunkt Sportlerinnen und Sportlern Substanzen weitergegeben, zugänglich gemacht, rezeptiert oder appliziert oder Methoden angewandt" haben, "die gegen die jeweils gültigen nationalen oder internationalen Anti-Doping-Bestimmungen verstießen". Laut DOSB kreuzten sieben Personen in der Erklärung an, dass gegen sie geäußerte Verdachtsmomente bereits Gegenstand einer Untersuchung waren. Die Kommission zur Überprüfung von Trainern mit Dopingvergangenheit habe nach sorgfältiger Prüfung dieser Fälle entschieden, dass keine Bedenken gegen eine Nominierung bestehen. Dabei handelt es sich unter anderem auch um die Trainer im deutschen Olympiateam in London Norbert Warnatzsch, Klaus Schneider und Werner Goldmann, die im Jahr 2008 vor den Sommerspielen in Peking die Ehrenerklärung noch wahrheitswidrig ausgefüllt hatten, was ihre Dopingvergangenheit in der DDR anbetraf. Der Heidelberger Dopingaufklärer Werner Franke erklärte schon 2008 dazu: Dass die einstigen Täter dennoch bei Olympia dabei sind, belege, dass in den deutschen Sportverbänden die Moral auf der Strecke geblieben sei.

    Angesichts der aktuellen Debatte um die seit Monaten in Mecklenburg-Vorpommern bekannten Kontakte der Rostocker Ruderin Nadja Drygalla in die rechtsextreme Szene zeigte sich erneut, welche Kommunikations-Defizite und Transparenzprobleme es zwischen dem führungsschwachen Dachverband und den einzelnen Fachverbänden wie dem Ruderverband bzw. den Landessportbünden gibt. So versicherten die DOSB-Spitze um Präsident Bach und Generaldirektor Michael Vesper, erst in dieser Woche von den massiven Vorwürfen gegen Frau Drygalla erfahren zu haben.
    Erinnert sei hier auch an die pikante Begebenheit, als DOSB-Präsident Thomas Bach im Winter ausgerechnet für den einstigen DDR-Geheimdienst-Offizier Manfred Witter aus Berlin ein Grußwort für dessen Buch zum kürzlichen 40-jährigen Jubiläum des Rennsteiglaufes in Thüringen schrieb. Stasi-Offizier Witter wirkte in der DDR im Mielke-Ministerium in der bedeutsamen Abteilung "Terrorabwehr", die unter anderem auch die RAF unterstützte. Witter war zuständig für das Referat "Internationaler Terrorismus" und ein Spezialist für den arabischen Raum. Auf Nachfrage ließ Thomas Bach dazu im Mai in gewohnter Weise lapidar mitteilen, dass der DOSB nur prüfe, ob so ein Buch zu Aufgaben und Zielen des Sportdachverbandes passe. Eine Stasi- oder Gesinnungsüberprüfung von anfragenden Journalisten oder Autoren gehöre nicht zu den Aufgaben eines Sportverbandes.