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Nationalakademie warnt vor Biokraftstoff

Der viel gescholtene Biotreibstoff E10 bekommt erneut sein Fett weg: Eine Studie der Nationalakademie Leopoldina glaubt, dass der vermeintliche Ökokraftstoff dem Klima mehr schade als nutze. E10 steigere den Wasserverbrauch, bedrohe die Artenvielfalt und trage sogar zum Klimawandel bei, warnt der Studienkoordinator Rudolf Thauer. Er legt der Politik stattdessen Solarthermie, Photovoltaik und Windenergie ans Herz.

Rudolf Thauer im Gespräch mit Jule Reimer | 26.07.2012
    E10-Zapfpistole an einer Tankstelle.
    E10-Zapfpistole an einer Tankstelle. (picture alliance / dpa)
    Jule Reimer: Der Biotreibstoff E10 hat wie kaum eine Benzinsorte die deutschen Gemüter im vergangenen Jahr bewegt. Verordnet von oben, straften ihn viele Autofahrer nach Einführung mit Verachtung ab: die einen, weil sie ihn für schädlich fürs eigene Auto hielten, die anderen, weil ihnen die Produktionsbedingungen und die Auswirkungen auf Nahrungsmittelversorgung nicht geheuer waren. Dennoch gehört es zu den Zielen des Weltklimarates, der Europäischen Union, aber auch der Bundesregierung, den Anteil der Biomasse als Energiequelle in den nächsten Jahrzehnten erheblich zu steigern.
    Heute reiht sich auch die Nationalakademie Leopoldina, in der Naturforscher zusammengeschlossen sind, in die Stimmen der Kritiker ein – mit einer groß angelegten Studie. Kurz vor dieser Sendung sprach ich mit dem Professor für Mikrobiologie und wissenschaftlichen Mitglied der Max Planck Gesellschaft, Rudolf Thauer, der die Studie zur Bioenergie für die Akademie koordiniert hat, und ich fragte ihn, warum die Biomasseerzeugung ökologische Gefahren birgt.

    Rudolf Thauer: Die leiten sich davon ab, dass intensive Landwirtschaft grundsätzlich auch eine der Hauptquellen für Treibhausgas-Emissionen ist, insbesondere von Stickoxiden, und trägt damit auch zum Klimawandel bei.

    Reimer: Wie funktioniert das genau?

    Thauer: Um zu den hohen Erträgen zu kommen in der Landwirtschaft, muss gedüngt werden, und ein großer Teil des Düngemittels sind Stickstoffdünger. Ungefähr vier Prozent des Stickstoffs, das in die Pflanze eingebaut wird, wird auch freigesetzt als Stickoxide, die in die Atmosphäre gehen und dort als Treibhausgase wirken. Das ist aber nur eine der ökologischen Gefahren; es gibt auch noch andere. Die intensive Landwirtschaft benötigt auch viel Wasser. Um das nur mal an einem Beispiel zu sagen: Ungefähr ein Drittel der landwirtschaftlichen Produktion auf der Welt ist von Bewässerung abhängig und in den letzten 50 Jahren ist die bewässerte Fläche um fast 50 Prozent gestiegen. Nur so kommt man eigentlich zu der Menge an Biomasse, die man braucht, um die Erdbevölkerung zu ernähren.

    Reimer: Sie fürchten auch um die Artenvielfalt.

    Thauer: Natürlich! Das weiß eigentlich heute jeder, dass auf groß angelegten Monokulturflächen, auf denen gedüngt und mit Pestiziden gearbeitet wird, natürlich sowohl die pflanzliche Artenvielfalt als auch die tierische Artenvielfalt zurückgedrängt wird.

    Reimer: Sie stellen sich jetzt auch gegen die Pläne der Bundesregierung, die ja den Anteil der Biomasse als Energiequelle ausweiten möchte. Warum halten Sie es für notwendig, jetzt Position zu beziehen?

    Thauer: Als wir mit unseren Stellungnahmen angefangen haben, hatten wir den Eindruck, dass die Information, die notwendig ist, um die Sachlage richtig einzuschätzen, dass diese Information in der Bundesregierung nicht vollständig vorhanden ist. Deswegen haben wir diese Stellungnahme gemacht, um das also auch quantitativ zu untermauern. In der Vergangenheit ist sehr häufig qualitativ abgeschätzt worden, und qualitative Abschätzungen auf diesem Gebiet können auch zu falschen Ergebnissen führen. Unsere Meinung ist – und das versuchen wir, in der ausführlichen Stellungnahme auch zu belegen -, dass die Verfügbarkeit von Biomasse insbesondere in Deutschland sehr gering ist und deswegen keinen wesentlichen Beitrag eigentlich zur Energiewende liefern kann.

    Reimer: Würden Sie das auch auf den Rest der Welt beziehen?

    Thauer: Auf den Rest der Welt, das kann man nicht so ganz einfach sagen. Ich will das mal am Beispiel von Brasilien sagen. In Brasilien ist die Bevölkerungsdichte nur 20 Personen pro Quadratkilometer, in Deutschland sind das 230 pro Quadratkilometer. Der Energieverbrauch in Brasilien liegt nur bei einem Drittel von dem pro Person wie in Deutschland. Die Biomasseproduktion, weil die in den feuchten Tropen liegen, ist doppelt so hoch pro Quadratkilometer als in Deutschland. Das heißt, in Brasilien ist das im Augenblick, solange die Bevölkerung relativ wenig Energie verbraucht und die Bevölkerungsdichte sehr niedrig ist, noch möglich, aber auch in Brasilien weiß man, dass in der Zwischenzeit die ökologischen Gefahren groß sind.

    Reimer: Haben Sie eine Empfehlung als Alternative zur Biomasse als Energiequelle?

    Thauer: In unserer Stellungnahme sagen wir relativ eindeutig, dass von der Effektivität die Solarthermie, die Photovoltaik und die Windenergie eine viel bessere Flächeneffizienz haben. Diese Flächeneffizienz ist in der Größenordnung von über zehn größer, als wenn man Biomasseherstellung macht. Es gibt allerdings einen Vorteil, den Biomasse hat, den sollte man nicht verschweigen. Biomasse kann man speichern. Das heißt in kleinen Bereichen, wo es wirklich darauf ankommt, Energie zu speichern, könnte Biomasse zum tragen kommen. Aber das ist in Prozent des Gesamt-Primärenergieverbrauches von Deutschland zumindest im%bereich und nicht in einem größeren Bereich, wie er häufig angegeben wird.

    Reimer: Biomasse kann nur einen geringen Anteil zur Energiewende liefern, warnt die Nationalakademie Leopoldina in ihrer neuesten Studie. Das Gespräch mit Professor Rudolf Thauer haben wir vor dieser Sendung aufgezeichnet.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.