Aus den Feuilletons

Helene Fischers klares Bekenntnis gegen Rechts

23.06.2018, Sachsen, Leipzig: Helene Fischer tritt in der ausverkauften Red Bull Arena Leipzig auf.
Sängerin Helene Fischer hat ihre Fans dazu aufgerufen gegen Fremdenfeindlichkeit zu protestieren © dpa/Sebastian Willnow
Von Arno Orzessek · 05.09.2018
Die Musik von Schlagerstar Helene Fischer bejubelt die "taz" noch nicht. Besonders lobenswert findet die Zeitung allerdings, dass sich Fischer nach den Ereignissen von Chemnitz eindeutig gegen Fremdenhass positioniert und zum Zusammenhalt aufgerufen hat.
"Sie ist mehr" – heißt ein Artikel in der TAGESZEITUNG, in dem Helene Fischer großes Lob zuteilwird.
Nein, das Lob gilt nicht Fischers Mucke. So weit ist die TAZ noch nicht. Jan Feddersen findet es aber gut, dass sich die Sängerin angesichts der Ereignisse in Chemnitz "live und öffentlich 'gegen Fremdenfeindlichkeit' positioniert". Übrigens auch per Instagram, wo Fischer vor ihrem Konzert in Berlin laut TAZ verlautbarte:

"Wir können und dürfen nicht ausblenden, was zurzeit in unserem Land passiert, doch wir können zum Glück auch sehen, wie groß der Zusammenhalt gleichzeitig ist. Ich freue mich darauf, heute mit euch dieses Zeichen zu setzen! #wirbrechendasschweigen #wir sind mehr."

Dazu Feddersen, erst spöttisch, dann emphatisch:

"Okay, das klingt jetzt nicht gerade wie ein aus den Grüften der linksszeneastischen Kreise geborenes Statement, aber, eingedenk des Publikums, das auf Helene Fischer schwört wie auf keine Zweite, ist es an Klarheit nicht zu übertreffen: Die Fischer weiß, dass es inzwischen um mehr geht als ein paar zu managende Probleme um das Dasein von Flüchtlingen in Deutschland. Sie weiß selbst, als gebürtige Kasachin ebenso migrantisch geprägt wie viele Millionen ihrer Fans, was sich gehört: Lebensweltliches Einverständnis mit ihrem Land, das so bunt ist, wie es die Rechten – von Nazis bis AfD – gern abgeschafft wünschen."

Fischer-Fan Feddersen in der TAZ.

Kritik an den Sarrazin-Kritikern

"Nicht schreien, zuhören, ausreden lassen" fordert unterdessen die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, die an den hiesigen Reaktionen auf Thilos Sarrazins Buch "Feindliche Übernahme" Anstoß nimmt.

"Dass Sarrazin 'ergebnisoffen' diskutieren würde, kann man ihm nicht zugutehalten, seinen Gegnern allerdings auch nicht" - konstatiert Claudia Schwartz. "Die Ressentiments haben auf beiden Seiten Platz genommen. Deine Argumente sind nicht meine Argumente. Punktum. Millionen von Lesern wird das nicht beim kritischen Lesen helfen. Viel Heuchelei war also mit im Spiel, als vergangene Woche ein Aufschrei durch die deutsche Medienlandschaft ging. Der 'TAZ'-Kommentar ('Thilo Sarrazins Buch braucht kein Mensch') wurde zum selbstgerechten Rundumschlag gegen einen politisch Andersdenkenden."

Claudia Schwartz in der NZZ.

Flucht als Ausdruck von Ungleichheit

Sollte Thilo Sarrazin als Gegner der Aufnahme muslimischer Flüchtlinge die Wochenzeitung DIE ZEIT aufschlagen, wird ihm seinerseits missfallen, was dort der französische Philosoph Ètienne Balibar schreibt:

"Die Umherirrenden sind keine Klasse. Sie sind keine Rasse. Sie sind nicht 'die Menge'. Ich würde sagen, sie sind ein mobiler Teil der Menschheit, der einen Drahtseilakt vollführt – zwischen einer Gewalt der Entwurzelung auf der einen und einer Gewalt der Repression auf der anderen Seite. An ihren Lebensumständen lassen sich die Folgen aller Ungleichheiten unserer heutigen Welt ablesen. Kurzum, es geht um die offene Frage, ob die Menschheit diesen Teil ihrer selbst aus sich vertreibt oder ob sie dessen Ansprüche in ihre politische Ordnung und in ihr Wertesystem integriert."

Wer nun wiederum Balibars Essay als linkes Geschwätz abtun will, findet bei der belgischen Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe Munition.

Vorwurf der Heuchlerei

Thomas Assheuer stellt – erneut in der ZEIT – Mouffes Kritik an der Linken vor:

"Gemeint fühlen darf sich die Kultur-Linke, die ihre Edelkinder in Hochleistungs-Internaten abstellt, während sie sich von Niedriglöhnern den Champagner in die Beletage schleppen lässt. Zusammen mit echten Kapitalisten und echten Neokonservativen bilden Sozialdemokratie und Kultur-Linke bei Mouffe den Konsens der Mitte und damit jenen hegemonialen Block, der Politik auf Verwaltung reduziert und eine Wirtschaftsordnung aufrechterhält, in der jene Bürger die Zeche zahlen, die Kosmopolitismus nicht mit Weltreise übersetzen, sondern mit Globalisierung, mit Lohndumping und Abstiegsangst." -

Okay! Soweit unsere Kakophonie politischer Stimmen im Feuilleton.

Falls Sie sich ernsthaft fragen, wann endlich alles besser wird - schlagen Sie keinesfalls die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG auf.

Die SZ titelt im Kassandra-Sound: "Morgen ist schrecklicher als gestern."
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