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Querelen um Museum in Sobibor

Es war der einzige erfolgreiche Aufstand in einem deutschen Vernichtungslager: Am 14. Oktober 1943 revoltierten im polnischen Sobibor mehrere Hundert Männer und Frauen gegen die Wachmannschaften. Doch der Ort, an dem des 70. Jahrestages gedacht werden könnte, ist verfallen.

Von Sabine Adler | 14.10.2013
    250.000 Menschen wurden mit dem Zug nach Sobibor deportiert, Philip Bialowicz, gelang auf den Tag genau vor 70 Jahren zusammen mit 46 Aufständischen die Flucht, heute leben noch acht von ihnen. 365 Männer und Frauen wagten die Revolte von Sobibor, die der einzige erfolgreiche Aufstand in einem deutschen Konzentrations- oder Vernichtungslager war.

    "Jeden Tag kamen mit dem Zug die Transporte, 35.000 Juden von Holland, die in Sobibor vernichtet werden sollten."

    "Ich half ihnen mit dem Gepäck, und sie gaben mir noch Trinkgeld. Mir blutete das Herz, denn ich wusste, dass von ihnen in einer halben Stunde nur noch Asche übrig sein würde."

    "Ich musste ihnen die Haare schneiden und sie baten mich, sie nicht zu kurz schneiden. Sie ahnten nicht, wie wenige Meter sie nur noch von der Gaskammer entfernt waren."

    Philip Bialowicz verbrachte in Sobibor sechs Monate, gefühlt, sagt der 83-Jährige, sechs Jahre. Dass er Sobibor überlebte, verdankt er Leon Feldhendler und Alexander Petscherski, den Anführern des Ausbruchs.

    "Wir hatten nichts zu verlieren und fanden es besser durch Kugel zu sterben als im Gas. Leon Feldhendler war Sohn eines Rabbiners. Er hatte einen Plan, allerdings hatten wir keine Waffen. Dann geschah ein Wunder. Mit einem neuen Transport kamen russische Kriegsgefangene mit Sascha Petscherski. Sie hatten Kampferfahrung, konnten uns zeigen, wie man schießt. Ich gehörte mit meinem Bruder zu der Gruppe der 40 Eingeweihten, ich war Bote. Ich rief die SS-Männer zu uns, sagte, dass wir wertvolle Sachen für sie hätten, Ledermäntel, Schuhe, sie könnten sie anprobieren. Drei Mann kamen und später noch welche, elf Gestapo-Männer und einige von der ukrainischen Wachmannschaft töteten wir mit Äxten und Messern. Unser Anführer verlangten von jedem, der überlebt, der Welt zu sagen, was geschehen ist."

    Das Museum, das in Sobibor heute an die dramatischen Ereignisse erinnern könnte, ist geschlossen. Das sogenannte Aschefeld, auf dem die sterblichen Reste der vielen Opfer aufgeschüttet wurden, ist nicht konserviert, menschliche Knochenteile liegen unter freiem Himmel.

    Gedenkstätte Auschwitz als "Vorzeigeprojekt"?
    Verantwortlich für Sobibor ist seit rund zwei Jahren die Stiftung für polnisch-deutsche Aussöhnung, die die Gedenkstätte erneuern möchte, bislang aber nicht recht vorankommt.

    "Wir haben mehrmals die deutsche Botschaft informiert, alle deutschen Partner, auch die Abgeordneten, dass wir die deutschen Partner in diesem Projekt brauchen. Natürlich hören wir positive Reaktionen, auch im Deutschen Bundestag, aber vor allem in den Oppositionskreisen. Offizielle Regierungsstellenäußern sich leider zurückhaltend. Das können wir nicht nachvollziehen."

    Dariusz Pawlos, der Stiftungschef, will über die deutsche Untätigkeit nicht länger schweigen. Die unterlassene Hilfe aus Deutschland erklärt Dariusz Pawlos von der Aussöhnungsstiftung mit Flucht vor der Verantwortung:

    "Aus einem einfachen Grund: Die Bundesrepublik ist ein modernes Land, ist zukunftsorientiert. Schluss mit der alten Geschichte. Wie lange sollen wir für diese geschichtlichen Untaten verantwortlich sein."

    Cornelia Pieper, in der noch amtierenden Bundesregierung zuständig für die Beziehungen zu Polen, weist den Vorwurf zurück.

    "Wir haben das unter Beweis gestellt, gerade in Auschwitz, Deutschland gibt in mehreren Jahrestranchen 60 Millionen Euro, 36 Millionen sind zum jetzigen Zeitpunkt ,wie von der Regierung in Polen gewünscht, ausgezahlt."

    Ist also Auschwitz das Vorzeigeprojekt und der Rest geht leer aus? Stimmt auch nicht, sagt die Staatsministerin. Deutschland würde sich durchaus in Sobibor engagieren, nur sei das nicht erwünscht. Der polnische Stiftungschef, der von den für das neue Museum benötigten drei Millionen Euro erst die Hälfte zusammen hat, wartet auf den Rest. Der müsse aus Deutschland kommen, aber die Bundesregierung wolle nicht.
    "Dieses Pech in der Geschichte hatte Polen. Anderswo gab es keine Vernichtungslager, alle waren hier. In diesen Vernichtungslagern starben mehr Leute als in allen anderen Konzentrationslagern."

    Cornelia Pieper nickt, nur hat sie von ihrem Amtskollegen in der polnischen Regierung eine andere Aussage erhalten, erst kürzlich.

    "Bei einem Gespräch mit dem Staatssekretär Bartosewski jüngst, am 3. Oktober, hat er auch noch mal dem deutschen Botschafter in Polen deutlich gemacht, dass man zurzeit immer noch keine Unterstützung von Deutschland für Sobibor erwartet, er hat aber auch zur Kenntnis genommen, dass wir weiterhin bereit sind, dieses Projekt zu unterstützen."

    Philip Bialowicz wird bei der Feier heute sprechen und hofft, dass er das neue Museum noch erlebt.