Dienstag, 30. April 2024

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Innere Sicherheit
Mehr als nur ein Gefühl

Das Thema Innere Sicherheit könnte bei der Bundestagswahl 2017 eine wichtige Rolle spielen. Hier sind sich CDU und CSU einig - vor allem will man das Themenfeld nicht der AfD überlassen. Der Blick in die Kriminalitätsstatistik des Bundesinnenministers zeigt: In Bayern leben die Menschen am sichersten.

Von Michael Watzke und Axel Schröder | 19.06.2016
    Das Bild zeigt einen fiktiven Einbrecher, er schaut mit Taschenlampe durch eine geborstene Scheibe.
    Einbruchskriminalität ist sowohl in Bayern als auch in Hamburg ein wichtiges Thema. (picture-alliance / dpa / Daniel Maurer)
    "Es wurde ein Rasenmäher geklaut! Und wir versuchen jetzt, den Täter zu überführen! Hier ist Schwefelsäure. Und davon tu ich jetzt mal neun Tropfen hier rein. Eins, zwei, drei, vier …"
    Willkommen in der Kinder-Polizei-Akademie München. Drei Dutzend Münchner Schüler zwischen 8 und 12 Jahren spielen Detektiv. Oder genauer gesagt: Kriminaltechniker.
    "Das kriminaltechnische Institut hier – da arbeiten über 200 Leute, die Spuren untersuchen. Da sind die verschiedensten Wissenschaftler: Chemiker, Physiker, Biologen, Computer-Experten. Querbeet."
    Kinderer als Ermittler in der Münchner Polizei-Akademie
    Das kriminaltechnische Institut München ist eines der größten in Deutschland und gilt als das bestausgestattete. Jan Schäper arbeitet hier als Chemiker im Rauschgift-Dezernat. In seiner Freizeit leitet er die Kinder-Polizei-Akademie und löst mit den Nachwuchs-Ermittlern fiktive Kriminalfälle. Diesmal hat ein Einbrecher im Nachbarsgarten verdächtige Spuren hinterlassen.
    "Ich tauche dieses Kärtchen jetzt hier rein – und dann müsst ihr mal beobachten, was passiert." "Da kommt Wasser dran!" "Da kommt Wasser dran, das steigt langsam hier hoch…"
    Die Kinder starren gebannt auf ein Reagenzglas mit Proben vom Tatort. Diesen Einbruchs-Fall können sie gemeinsam lösen. Die Realität allerdings sieht anders aus, weiß der neunjährige Fabian.
    "Bei meiner Oma wurde eingebrochen, und die Täter wurden noch nicht gefasst!" "Gut, da muss die Polizei wohl noch ein bisschen arbeiten."
    Das muss sie – und trotzdem ermitteln die bayerischen Beamten nur bei jedem sechsten Einbruchs-Diebstahl einen Täter. Die Aufklärungsquote bei Einbruchsdelikten liegt bei 15,9 Prozent.
    Mord auf offener Straße in Hamburg
    Hamburg, Anfang Juni. Innerhalb einer Woche melden die Nachrichtensender gleich zwei brutale Morde in der Hansestadt:
    "Es ist kaum zu fassen, aber schon wieder ist ein Mann auf offener Straße erschossen worden. Heute früh in Harburg feuert ein Mann aus einem Auto auf einen anderen Autofahrer. Schon am Sonntag war ja ein Radfahrer erschossen worden. In diesem Fall heute geht es möglicherweise um eine Familienfehde."
    Auch für Hamburger Verhältnisse sind derartige Verbrechen eine Ausnahme. Und das Sicherheitsempfinden der Hanseaten scheint darunter nicht zu leiden.
    "Da kann ich jetzt von nichts Negativem erzählen. Da, wo viele Leute sind, ist auch sicherlich eine Gefahr. - Sagen wir mal so: Ja, ich fühle mich schon sicher. Und ich will mich sicher fühlen! Ich will mich nicht beeinflussen und beeindrucken lassen von allem, was an Schrecklichem passiert. - "Sicher" ist ja ein relativer Begriff. Ich fühle mich relativ sicher!"
    Genau dieses Sicherheitsgefühl soll den Hamburgerinnen und Hamburgern erhalten bleiben. Das ist das Ziel des Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz. Diese Lehre zog der Sozialdemokrat aus der Bürgerschaftswahl 2001 – als in der Hansestadt die Law-and-Order-Partei von Ronald Schill aus dem Stand heraus auf über 19 Prozent kam. Im Bundestagswahlkampf im kommenden Jahr will sich die Hamburger SPD auf diesem Politikfeld keine Blöße geben, zumal die AfD das Thema bereits für sich reklamiert. Schon deshalb sollen steigende Kriminalitätsraten und niedrige Aufklärungsquoten vermieden werden. Dass in den beiden jüngsten Hamburger Mordfällen die mutmaßlichen Täter bereits gefasst sind, freut also nicht nur Frank-Martin Heise, der das Hamburger Landeskriminalamt leitet:
    "Diese beiden Tötungsdelikte, die wir jetzt in der jüngeren Vergangenheit festzustellen hatten und die auch öffentlichkeitswirksam waren, sind beides Fälle, die wir nach jetzigem Stand bereits aufgeklärt haben. Hamburg ist eine sichere Stadt und die Hamburgerinnen und Hamburger und ihre Besucher können sich sicher und frei auf Hamburgs Straßen bewegen."
    Die Polizei zeigt am 8. Januar auf der Reeperbahn in Hamburg Präsenz.
    In Hamburg hat die Polizei auch auf der Reeperbahn ihre Präsenz verstärkt (dpa / picture-alliance / Axel Heimken)
    Aufklärungsquoten: Bayern 72,5 Prozent, Hamburg 43,8 Prozent
    Wer einen Blick auf die Kriminalitätsstatistik des Bundesinnenministeriums wirft, kann dagegen zu einem anderen Schluss kommen: In Hamburg zählen die Behörden knapp 14.000 Straftaten pro 100.000 Einwohner, in Bayern gerade mal die Hälfte. Auch bei der Aufklärungsquote gibt es riesige Unterschiede zwischen beiden Ländern: die bayerische Polizei klärte demnach im letzten Jahr 72,5 Prozent aller registrierten Straftaten auf, Hamburg belegt dagegen mit 43,8 Prozent aufgeklärter Fälle den letzten Platz unter den Bundesländern, dicht hinter Berlin. Vergleiche zwischen deutschen Großstädten und Flächenländern haben allerdings nur eine bedingte Aussagekraft, erklärt Heise:
    "Die Tatgelegenheiten für verschiedene Straftaten sind in einer Metropole natürlich ungleich höher. Es gibt mehr Wohnungen, in die man einbrechen kann, es gibt mehr Autos, die man aufbrechen kann und es gibt mehr Touristen, die sorglos ihren Rucksack offen auf dem Rücken tragen, in den man greifen und das Portemonnaie stehlen kann. So etwas gibt es auf dem flachen Land eher weniger. Dazu kommt, dass das Sozialraumgefüge natürlich in einer Großstadt, die naturgemäß anonymer ist als das flache Land auch anders ist. Das heißt, die Sozialkontrolle findet nicht in dem Maße statt wie auf dem flachen Land."
    Die Polizeidichte in Hamburg, so der LKA-Chef, sei schon besonders hoch. Im Stadtstaat kümmert sich ein Beamter um durchschnittlich 230 Einwohner, seine bayerischen Kollegen um über 300 Menschen.
    CSU: Rot-Grün heißt Unsicherheit
    Aktuelle Stunde im Bayerischen Landtag zum Thema "Einbruchs-Kriminalität". Bayerns Innenminister Joachim Herrmann von der CSU stellt klar…
    "… dass wir weiterhin das Land sind in Deutschland mit der mit Abstand niedrigsten Kriminalitätsrate. Und das gilt eben auch für die Wohnungseinbruchs-Diebstähle. In NRW ist die Häufigkeitsziffer sechsmal so hoch wie in Bayern. Wir müssen leider feststellen: Rotgrün heiß Unsicherheit in vielen anderen Bundesländern, meine Damen und Herren."
    Mit scharfer, schneidender Stimme greift Herrmann den politischen Gegner an. Sein Tonfall hat ihm den Titel "schwarzer Sheriff" eingebracht. Solch eine Bezeichnung trägt ein bayerischer Innenminister mit Stolz. Sie gilt bei der CSU als Gütesiegel.
    "Bayern steht seit vielen Jahren für eine konsequente Rechts- und Sicherheits-Politik in unserem Land. Wir treten jeder Form von Kriminalität streng entgegen. Natürlich gibt es auch in Bayern Straftäter, aber sie werden hart bekämpft. Wir haben die Polizei kontinuierlich besser ausgestattet als manche anderen Bundesländer. Die Justiz arbeitet sehr konsequent. Und das zahlt sich über Jahr und Tag sehr gut aus."
    Bayerische Sicherheitspolitik, sagt Herrmann, orientiert sich an Konzepten wie der "Broken Window Policy" der New Yorker Polizei. Es ist eine Strategie, die auch kleine Vergehen verfolgt, etwa das Einschlagen der Fensterscheiben eines verlassenen Hauses. Denn aus diesen zerbrochenen Fenstern, so die Theorie, resultiert Verwahrlosung – und die führt zu steigender Kriminalität.
    Auch Bayern baut Sicherheitskräfte ab
    "Die 'Broken-Windows-Theorie' ist nichts anderes als auf gut deutsch: 'Wehret den Anfängen'. Dort, wo Anfänge von Kriminalität zu beobachten sind, sofort konsequent einschreiten."
    Für eine solch kompromisslose Strategie braucht es viel Personal. Bayern hat aber im vergangenen Jahrzehnt – wie viele andere Bundesländer auch – Sicherheitskräfte abgebaut. In vielen ländlichen Regionen hat die Staatsregierung die örtliche Polizeiwache wegrationalisiert. Inzwischen fordern sogar die bayerischen Grünen mehr Polizeistellen.
    "Ja, auch wir Grünen möchten mehr Polizistinnen und Polizisten, damit die auch auf der Straße unterwegs sein können. Denn wir wissen ganz genau aus unterschiedlichen Studien: Dort, wo Polizei vor Ort ist, finden weniger Einbrüche statt. Und die Taten können auch schneller aufgeklärt werden."
    Sagt Katharina Schulze, innenpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag. Auch Kurt Weiß findet, dass Polizei-Präsenz die beste Prävention gegen Einbruchdiebstahl ist. Weiß ist Münchner Bezirksvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft.
    "Die Wohnungseinbrüche sind in letzter Zeit eklatant gestiegen. Meistens sind es reisende Tätergruppen, die die Balkontür oder Fenster schnell aufhebeln. Wenn’s nicht geht, hören sie auch schnell wieder auf. Ich meine, dass bei uns in Bayern die Polizeipräsenz doch noch recht groß ist, auch auf der Straße. Andere Bundesländer haben massiv an Personal abgebaut."
    Personalknappheit in Hamburg bei Polizei und Justiz
    Bei der Hamburger Polizei gibt es diesen Stellenabbau nicht. 7.700 Vollzugsbeamte sind dort im Einsatz. Im Landeskriminalamt arbeiten 2.400 Menschen. Trotzdem ist Joachim Lenders unzufrieden. Er sitzt für die CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft und ist stellvertretender Bundesvorsitzender der bereits erwähnten Polizeigewerkschaft:
    "Ich glaube, die Hamburger Polizei ist personell mittlerweile nicht mehr gut aufgestellt, weil wir einen deutlichen Aufgabenzuwachs in den letzten Jahren bekommen haben durch neue Gesetze, durch neue Vorschriften. Wir haben zusätzliche Belastungen durch steigende Demonstrationseinsätze, Fußballeinsätze, Risikospiele und so weiter und so fort. Und ich glaube, dass der Personalschlüssel den wachsenden Anforderungen schlicht und ergreifend nicht gleichgezogen, nicht mitgehalten hat."
    Hamburgs LKA-Chef Frank-Martin Heise bestätigt, dass die Beamten in der Hansestadt mit gleichbleibender Personalstärke mehr Aufgaben bewältigen müssen.
    "Wobei dann noch der Gedanke sich stellt, inwieweit wir durch Struktur- und Prozessveränderung diese vermeintliche Lücke im Zweifelsfall ausgleichen können. Aber würde mir jemand mehr Personal geben - ich wüsste, wie ich es einsetzen kann."
    Allerdings weiß auch Frank-Martin Heise um die Personalknappheit im Hamburger Justizapparat. Zuletzt hatten Richter und Staatsanwälte Ende letzten Jahres einen Brandbrief an den Justizsenator geschickt und gewarnt, dass viele Verfahren nicht ordnungsgemäß und fristgerecht geführt werden könnten. Äußern wollen sich die Personalräte der Hamburger Staatsanwaltschaften dazu derzeit nicht, um die laufenden Verhandlungen über eine Aufstockung des Personals nicht zu gefährden.
    Bayern fordert mehr Zugriffe auf Daten
    Und auch in Bayern wird mittlerweile wieder Personal aufgebaut. Der Freistaat kann sich – anders als die meisten Bundesländer - Investitionen in die innere Sicherheit leisten. Innenminister Herrmann muss nicht sparen.
    "Wir haben in den letzten sieben Jahren schon über 2500 zusätzliche Stellen geschaffen. In diesem Jahr nochmal 1000. Also die bayerische Polizei wächst auf, aber wir werden noch mehr brauchen. Wir sehen die wachsenden Herausforderungen. Das gilt für Einbruchs-Diebstähle genauso wie für den islamistischen Terrorismus. Wir müssen also unsere Polizei stärker mach, wir müssen sie noch besser ausstatten."
    Außerdem fordert Herrmann von der Bundesregierung, an der die CSU beteiligt ist, sie solle die Ermittlungsarbeit der Kriminalpolizei erleichtern. Kriminalpolizisten sollten in Zukunft leichter und häufiger Zugriff auf Mobilfunk-Informationen erhalten, die im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung gesichert werden. Es geht vor allem um Handy-Positionsdaten.
    "Das Problem ist, dass im Moment die Gesetzeslage so ist: Ich darf auf diese Handydaten zugreifen, wenn es sich um eine Einbrecherbande handelt. Ich darf nicht zugreifen, wenn es nur ein Einbrecher ist. Nur solange die Polizei nicht weiß, wer es war, tut sie sich schwer im Vorfeld, wenn sie zum Ermittlungsrichter geht, zu beweisen, es war eine Einbrecherbande. Und deshalb sagen wir: Diese Unterscheidung muss wegfallen. Ich muss allein auf den Verdacht hin, dass so ein Einbruch stattgefunden hat und es könnte eine Einbrecherbande sein – das muss reichen, um auf die Vorratsdaten zugreifen zu können."
    Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) stellt am 23.03.2016 auf einer Pressekonferenz im Innenministerium in München (Bayern) die bayerische Kriminalstatistik für 2015 vor.
    Joachim Herrmann (CSU) will mehr Zugriff auf Daten von Verdächtigen (picture alliance/dpa - Andreas Gebert)
    Und noch eine Forderung stellt Herrmann an den Bund: härtere Strafen für Einbrecher. Es soll in Zukunft keinen "minderschweren Fall von Einbruchsdiebstahl" mehr geben. Das würde bedeuten: verurteilte Einbrecher müssten in Zukunft mit mindestens einem Jahr Haft rechnen.
    Erfolgreicher als ihre bayerischen Kollegen sind die Hamburger mittlerweile bei der Aufklärung von Wohnungseinbrüchen. Im Süden werden gerade mal 15,9 Prozent dieser Fälle aufgeklärt, in Hamburg bei der "SoKo Castle" sind es über 50 Prozent. 100 Beamte wurden für diese Sonderkommission abgestellt. Geleitet wird sie von Alexandra Klein. Sie zeigt eines der sichergestellten Tatwerkzeuge:
    "Das ist ein klassischer Handbohrer. Den kann man im Baumarkt kaufen. Es gibt aber auch Täter, die sich das selbst zusammenschweißen, weil sie ein besonderes Griffstück brauchen. Und das benutzen sie dann zum lautlosen Bohren von Fenster- und Terrassentürrahmen. Und klassisch ist es, dass der Bohrer einmal durchbohrt und dann einen Eimertragegriff benutzt. Und hat ihn vorher so gebogen, dass man den Griff entriegeln kann."
    Hamburg: Akribische Fahndungsarbeit bei Einbrüchen
    Penibel untersuchen die Mitglieder der SoKo nun solche Einbrüche, die Teil einer ganzen Einbruchsserie sein könnten. Sie arbeiten mit Spürhunden, die die Spuren der Täter verfolgen, sammeln DNA-Spuren. Jedes Detail wird erfasst und analysiert:
    "Castle schaut natürlich: wo ist auffälliges Verhalten? Wir sagen ja auch: Einbrecher sind Serientäter. Und dann gibt es in der Tat Verhalten, was man nicht ablegen kann, also Vorlieben. Wir haben zum Beispiel einen Täter, der trinkt sehr gerne O-Saft. Wenn er O-Saft nicht findet, dann Fanta, was mit Orange. Das klingt amüsant, aber hilft uns natürlich, genau diesen Kern herauszuarbeiten."
    Seit ihrer Gründung hat die "SoKo Castle" 500 Fälle übernommen. Fast 100 Personen wurden festgenommen. Anfang Mai konnte ein Einbrecher gefasst werden, der in den vergangenen Jahren rund 200 Mal zugeschlagen haben soll. Für ein Drittel dieser Fälle liegen DNA-Spuren des Mannes vor. Neben der akribischen Fahndungsarbeit sei es aber vor allem wichtig, so der Hamburger LKA-Chef Frank-Martin Heise, die Bürgerinnen und Bürger für das Thema zu sensibilisieren:
    "Wir haben das erlebt jetzt mit einer Kampagne, wo wir die Menschen in Hamburg ermuntert haben, "110" beim kleinsten Verdacht zu rufen. Und wir haben eine Reihe von Festnahmen auf frischer Tat machen können, weil die Menschen so klug waren und während ihrer Beobachtung mit ihrem Handy, mit ihrem Telefon uns gerufen haben, uns berichten konnten, was gerade passiert und so konnten wir Täter auf frischer Tat festnehmen und das ist ein Erfolg!"
    Hamburg: "SoKo Rocker" und "SoKo Fahrraddiebstahl"
    Die nächste SoKo wurde schon gegründet. Mit einem wenigen spektakulären, aber angesichts der steigenden Fallzahlen dringenden Auftrag: die "SoKo Fahrraddiebstahl". Erfolgreich, so der LKA-Chef, arbeitet auch die "SoKo Rocker". Nachdem im letzten Jahr der Bandenkrieg zwischen zwei rivalisierenden Motorrad-Gangs, den Hells Angels und den Mongols, eskaliert war, nach Handgranaten-Attacken und Schießereien in der Öffentlichkeit, setzten die Ermittler die Rocker massiv unter Druck. Mitten in Hamburg seilten sich Spezialkräfte auf das Penthouse-Dach eines Rocker-Chefs ab. Telefone wurden abgehört, 40 Wohnungen durchsucht. Neun Personen festgenommen. Danach kehrte Ruhe im Milieu ein. Bis es am vergangenen Mittwoch erneut zu einer Schießerei mit einem Schwerverletzten in Hamburg-Schnelsen kam.
    Einbruchsprävention in München
    Zurück in der Kinder-Polizei-Akademie im Landeskriminalamt München. Hobby-Professor Jan Schäper hält ein gebogenes Stück Stahl in die Luft.
    "Was ist das? Weiß das jemand von Euch? Ein Brecheisen, richtig! Und so ein Brecheisen ist ja nicht nur Metall, was ist da drauf? So wie hier vorne? Genau, Farbe ist da drauf."
    Dann analysiert Schäper mit den Kindern die abgeblätterten Farbsplitter auf ihre chemische Zusammensetzung. Im Hintergrund schaut Martin Möhring zu. Kriminalhauptkommissar beim LKA Bayern. Seine Fachrichtung: technische Prävention. Möhring ist sozusagen der natürliche Feind des Brecheisens. Der Polizeibeamte weiß:
    "Wenn ich geübt bin und keine besondere Sicherheitstechnik eingebaut ist, dann bin ich in zehn Sekunden durch ein Fenster durch."
    Möhring sorgt dafür, dass mehr Menschen als bisher ihre Hauseingänge, Fenster und Wohnungstüren sichern. Durch Mechanik, wie er das nennt. Also zusätzliche Sicherungsriegel in oder an der Tür.
    "Mechanik kann den Einbruch verhindern. Bei der Mechanik gibt es geprüfte, zertifizierte Elemente. Egal ob für Türen oder Fenster. Man kann auch Bestandsfenster und Türen nachrüsten."
    Möhring berät Bürger dabei, ihr Haus oder ihre Wohnung besser zu schützen. In Bayern gibt es 33 solcher Beratungsstellen der Polizei. Die Beamten kommen auf Wunsch zum Servicegespräch an die Haustür – kostenlos. Das Interesse an dieser Dienstleistung ist im letzten halben Jahr rasant gestiegen.
    "Auch wir merken es in der Prävention. Unsere Kollegen vom Polizeipräsidium München haben eine Vorlaufzeit von drei Monaten. Da ahnt man schon, was für eine Nachfrage da herrscht."
    Denn auch im so sicheren Bayern fühlen sich die Bürger verstärkt verunsichert. Die Einbruchszahlen steigen auch im Freistaat. Dass es anderswo in Deutschland noch mehr Einbrüche und noch weniger Festnahmen gibt, ist kein Trost. Bayerns Innenminister Herrmann orientiert sich bei der Suche nach neuen Konzepten in der Verbrechensbekämpfung vor allem am Ausland.
    Schweizer Fahndungskonzept als Vorbild
    "Wo gibt’s jemanden in Europa, in der Welt, der besser ist als wir? Bei den Einbruchs-Diebstählen war es vor zwei Jahren das Pre-Cobs-Konzept. Das hat die Züricher Polizei entwickelt. Die erstellen aus ganz aktuellen Einbrüchen von gestern und vorgestern Abend Analysen und Vorhersagen: Wo könnte ein Serien-Einbrecher, der gerade unterwegs ist, morgen oder womöglich schon heute erneut zuschlagen? Mit bemerkenswerten Ergebnissen. Das war so ein Konzept, das wir interessant fanden."
    Die bayerische Polizei setzt das PreCobs-Konzept derzeit in München und Nürnberg ein. In einigen Vierteln ist die Zahl der Einbrüche seitdem um mehr als 20 Prozent gesunken. Solche Erfolgszahlen könnten bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr eine Rolle spielen - zumal das Thema Innere Sicherheit eines der wenigen ist, bei dem sich die wegen der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin so zerstrittenen Schwesterparteien CDU und CSU einig sind. Ende der Woche treffen sich Merkel, Seehofer und Co zu einer Krisen-Klausur in Potsdam, um über ein gemeinsames Wahlprogramm zu reden. Beim Thema Kriminalitätsbekämpfung wird man sich schnell darauf verständigen können, Rot-Grün und deren vermeintlich laxen Umgang mit Straftätern zu kritisieren.
    Hamburg beispielsweise, wo Rot-Grün regiert. In der Hansestadt liegt die Aufklärungsquote bei Wohnungseinbrüchen mittlerweile zwar weit über den bayerischen Erfolgsquoten. Aber ein Blick auf die Aufklärungszahlen aller Straftaten zeigt, dass der Freistaat den Hansestädtern weit voraus ist. Teilweise lässt sich das mit der Anzahl so genannter Kontrolldelikte erklären, so Frank-Martin Heise vom LKA Hamburg. Werden beispielsweise Drogendealer oder Schwarzfahrer in der Bahn verstärkt kontrolliert, würden im gleichen Atemzug auch die Täter identifiziert. Diese Fälle gelten dann als aufgeklärt.
    "Bei uns ist der Anteil der Kontrolldelikte vergleichsweise niedrig und deswegen gehören wir leider auch zu den Städten, die eine etwas niedrige Aufklärungsquote haben. Andere Städte, darunter München, sind genau anders strukturiert und haben deswegen auch an der Ecke andere Zahlen."
    Aber auch hier könnte Hamburg in Zukunft aufholen. Nachdem die Einbruchdiebstähle zuletzt zurückgegangen sind, wurde ein Teil der Beamten aus der "SoKo Castle" abgezogen und geht nun gegen Klein-Dealer auf St. Pauli vor. Mit Aufklärungsquoten von fast 100 Prozent.