Dienstag, 30. April 2024

Archiv

Macrons Mini-Migrationsgipfel
Aus Not mach Interessengemeinschaft

Diese Woche diskutierten Frankreich, Spanien, Deutschland, Libyen, Niger und Tschad die Fluchtursachen in Afrika. Europäer und Afrikaner schauen unterschiedlich auf die Probleme. Frankreichs Präsident Macron betont die gemeinsamen Interessen, Tschad und Niger sind skeptisch gegenüber Europas Hilfsbereitschaft.

Von Jens Borchers | 02.09.2017
    Nach dem Migrationsgipfel in Paris mit der EU-Außenbeauftraten Mogherini, dem Präsidenten von Niger, Issoufou, dem Präsidenten des Tschad, Deby, dem französischen Staatschef Macron, Bundeskanzlerin Merkel und dem spanischen Ministerpräsidenten Rajoy.
    Blicken unterschiedlich auf die Migration aus Afrika, v.l.n.r.: Federica Mogherini (EU), Mahammadu Issoufou (Niger), Idriss Deby (Tschad), Emmanuel Macron (Frankreich), Angela Merkel (Deutschland) und Mariano Rajoy (Spanien). (AFP / ludovic MARIN)
    Die Zuwanderung ist ein wichtiges Thema für Europa - vor der Bundestagswahl Ende September in Deutschland, vor der Parlamentswahl in Italien Anfang kommenden Jahres. Nachdem die Balkan-Route geschlossen und der Türkei-Deal eingefädelt wurde, konzentriert sich Europa jetzt darauf, die Migration auf Afrika einzudämmen. Deshalb arrangierte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Anfang der Woche einen Mini-Gipfel in Paris. Macron bemühte sich, für Europa und Afrika eine gemeinsame Interessenlage zu skizzieren:
    "Unser Thema heute sind die massiven, illegalen Zuwanderungsströme, die wir seit mehreren Jahren erleben. Sie betreffen unsere Länder in unterschiedlicher Weise. Aber sie destabilisieren alle."
    Dann sagt Macron noch dazu, woran das seiner Ansicht nach liegt:
    "Bestimmte Schieber-Banden, die mit Waffen, mit Menschen, mit Drogen handeln, die Verbindungen zum Terrorismus haben – sie haben aus der afrikanischen Wüste und aus dem Mittelmeer einen Friedhof gemacht."
    Unsicherheit und Perspektivlosigkeit als Migrationsmotoren
    Neben ihm sitzen die Präsidenten von Niger und Tschad. Mit unbewegten Gesichtern. Als Idriss Deby, seit 27 Jahren Präsident des Tschad, spricht, kommt diese Botschaft:
    "Was treibt die afrikanische Jugend dazu, die Wüste oder das Mittelmeer überwinden zu wollen, um nach Europa zu kommen? – Die Armut. Die Arbeitslosigkeit. Die schlechte Bildung. Das muss man berücksichtigen."
    Nigers Präsident Mahammadu Issoufou analysiert das Problem so:
    "Die Grundursachen sind: die Unsicherheit, ausgelöst durch Terrorismus und organisiertes Verbrechen. Vor allem in der Sahel-Region und im Tschadsee-Becken. Die Migration hängt auch mit der Armut zusammen, mit der mangelnden Entwicklung, dem Klimawandel und dem Druck des Bevölkerungswachstums."
    Gegen-Maßnahmen, die schon in Afrika greifen
    Den Europäern geht es darum, eine Interessengemeinschaft zu schmieden, die ihnen bei der Eindämmung der Zuwanderung und des Terrorismus hilft. Und möglichst viele Gegen-Maßnahmen sollen schon auf afrikanischem Boden greifen.
    Die Afrikaner sehen: Es gibt ein neu erwachtes Interesse der EU an Armenhäusern wie Niger oder Tschad. Sie wollen dieses europäische Interesse nutzen, um möglichst viel Geld für ihre Staaten zu bekommen. Für die Entwicklungszusammenarbeit, für die Ausrüstung ihrer Sicherheitsapparate.
    Ohne Geld könnte das bisher Erreichte in Gefahr sein
    Die Regierung des Niger bekommt seit 2016 viel Geld von der Europäischen Union: Hunderte Millionen Euro für Militär-Lastwagen, Grenzschutz-Ausbildung, Verbesserung der Polizei-Arbeit. Und viel Geld für Projekte, die Arbeitsplätze und Infrastruktur schaffen sollen. Präsident Issoufou lobt in Paris die erzielten Resultate. Und dann warnt Issoufou, das bisher Erreichte könnte wieder gefährdet werden:
    "Wenn wir für unser Programm nicht alle vorgesehenen Ressourcen bekommen, dann wird das Verschlechterungen zur Folge haben."
    Keine Vorzeige-Demokraten – aber wichtige Partner
    Die Europäer zögern immer wieder. Korruption, die Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen, Mängel im demokratischen System – Niger und Tschad sind nicht gerade Vorzeige-Partner für eine werteorientierte Politik. Beim Tschad waren die Europäer bisher besonders vorsichtig bei der Mittelvergabe. Das könnte sich ändern. Der Tschad wird zunehmend zum Transitland für Migranten, die nach Libyen wollen. Und Präsident Idriss Deby sagt trocken – ihr habt die Wahl:
    "Wir beherbergen mehr als eine halbe Million Flüchtlinge aus Nachbarländern bei uns im Tschad. Aus Darfur, Kongo, Kamerun, Nigeria und Niger. Die Schleuser-Banden könnten versuchen, diese Flüchtlinge zu bewegen, sich Richtung Europa aufzumachen."
    Hilft Europa nur, bis Migration aus Afrika eingedämmt ist?
    Sowohl der Tschad als auch Niger fürchten, die neue Hilfsbereitschaft Europas könne schnell wieder ein Ende finden. Dann nämlich, wenn es ihr gelänge, die Eindämmung der Migration auf die afrikanische Seite zu verlagern. Wenn also das unmittelbare Interesse der EU bedient wäre. Deshalb gibt Tschads Präsident Idriss Deby beim Pariser Migrationsgipfel das aus seiner Sicht eigentliche und relevante Thema zu Protokoll:
    "Es ist wahr – es gibt ein Problem bei der Entwicklung. Da muss man nach Lösungen suchen – für die Entwicklung Afrikas. Dafür müssen die Europäische und die Afrikanische Union Lösungen finden."