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Für einen Atomausstieg in Bulgarien

Viele Länder Osteuropas setzen weiter auf Atomstrom, darunter Bulgarien. Die Europäische Union verlangt die Abschaltung der veralteten Reaktoren sowjetischer Bauart in Kosloduj, Ersatz soll wieder durch Nuklearstrom kommen: Am Standort Belene sind zwei Reaktoren geplant. Die Umweltorganisation Greenpeace setzt sich derzeit bei einer Schiffstour für einen Ausstieg aus der Atomkraft in Osteuropa ein. Derzeit befindet sich das Schiff in Bulgarien.

Von Ralph Ahrens | 03.08.2005
    Vor einer Woche entging Albena Simeonova nur knapp einem Anschlag. Ein Leibwächter zog sie rechtzeitig von der Straße, bevor sie von einem Auto überfahren werden konnte. Albena Simenova ist Öko-Bäuerin in Ljubenovo im Norden Bulgariens und kämpft seit mehr als zehn Jahren gegen Atomenergie in Bulgarien:

    " Nur zehn Kilometer liegen zwischen dem Ort, wo mein Sohn, meine Familie lebt, und Belene, dort wo neue Kernkraftwerke entstehen sollen mit all dem nuklearen Abfall. In der Nähe liegt auch ein Naturschutzgebiet und viele Menschen leben hier von der Landwirtschaft. Und die Atomenergie kann dieses Paradies zerstören!"

    Die Öko-Bäuerin und Sprecherin für Greenpeace in Bulgarien nimmt an der "Energy Revolution Tour" der Umweltorganisation teil. Das ist eine Schiffstour, die im Mai in Polen begann, zurzeit auf der Donau zwischen Rumänien und Bulgarien unterwegs ist und im Oktober in Ägypten endet. Den Umweltschützern geht es dabei weniger um Kernenergie, sondern vielmehr um eine Energiewende in Mittel- und Osteuropa - also um die richtigen Zukunftsinvestitionen. Jan Haverkamp von Greenpeace:

    " Kernenergie auch in Mitteleuropa bleibt unglaublich unökonomisch - und damit werden Investitionen weggenommen von die wirklichen Lösungen von Klimapolitik, das sind die Lösungen Richtung Effizienz, was hier eine enorme Rolle spielt, und die erneuerbaren Energien, die ein Potential haben noch größer als in Westeuropa. Aber keine der Regierungen hier schaut da ernsthaft danach - das sind alles nur Worte, hier und da eine Millioneninvestition, aber nicht die Hunderte von Millionen, die letztendlich gebraucht werden."

    Daher macht Greenpeace öffentlichen Druck. Zunächst am Freitag in Kozluduj, dem Nuklearpark Bulgariens. Dort stehen sechs Reaktoren. Die bulgarische Regierung ließ zwar im letzten Jahr - auf Druck der EU - bereits zwei 40 Jahre alte Reaktoren abschalten, zwei weitere sollen nächstes Jahr folgen. Aber ...

    " Das Problem von Kozluduj ist am größten, wie mit aller Kernkraft, das ungelöste Abfallproblem. Teilweise wurde das nach Russland geschickt, nach Mayak, wo es Teil ist von den unglaublichen, wirklich unglaublichen Problemen rund um die Lagerung von Kernabfällen im Südural. Andererseits versucht man das hier zwischen zu lagern. Und wie in Deutschland, es ist unmöglich, ein richtiges sicheres Zwischenlager zu finden."

    Die Brennstäbe sind in Castor-artigen Containern aufbewahrt. Und die Diskussion um ein Endlager hat erst begonnen.

    Der nächste Halt der Schiffstour ist Belene - 100 Kilometer weiter östlich die Donau hinunter. Die bulgarische Regierung will dort zwei neue Kraftwerke bauen, und das hält Albena Simeonova für einen Wahnsinn.

    " Es gibt hier Erdbeben! Etwa 1977 in den rumänischen Vrancha-Bergen, 40 Kilometer von Belene entfernt. Es gab viele Tote und das Erdbeben hat in meiner Nachbarschaft - in Svištov und Nikopol - viele Hochhäuser zerstört."

    Das vielleicht wichtigste Argument sowohl von Greenpeace als auch von Albena Simeonova ist jedoch: die neuen Reaktoren seien energiepolitisch unnötig:

    " Ich bin sicher, Bulgarien, der ganze Balkan brauchen keine Atomenergie. Wir können etwa die Hälfte unseres Verbrauchs durch Energieeffizienz einsparen. Insbesondere Bulgarien ist prädestiniert für Windenergie und auch für Solarenergie."

    Doch die Planungen für die Reaktoren in Belene laufen und der "Atomlobby" scheint jedes Mittel recht zu sein. Es geht um viel Geld. Und Albena Simeonova hat zwar Angst, aber sie will sich weiter wehren:

    " Ich habe Angst, denn ich habe ein Kind und einen alten Vater. Aber ich bin nicht ängstlich. Sonst würde ich nicht öffentlich auftreten, so dass die ganze Welt es hören kann."