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Krankenhäuser in Togo
Zu arm, um Menschenleben zu retten

Mit jährlich 13 Euro und 0,0003 Ärzten pro Patient kommt ein Gesundheitssystem nicht weit. In Togo sterben täglich Patienten in Krankenhäusern, weil es am Nötigsten fehlt. Ärzte gehen dagegen auf die Straße. Doch die Regierung greift hart durch gegen Protestierende.

Von Adrian Kriesch | 12.05.2018
    TO GO WTIH AFP STORY BY Emile KOUTON Doctors treat patients for free in the hospital of Sotoubou, 300km north of Lome, on November 22, 2008. Hundreds of poor people have traveled tens of kilometers on foot to seek treatment by these Togolese "barefoot doctors." AFP PHOTO / EMILE KOUTON / AFP PHOTO / EMILE KOUTON
    Ärzte in togolesischen Krankenhäusern haben äußerst wenig Personal, Mittel und Zeit, um ihren Patienten zu helfen (AFP)
    Seit zwei Wochen ist der zweijährige Raphael bereits im Krankenhaus. Erst war die Diagnose Malaria, doch das hohe Fieber geht einfach nicht weg. Seine Mutter Alice Adeku ist verzweifelt:
    "Mir fehlen die Mittel. Ich war kurz in einer Privatklinik, aber bald hatte ich kein Geld mehr. Wenn du kein Geld hast, können wir nichts machen, wurde mir gesagt. Also mussten wir wieder ins staatliche Krankenhaus gehen."
    Hier wurde Raphaels Zustand wieder schlimmer.
    Eigentlich müsste er von einem Facharzt untersucht werden – doch im größten staatlichen Krankenhaus des Landes wird gestreikt. Nur der Notfall-Betrieb läuft weiter.
    13 Euro pro Jahr und Bürger für medizinische Versorgung
    Im Nachbarzimmer werden Neugeborene versorgt. Bis zu drei Babys teilen sich ein Bett. Ein Krankenpfleger kümmert sich allein um 30 Patienten – seinen Namen möchte er nicht nennen.
    "Vor einer Woche haben wir siamesische Zwillinge hier gehabt. Sie sind gestorben, weil der Chirurg für die Operation nicht da war – es ist ja Streik. Das hat mich so traurig gemacht. Aber vorher schon gab es immer wieder Fälle, in denen wir Kinder hätten retten können – aber uns fehlen die nötigen Mittel. Das ist wirklich eine schwierige Situation."
    Deswegen gehen seit Monaten Ärzte auf die Straße. Sie protestieren gegen die Regierung. Die Ausstattung in den staatlichen Krankenhäusern ist oft veraltet – selbst die Klimaanlagen funktionieren nicht. 13 Euro gibt die Regierung im Jahr für die medizinische Grundversorgung für jeden Bürger aus. Im Durchschnitt gibt es nur drei Ärzte oder Krankenpfleger für 10.000 Togolesen. Das ist fast vier Mal weniger als im Nachbarland Ghana.
    "Momentan können wir keine Leben retten, das ist schwer"
    "Wir haben einen Beruf gelernt, mit dem wir Menschen retten wollen. Aber momentan können wir keine Leben retten, das ist schwer. Wir streiken, um die Situation zu ändern. Denn die Situation ist schlecht: Wir haben nicht genug Personal, nicht genug Equipment", erzählt David Dosseh, er ist Arzt und einer der Mit-Organisatoren des Streiks. Aber auch Lehrer und Oppositionsgruppen protestieren seit Monaten regelmäßig gegen die Regierung.
    Sie beklagen die schlechte Entwicklung im Land und fordern eine Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten. Seit mehr als 50 Jahren herrscht in dem kleinen westafrikanischen Land dieselbe Familie. Präsident Eyadema Gnassingbé starb 2005, mit Hilfe des Militärs wurde sein Sohn Fauré als neues Staatsoberhaupt eingesetzt – und später auch in umstrittenen Wahlen bestätigt. Er ist bereits in seiner dritten Amtszeit – und er denkt nicht ans Aufhören.
    Vor zwei Wochen untersagte die Regierung erneute Proteste. Das Ergebnis: Ausschreitungen.
    Polizei und Militär jagten mutmaßliche Demonstranten durch die Stadt. Immer wieder wurden Protestierende verhaftet – mindestens elf Menschen kamen bisher ums Leben.
    Die Opposition hat "einfach demonstriert"
    "Das ist doch Barbarei!", sagt ein Mann, der beobachtet hat, wie Polizisten einen Togolesen gewaltsam auf die Ladefläche ihres Pick-Up-Trucks ziehen. "Wir haben das Recht zu protestieren, so steht es in der Verfassung. Und die Polizei verfolgt einfach Leute und nimmt sie fest. Das reicht, so geht es nicht mehr weiter in Togo. Das muss sich ändern!"
    Kommunikationsminister Guy Lorenzo argumentiert, dass der Präsident demokratisch gewählt wurde – und verteidigt das Demonstrationsverbot:
    "Wenn die Menschen damit nicht einverstanden sind, können sie vor Gericht ziehen. Wenn das Gericht ihnen Recht gibt, können sie wieder demonstrieren. Aber das hat die Opposition nicht gemacht, sie haben einfach demonstriert. So geht das nicht, so was akzeptieren wir nicht. Wir leben in einem Rechtsstaat."
    Wegen der Krise im Gesundheitssektor verhandle die Regierung bereits mit allen Beteiligten, so Lorenzo. Man müsse jedoch die wirtschaftliche Realität bedenken. Togo ist eines der ärmsten Länder Westafrikas.
    Arzt zweifelt an Motivation der Regierung
    Für den Arzt David Dosseh sind das Ausreden, die er schon allzu oft gehört hat:
    "Es ist klar, dass es die Strategie der Regierung ist, den Prozess zu verzögern. Die Kommunikation ist immer das eine, die Realität das andere. Das ist schade. Man hat den Eindruck, dass die Regierung andere Sorgen hat als die realen Probleme der Bevölkerung."
    Und so bleibt Dosseh und vielen Kollegen vorerst nichts anderes übrig, als ihr Geld in Privatklinken zu verdienen. Kliniken, die sich die meisten Togolesen nicht leisten können.