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Moderne Klangkunst sehen und hören

Klangkunstprojekt aus Wien "The Morning Line" ist ein komplexer Klangpavillon mit zahlreichen Lautsprechern. Die dafür produzierten Kompositionen werden nun mit dem Projekt "T-B A21 Sound Space" in Karlsruhe einem breiteren Publikum zugänglich.

Von Helga Spannhake | 23.04.2012
    Gleich beim Betreten des Medienmuseums ZKM in Karlsruhe erklingen die Kompositionen des Kunstprojektes "Space Sound". Zu sehen sind im Foyer 49 kleine, schwarze Lautsprecher, die an unterschiedlich langen Kabeln von der Decke hängen bzw. aus dem Boden sprießen. Hängende Lichtstäbe geben dem filigranen Klanggebilde eine zusätzliche räumliche Dichte. Das Publikum sieht und hört hier gleichzeitig moderne Klangkunst.

    Das Kunst- und Klangprojekt "The Morning Line", dessen dritte Station Wien ist, versteht sich als eine Kombination von Raum und Surround-Audioinstallation. Im schwarzen Stahl der begehbaren Freiluftskulptur sind Lautsprecher eingebaut, die den Raum musikalisch erlebbar machen sollen. Für die Ausstellung von Sound Space in Karlsruhe kam es nun zu einer Aufspaltung des ursprünglichen Klangpavillons, so ZKM Vorstand Peter Weibel:

    "Was wir hier sehen, ist sozusagen schon eine Tochter, aber es ist zum ersten Mal die Klangarchitektur selbst sichtbar. Das heißt: Wir haben bewusst verzichtet auf die architektonische Hülle, sondern wir sehen hier nur die Klangarchitektur, nämlich die 49 Lautsprecher verteilt im Raum. Weil die Komponisten haben für diese verteilten Lautsprecher komponiert. Das heißt: Sie haben nicht gesagt, da ist eine Tonquelle, sondern sie haben gesagt, hier habe ich im Raum verteilt 49 Tonquellen, also da kann ich den Ton einzeln, oder Kaskaden vertonen oder Cluster vertonen, durch den Raum wandern lassen."

    Initiiert wurde das gesamte Klangkunstprojekt von Kunstmäzenin Francesca von Habsburg. Sie will mit der Installation von Sound Space herausfinden, welchen Klangeindruck das Soundwiedergabesystem vermittelt, ohne in die Freiluftskulptur eingebaut zu sein. Außerdem soll es durch den neuen Standort für mehr Menschen erlebbar sein.
    Bisher schrieben 31 Komponisten unterschiedliche Klangarbeiten für das komplexe Audiosystem. Das Werk der norwegischen Komponistin Jana Winderen "Between Dry Land", das auf Naturgeräuschen vor allem von Wasser basiert, beeindruckt Francesca von Habsburg besonders:

    "Die Zuhörer werden sich fühlen und hören, wie Fische fühlen und hören, was wir normalerweise nicht wahrnehmen können, und es ist wirklich ein großartiges Stück. Sie ist auch eine der Künstlerinnen, die das Mehrkanalsystem am besten genutzt hat, da sie es sofort verstanden hat. Andere Künstler fanden es komplizierter zu splitten und hielten mehr am binären Klang fest."

    Die komplexen Raumkompositionen laden ein, fordern sogar heraus, herumzulaufen: Je nach Standort unter den Lautsprechern verändert sich der Klang, offenbart das Werk andere Klangaspekte. Bleibt man direkt vor einem der Bodenlautsprecher stehen, so hört man sogar nur diesen einen Soundaspekt.

    Meditativ, zeitlos erscheint die Musik – ca. 40 Minuten dauern die Einzelwerke. Durch den Computer gewinnen die Klänge an Kontinuität und durch zusätzliches Modulieren entsteht eine neue, einzigartige Klangwelt, die sich nicht der Zeit unterwirft, so Peter Weibel:

    "Diese Technomusik ist Herr der Zeit. Das heißt: Es gibt hier keine Tempi, es gibt hier nur Klangvolumen, die sich im Raum und in der Zeit verlieren."

    Bei der Eröffnung probierte das Publikum sowohl das Verweilen unter den Lautsprechern ebenso wie das Entlanglaufen aus. Für ZKM Geschäftsführerin Christiane Riedel eine interessante Musikrezeption:

    "Es sind ganz unterschiedliche Eindrücke, weil zum Teil kommen die Kompositionen ja eher aus den Bodenlautsprechern. Also, die kriechen an einem hoch. Wenn man dann weitergeht, dann kommt auf einmal von oben eine Klangwolke auf einen hernieder. Und es gibt dann einfach Bereiche, die zu einer bestimmten Phase in der Komposition einen so einnehmen, dass man sich da am liebsten hinlegen würde."