Autobatteriewerk in Schleswig-Holstein

Subventionswettrennen mit den USA

07:29 Minuten
Robert Habeck übergibt Northvolt-CEO Peter Carlsson einen symbolischen Scheck über 155 Millionen Euro.
Robert Habeck bei einer Pressekonferenz mit Northvolt-CEO Peter Carlsson, bei der eine Förderzusage von 155 Millionen Euro gegeben wurde. Doch die USA bieten 850 Millionen Dollar an Subventionen. © picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka
Von Jörn Schaar · 05.12.2022
Audio herunterladen
Dem Verbrennungsmotor droht schon bald das Aus. Deshalb sollen in Schleswig-Holstein ressourcenschonend Akkus hergestellt werden. Eigentlich. Denn das Projekt steht auf der Kippe – wegen hoher Energiepreise und viel Geld aus den USA.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther im Frühjahr 2022. Es ist Wahlkampf, er will wiedergewählt werden. Mittendrin die Ankündigung von Northvolt, ausgerechnet in Heide eine Batteriefabrik bauen zu wollen:
„Sie haben das verfolgt: Northvolt, ein schwedisches Unternehmen, hat entschieden, in Heide die grünste Autobatterie der ganzen Welt zu bauen. Eine Million Batterien, die dort gebaut werden, 3.000 Arbeitsplätze, die dort geschaffen werden. Die haben diese Entscheidung auch getroffen, weil sie hier 100 Prozent erneuerbare Energien bekommen.“

Bundesgesetze müssen geändert werden

Politiker aller damaligen Regierungsfraktionen - CDU, Grüne und FDP - schrieben sich das als Erfolg auf die Fahnen, auch das trägt zum Wahlerfolg von Schwarz-Grün bei. Doch bis heute ist auf den rund 160 Hektar Bauland für das Werk nicht viel passiert. Nur das archäologische Landesamt hat zaghafte Voruntersuchungen des Baugrunds angestellt. Und dann das: Northvolt-Chef Peter Carlsson sagte in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung am 28. Oktober:
„Die Strompreise in Deutschland sind extrem gestiegen, und die weitere Entwicklung ist schwer abschätzbar. Mit den aktuellen Strompreisen sehen wir die Wirtschaftlichkeit von energieintensiven Projekten in Deutschland gefährdet."
Dabei steht grüner Strom gerade an der schleswig-holsteinischen Westküste im Überfluss zur Verfügung. Hier drehen sich Tausende Windräder. 160 Prozent des Strombedarfs von Schleswig-Holstein wird aus erneuerbaren Energiequellen produziert. Aber man kann den Strom eben nicht direkt aus den Windparks abzapfen – so sind die Gesetze in Deutschland. Das kam auch in der Novembersitzung des Landtages zur Sprache, als es dort um die Ansiedlung von Northvolt ging. Der energiepolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Andreas Hein, sagte, überschüssiger Windstrom müsse für Unternehmen wie Northvolt günstig verfügbar werden:
„Wir haben immer noch Abschaltungen an der Westküste, wir sind im letzten Jahr bei 1,856 Terawattstunden gewesen. Und die Menge, die Northvolt braucht, sind ungefähr zwei Terawattstunden. Sollte es möglich sein, diesen Strom zu nutzen, wäre das ein Riesengewinn für ganz Schleswig-Holstein.“

Förderwettlauf gegen die USA

Der andere Punkt, der in Stockholm gerade noch gegen die Investitionsentscheidung in Heide spricht: Fördergeld. Fördergeld, mit dem die USA winken. Rund 850 Millionen Euro stellt die Biden-Administration in Aussicht, falls Northvolt eine Batteriefabrik in den USA baut. Das könne die Produktionskosten um bis zu 40 Prozent senken, sagte Northvolt-Chef Peter Carlsson der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Deutschland kann gerade einmal 155 Millionen anbieten. Für ein Projekt, für das knapp 4 Milliarden Euro veranschlagt werden. Der Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion im Landtag, Thomas Losse-Müller, SPD, bezeichnete das Fördergeld aus den USA als industriepolitisches Monster und warnte im Landtag, man könne nur durch gemeinsame Anstrengungen mit Bund und Europäischer Union etwas erreichen:
„Lassen Sie uns bitte nicht jetzt den Ball vertändeln, weil wir in einer Ideologie der letzten 30 Jahre verfangen sind und sagen: Wir wollen diesen Steuerwettbewerb, wir wollen diesen Subventionswettbewerb nicht. Ich will den auch nicht. Niemand unter uns will den. Aber wir sind in diesem Wettbewerb. Und wenn wir den jetzt verlieren, dann verlieren wir die Chance auf die grüne Transformation. Deswegen muss das Signal ausgehen: Wir sind bereit zu tun, whatever it takes, um die Industrie hierhin zu kriegen.“
Industriestromtarife und Fördergelder sind aber nichts, was im schleswig-holsteinischen Landtag entschieden werden kann, darüber sind sich alle Fraktionen einig: Der Pokertisch steht in Berlin. Und so trifft sich dort erst Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen mit Northvolt-Chef Peter Carlsson auf ein Bier, am nächsten Morgen geht Ministerpräsident Daniel Günther mit ihm joggen, bevor es zum Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck geht.

Die Planungen laufen weiter 

Während in Kiel und Berlin um die Standortentscheidung gepokert wird, geht am geplanten Bauplatz alles seinen normalen Gang. Denn die rechtlichen Voraussetzungen – Bauleitplanung, Flächennutzungsplan und so weiter – stehen ja auch noch aus. Oder wie die geplante Fabrik ans Straßennetz angebunden werden soll. Der leitende Verwaltungsbeamte des Amts Heider Umland, Björn Jörgensen, lässt sich von den Diskussionen im Landtag nicht aus der Ruhe bringen. 
Wenn die Investitionsentscheidung einmal gefallen ist, kommen noch viele weitere Planungsschritte auf ihn und seine Leute in der Amtsverwaltung zu. Denn Northvolt plant mit bis zu 3.000 Arbeitsplätzen:
„Wir dürfen nicht unterschätzen, was Northvolt hier in der Region auch an Folgewirkungen – auch für uns an Herausforderungen in der Region auslöst: Da gilt es Wohnbau zu schaffen, da gilt es die Themen der sozialen Infrastruktur nachzuziehen, das sind größere Dinge, die dort bewegt werden und deshalb muss das ganze Konstrukt in sich stimmig sein.“
Dass Northvolt ein Werk in Heide bauen möchte, steht einigermaßen fest – so klingen zumindest die Aussagen der Northvolt-Sprecher und der beteiligten Politiker. Die Frage ist jetzt noch, wann gebaut wird und ob das Unternehmen sich vorher noch woanders niederlassen will. Egal wie die Antwort lautet: Im Umland von Heide wollen sie dann fertige Pläne in der Schublade haben.
Mehr zum Thema