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Vor 100 Jahren geboren
Karl Partsch - Alpenindianer auf sanftem Kriegspfad

Als der "Alpenindianer" wurde Umweltaktivist Karl Partsch deutschlandweit bekannt. Früh kämpfte er gegen die Zerstörung der Bergwelt und warb unbeirrt für einen Tourismus, der Ökölogie und Ökonomie versöhnt. Heute vor 100 Jahren wurde er in Bochum geboren.

Von Irene Meichsner | 29.01.2022
Der Umwelt-Aktivist Karl Partsch 1991 in einer Talkshow (Zuschnitt)
Der Umwelt-Aktivist Karl Partsch 1991 in einer Talkshow (Zuschnitt) (imago images/Horst Galuschka)
„Es ist im Grunde genommen so, wie die Schweizer sagen, die nennen das Ganze nicht mehr Wald- und Baumsterben, sondern Grünsterben - und damit meinen sie, das ganze Ökosystem stirbt. Und für mich ist eigentlich auch kein Zweifel, dass wir es mit einem Absterben des Ökosystems zu tun kriegen.“

Es waren fast apokalyptische Bilder, die der Umweltaktivist Karl Partsch Mitte der 1980er-Jahre, auf dem Höhepunkt der Debatten über das sogenannte Waldsterben, heraufbeschwor:
.„Ich hab zum Beispiel jetzt beobachtet, dass Haseln auch Emissionsschäden zeigen, dass Birken Emissionsschäden zeigen, dass Erlen Emissionsschäden zeigen - und ich glaub`, dass es in Zukunft gar keine Gehölzart gibt, die auf die Dauer diese Schadstoffbelastung aus der Luft aushält!“ - warnte Partsch in einer Radiosendung.

Der Beiname "Alpenindianer" als Kompliment

Zeitweise war der Sohn eines Bergwerksdirektors, der am 29. Januar 1922 in Bochum geboren wurde, in den Medien allgegenwärtig. Er war schon äußerlich eine eindrucksvolle Erscheinung – mit seinen Bergstiefeln und Wollstrümpfen, der vor Patina glänzenden Lederbundhose, dem wettergegerbten Gesicht und den langen, silbergrauen Haaren, denen er seinen Spitznamen „Alpenindianer“ verdankte. Partsch verstand ihn als Kompliment. Mitte der Siebzigerjahre hatte er mitansehen müssen, wie in seiner Wahlheimat Ofterschwang im Oberallgäu, wo er als selbständiger Gartengestalter, Pflanzenzüchter und Fischereifachmann lebte, die Planierraupen anrollten - um mitten in einem Landschaftsschutzgebiet einem Golfplatz den Boden zu bereiten. Wenig später fiel die unberühte Natur auf dem nahe gelegenen Fellhorn einem Skilift zum Opfer:
„Eine Fläche ist 19 Hektar groß, die hat man mit Planierraupen einfach um- und umgedreht. Und hat die total verschandelt! Und da kann man doch nicht zuschauen! Sondern da muss man sagen: Jetzt muss man ran, jetzt muss man was tun, jetzt muss man dagegen angehen.“

Die Zerstörung der Bergwelt dokumentiert

Und Partsch legte los. Er nahm kein Blatt vor den Mund, kämpfte gegen überdimensionierte Skipisten und Beschneiungsanlagen im Alpenraum, gegen Straßenbauprojekte in Naturschutzgebieten, Luftverschmutzung und Bodenerosion. Partsch hielt Vorträge, organisierte Exkursionen und hielt die massiven Eingriffe in die Bergwelt in unzähligen Fotos fest. Treibende Kraft war seine eigene, tief empfundene Liebe zur Natur.

"Der sanfte Rebell"

„Solange wir mit Partsch nicht zu trauern vermögen über eine Trollblume, die einem Golfball weicht, über eine Enzianblüte, die ein Düngersack erschlägt, über ein Knabenkraut, das unter die Walze einer Wegebaumaschine gerät, solange ist für die Natur der Dreißigjährige Krieg, den man seit den Wirtschaftswunderjahren der Republik gegen sie führt, nicht zu Ende“,

schrieb Horst Stern, in vieler Hinsicht ein Gleichgesinnter, in seinem Vorwort zu einem 1988 veröffentlichten Buch über Karl Partsch, den „sanften Rebellen“, der die Hoffnung nicht aufgab, dass sich die Dinge doch noch zum Guten wenden könnten:
„Die Hoffnung ist ja auch das letzte, an das ich mich klammern werde, und werd` sagen: nur mit der Hoffnung werden wir die Chance haben, diese Erde wieder lebenswert zu erhalten im Sinne aller derer, die nach uns leben.“

Kompromiss zwischen Ökologie und Ökonomie?

Partsch, ein studierter Biologe, warb für einen „sanften Tourismus“ und einen vernünftigen Kompromiss zwischen Ökologie und Ökonomie:
„Wichtig ist, dass wir erkennen, dass wir in der Gefahr sind, unsere Lebensgrundlagen zu ruinieren und kaputt zu machen.“

Parteilos im EU-Parlament

1988 wurde Partsch als erster Deutscher in die Ehrenliste des Umweltprogramms der Vereinten Nationen aufgenommen. Ein Jahr später wurde er parteiloser Abgeordneter im EU-Parlament. Der Politik fehle es, so Partsch, an Sachverstand:
„Ich hab nie Verständnis dafür gehabt, wie man Fachministerien Leuten in die Hand geben konnte, die wirklich als Fachleute überhaupt nichts verstehen. Keine Ahnung haben! Also, das sind Dinge, die kann ich nicht packen.“
Mit einem neuartigen Pflanzkonzept versuchte Partsch, erodierte Berghänge abzusichern. Das Projekt kam über das Experimentierstadium allerdings nicht hinaus. Und in manchem hat sich Karl Partsch, der 2009 in Sonthofen starb, auch geirrt. Von einem flächendeckenden Wald- und Grünsterben spricht heute niemand mehr. Doch das mindert die Leistung des „Alpenindianers“ nicht. Menschen, die ihre Sache mit solcher Leidenschaft vertreten, haben heute Seltenheitswert.