Andreas Platthaus: "Lyonel Feininger. Porträt eines Lebens"

Künstlerisch genial, politisch naiv

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Buchcover "Lyonel Feininger. Porträt eines Lebens" von Andreas Platthaus
In seiner Feininger-Biografie zeigt Andreas Platthaus den genialen Künstler als politischen Naivling. © Deutschlandradio / Rowohlt Berlin
Von Eva Hepper · 09.06.2021
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Lyonel Feininger war Meister am Bauhaus und gehört zu den wichtigsten Malern der klassischen Moderne. Der gebürtige US-Amerikaner lebte ein halbes Jahrhundert in Deutschland. Eine neue Biografie zeigt ihn als unpolitischen Künstler in unruhigen Zeiten.
Karl Friedrich Feininger machte sich große Sorgen: Ob der Filius beruflich auf die schiefe Bahn geriet? Tatsächlich hatte der 16-jährige Lyonel in seiner Heimatstadt New York eine Banklehre begonnen, während seine Eltern – beide Profimusiker – auf Konzertreise waren.
In Berlin erreichte sie der Lobesbrief des ausbildenden Bankiers. Für Gelddinge, so hieß es dort, hätte der Junge ein Händchen. Der Vater zog sofort die Reißleine und beorderte den Sohn nach Deutschland. Musiker sollte er werden, nicht Spekulant!

Grandios recherchierte Feininger-Biografie

Ohne seine Eltern wäre Lyonel Feininger 1887 wohl nicht nach Deutschland gereist und unter Umständen wäre er auch nicht einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts geworden. Vielleicht war es sogar Trotz gegen die väterliche Willkür, die ihn schließlich zur Kunst und nicht zur Musik führte.
Das zumindest fragt sich Andreas Platthaus zu Beginn seiner grandios recherchierten Feininger-Biografie. Wie kein Autor zuvor hat sich der Journalist in Archive vergraben, um Briefe, Dokumente und auch Nachlässe von engen Weggefährten zu sichten.
Platthaus erzählt chronologisch die wichtigen Stationen dieser großen Künstlerkarriere: Lyonel Feiningers erste Erfolge als Karikaturist in Berlin, seine Hinwendung zur freien Kunst als über 30-Jähriger, die bedeutende Zeit als Lehrer am Bauhaus, den Höhepunkt der Karriere als Maler Anfang der 1930er-Jahre mit Ausstellungen in Essen und Berlin und schließlich die fast parallel durch die Nationalsozialisten erzwungene Rückkehr in die USA und das Fußfassen des über 60-Jährigen in der neuen, alten Heimat.

Als Künstler im Zwiespalt

Tatsächlich porträtiert Platthaus den unpolitischen Feininger, dem es einzig um seine Kunst ging, als Künstler im Zwiespalt. Immerhin erlebte der Maler, der ein halbes Jahrhundert in Deutschland lebte, Monarchie, Demokratie und Diktatur und war hin- und hergerissen zwischen Tradition und Moderne, Politik und Kunst und auch zwischen Europa und den USA.
Den Ersten Weltkrieg saß er in Berlin aus – mit deutschnationalen Sympathien – und den Nationalsozialisten begegnete er anfangs mit großer Naivität.
Es ist spannend, zu lesen, wie Feininger in Splendid Isolation an seiner geliebten Ostsee zwar die Vielzahl der Hakenkreuzflaggen beklagt, aber die aufziehende Gefahr nicht sieht. Damit allerdings stand er nicht allein, und tatsächlich ist es eine Stärke dieser Biografie, dass sie ein umfängliches gesellschaftliches Tableau zeichnet.
Dennoch staunt man, dass der Künstler erst 1937 das Land verließ – trotz längst erfolgter kulturpolitischer "Säuberungen", denen auch seine Werke zum Opfer fielen.

Mit leichter Hand erzählt

Platthaus erzählt mit leichter Hand und auch die Kunst Lyonel Feiningers kommt bei ihm nicht zu kurz. Erhellend ist zudem, dass wichtige Protagonisten in eigenen Kapiteln gewürdigt werden; etwa Galka Scheyer, die sich um die Vermittlung des Werks in den USA bemühte oder der Hallesche Museumsdirektor Alois Schardt, dem Feininger viel verdankte.
Ein Maßstäbe setzendes Buch zum 150. Geburtstag des großen Malers!

Andreas Platthaus: "Lyonel Feininger. Porträt eines Lebens"
Rowohlt Verlag, Berlin 2021
448 Seiten, 28,- Euro

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