Dienstag, 30. April 2024

Archiv

Lenny Kravitz
"In erster Linie ist es ein Gitarrenalbum"

"Man hört kaum noch Gitarren und das ganze Feeling, das mit ihnen einhergeht", sagte Lenny Kravitz im Deutschlandfunk. Um seine Liebe zu den sechs Saiten zu unterstreichen, verpasste der Musiker seinem neuen Album "Strut" einen besonders puristischen Ansatz. Bass, Schlagzeug, ein paar Bläser und im musikalischen Zentrum: die elektrische Klampfe.

Lenny Kravitz im Gespräch mit Marcel Anders | 13.09.2014
    Der Musiker Lenny Kravitz
    Kravitz: "Was diesen funky Rock betrifft, stehe ich allein auf weiter Flur." (picture alliance / dpa / Diego Azubel)
    Marcel Anders: Herr Kravitz, in den letzten Jahren sind Sie weniger durch Ihre Musik als durch Nebenrollen in Filmen wie "The Butler", "Precious" oder "Die Tribute von Panem" aufgefallen. Ist das nur ein Hobby oder streben Sie da eine ernsthafte zweite Karriere an?
    Lenny Kravitz: Es ist ein Spaß. Im Sinne von: Es ist eine andere Art, kreativ zu sein - und zwar ohne dass es dabei um Lenny Kravitz geht. Was ich liebe. Ich genieße das sehr. Und solange es Leute gibt, die mir Drehbücher schicken, mache ich auch weiter. Wenn alles klappt, werde ich schon Anfang nächsten Jahres den nächsten Film drehen – zwischen den beiden Teilen meiner Welttournee. Ich möchte das langsam wachsen lassen.
    Anders: Welche Art von Filmen oder Rollen schwebt Ihnen da vor? Sprich: Wo wollen Sie hin?
    Kravitz: Mir haben die bisherigen Sachen sehr gut gefallen. Aber jetzt suche ich gezielt nach Filmen mit Tiefe. Und ich bekomme auch immer mehr Angebote für Hauptrollen, was aufregend ist. Also genau so, wie ich es immer wollte. Denn ich hatte nie vor, nur deshalb vor der Kamera zu stehen, weil ich ein Rockstar bin. Ich wollte als Teil eines Teams arbeiten, mir Zeit lassen, dem Genre gebührenden Respekt erweisen und einfach gute Arbeit leisten. Auf diese Weise habe ich vier Filme gedreht. Jetzt ist es Zeit für den nächsten Schritt.
    Anders: Wenn Sie die Musik- und die Filmindustrie vergleichen – was ist derzeit befriedigender: Schauspielern oder Songs schreiben?
    "In meiner Jugend war ein Album zu kaufen noch eine echte Zeremonie"
    Kravitz: Na ja, ich mache Musik, weil ich sie liebe. Insofern habe ich keine Wahl. Selbst, wenn das Geschäft ein Albtraum ist. Also nicht zu vergleichen mit dem, was ich aus meinen Anfangstagen kenne. Denn durch die Technik und die Attitüde der Leute ist Musik zu dieser Sache geworden, die völlig beliebig und austauschbar ist. Ich meine, in meiner Jugend war ein Album zu kaufen noch eine echte Zeremonie. Du hast sehnsüchtig darauf gewartet und hast dich womöglich schon in der Nacht vor der Veröffentlichung angestellt, um es zu kaufen. Dann hast du es geöffnet, weil du einfach wissen wolltest, wie das Cover aufgemacht ist. Du hast die Liner Notes, die Fotos und die Angaben, wer was gespielt hat, regelrecht verschlungen. Anschließend bist du nach Hause, um es zu hören – und deine Freunde einzuladen. Nur: Das war halt vor 5.000 TV-Kanälen, Videospielen und Internet, was dafür sorgt, dass die Leute nicht mehr so Musik kaufen, wie sie das früher getan haben.
    Anders: Gibt Ihnen das als Musiker nicht manchmal das Gefühl, überflüssig zu sein?
    Kravitz: Nein. Aber es ist eine traurige Sache. Die Leute meinen wirklich: "Ach, diese Musiker sind so reich, die brauchen das Geld gar nicht. Also müssen wir auch nicht dafür bezahlen." Da kann ich nur sagen: McDonalds ist auch reich, aber trotzdem kriegst du da keinen Burger umsonst. Und da draußen sind so viele Jugendliche, die davon träumen, Platten zu machen und professionelle Musiker zu werden. Was unmöglich ist, wenn du nicht entsprechend bezahlt wirst. Ganz zu schweigen von den Leuten, die im Studio arbeiten – die sich um alles kümmern, die es sauber halten, die Tontechniker und Assistenten, die Gitarren- und Schlagzeugtechniker. Was auch immer. Es ist unglaublich schwer geworden, seinen Lebensunterhalt mit Musik zu bestreiten.
    Anders: Was Sie nicht daran hindert, mit "Strut" ein neues Album vorzulegen - das Sie angeblich während der Dreharbeiten zu "Die Tribute von Panem" geschrieben haben. Haben Sie sich am Set derart gelangweilt, oder hat sie das Ganze so inspiriert?
    Kravitz: Ich habe da viel geschrieben. Aber in erster Linie war ich dort, um den Film zu drehen, und ich hatte wirklich lange Arbeitstage. Ich bin morgens um fünf aufgewacht und war bis zum frühen Abend am Set. Anschließend bin ich nach Hause und habe all diese Musik in meinem Kopf gehört - die ich irgendwie auf Band bringen musste. Was bedeutet, dass ich fast zwei Wochen am Stück durchgemacht habe, um mich jede Nacht mit einem anderen Stück zu beschäftigen. Danach bin ich auf die Bahamas, um das alles zusammenzusetzen. Und dabei ist das entstanden, was es jetzt ist.
    Anders: Ein Album, auf dem es vor allem um schöne, starke Frauen geht?
    Kravitz: Irgendwie schon. Da ist wirklich einiges, was sich um Beziehungen dreht. Von Erwartungen zu tiefer romantischer Liebe, Lust, Sex, Bindungen, etc.
    Anders: Wobei die Texte zum Teil ziemlich explizit sind. In "Dirty White Boots" geht es zum Beispiel um Ihren Fetisch für weiße Lederstiefel. Warum turnt Sie das so an?
    Kravitz: Ich habe eine Schwäche für weiße Sachen, die ein bisschen abgeschabt und gebraucht aussehen. Eben eine Art dreckiges Weiß. Und weil es in dem Stück um Verführung geht, musste ich da einfach ein paar schmutzige, weiße Stiefel unterbringen.
    Anders: Und welche Art Frau sucht Lenny Kravitz – das Biest oder eher die Kriegerin, um zwei weitere Songs zu zitieren?
    Kravitz: Im Grunde beides davon. Wobei "She's A Beast" amerikanischer Slang ist, von dem ich mir nicht sicher bin, dass die Leute in Europa ihn auch wirklich verstehen. Denn wir beschreiben damit eine Frau, die einfach umwerfend ist – also mehr als nur schön. Da sagen wir: "Sie ist ein Biest, das man gar nicht meistern kann." Was rein umgangssprachlich ist. Also keineswegs frauenfeindlich oder dergleichen. Wer das glaubt, dem kann ich nur raten, sich den Song anzuhören: Er ist eine einzige Liebeserklärung.
    Anders: Wie "New York City" - eine Stadt, die ebenfalls weiblich ist?
    Kravitz: Für mich schon.
    Anders: Woran machen Sie das fest? Etwa, weil sie so viele Versuchungen bietet?
    Kravitz: Oh ja, sie hat etwas davon. Sie ist Hardcore. Und der Song ist eine Liebeserklärung an den Ort, an dem ich groß geworden bin, und der mir so viel vermittelt hat. So viel Aufregung, Vergnügen und auch Lektionen fürs Leben.
    Anders: In dem Sie inzwischen auch wieder wohnen – nach Jahren in Miami und Paris?
    Kravitz: Ich liebe alle diese Orte. Ich bewundere Paris, aber zu New York habe ich halt eine ganz besondere Beziehung. Denn ich wurde dort geboren, ich bin dort aufgewachsen, ich habe dort meine ersten Konzerte gesehen und das Leben kennen gelernt – mit meinen Eltern, die Künstler waren, und mich mit all diesen unglaublichen Leuten aus der Theater- und Musikszene bekannt gemacht haben. Das ist etwas, das ich nie vergessen werde.
    Anders: Und das unterlegen Sie mit einer Kombination aus Funk, Rock und Soul im Sinne der späten 70er. Ist das ein Sound, eine Fusion, die Sie in der heutigen Musik vermissen?
    "In erster Linie ist es ein Gitarrenalbum"
    Kravitz: Ich schätze schon. Denn da ist ja nichts mehr. Es gibt zwar noch Jack White und ein paar andere Kollegen, die toll sind, aber was diesen funky Rock betrifft, stehe ich allein auf weiter Flur. Man hört auch kaum noch Gitarren und das ganze Feeling, das mit ihnen einhergeht. Es ist alles ziemlich elektronisch und popig geworden. Also eine Menge synthetischer Sounds, mit denen einige Leute durchaus aufregende Sachen machen. Nur: Was ich an "Strut" liebe, ist dass es ein Gitarrenalbum ist. Es basiert auf Bass, Schlagzeug, ein paar Bläsern, einem Saxofon und Background-Vocals. Aber in erster Linie ist es ein Gitarrenalbum.
    E-Gitarren-Verstärker
    "Ich werde der Band ordentlich einheizen. Weshalb wir auch richtig hart rüberkommen werden." (Foto: Jan-Martin Altgeld)
    Anders: Sind Sie auf einer Mission - quasi um uns diesen Ansatz zurückzubringen?
    Kravitz: Ich habe an gar nichts gedacht als ich die Songs aufgenommen habe. Im Grunde haben sie sich von alleine geschrieben. Und sie sind so geworden, wie sie wollten. Als ich ins Studio ging, wusste ich nicht mal, dass ich ein Album mache. Ich hatte keine Ahnung, was ich da tue. Mein Job bestand lediglich darin, das festzuhalten, was mir zugeflogen ist. Aber ich hatte keine Vorgaben wie: "Okay, ich singe jetzt über dies oder das."
    Anders: Im November gehen Sie auf Tournee. Können Sie uns verraten, was für eine Art Show das wird? Proben sie schon?
    Kravitz: Nein, erst in ein paar Wochen. Von daher weiß ich noch nicht, was es wird. Aber es funktioniert ja immer irgendwie. Wobei ich natürlich weiterhin viel altes Material bringen werde. Aber eben auch eine Menge neuer Musik. Denn ich freue mich wahnsinnig darauf, dieses Album zu spielen. Einfach, weil es wie dafür geschaffen ist. Und ich werde der Band ordentlich einheizen. Weshalb wir auch richtig hart rüberkommen werden.
    Anders: Haben Sie eigentlich eine Erklärung dafür, warum Sie in Deutschland so beliebt sind?
    Kravitz: Ich weiß es nicht. Aber: Ich bin sehr dankbar dafür. Und das deutsche Publikum war immer gut zu mir. Zumal es eines der ersten Länder war, in denen ich aufgetreten bin. Mein Label hat mich damals nach Europa geschickt, weil es nicht wusste, wie es mich in Amerika vermarkten sollte. Also bin ich nach Frankreich, nach England, Holland und Deutschland. Das waren die vier Orte. Und auf diesem Trip habe ich auch in Hamburg gespielt. Keine Ahnung, wo das genau war, aber es war in einem Zelt. Und seit diesem Abend ist es immer wunderbar, zurückzukehren. Ich muss mich bei jedem einzelnen bedanken, der mir das ermöglicht. Nämlich hierher zu kommen und zu spielen.
    Anders: Können Sie sich vorstellen, irgendwann mal nach Hamburg oder auch Berlin zu ziehen?
    Kravitz: Aber sicher. Meine Tochter war erst vor ein paar Wochen in Berlin. Sie hat sich regelrecht in die Stadt verliebt, und überlegt sogar, dort zu leben. Es ist ja auch ein toller Ort. Ich erinnere mich noch, als ich das erste Mal dort war. Da waren einige Gegenden noch auf der anderen Seite der Mauer. Es ist wirklich irre, wie sich die Dinge verändern.
    Anders: Vielen Dank für das Gespräch.
    Kravitz: Ich danke ihnen – und schön, sie wieder zu sehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.