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Michael Schumacher
Ein Unfall wie kein anderer

Das Schicksal des ehemaligen Formel-1 Weltmeisters Michael Schumacher beschäftigt weltweit die Medien. Alles Auswüchse tabuloser Journalisten, meint Klaus Deuse.

Von Bettina Köster | 04.01.2014
    Michael Schumacher hat bei einem Skiunfall schwere Verletzungen erlitten.
    Michael Schumacher hat bei einem Skiunfall schwere Verletzungen erlitten. (dpa / pa / Azubel)
    "Guten Abend meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur Tagesschau. Rekordweltmeister Michael Schumacher befindet sich nach seinem schweren Skiunfall weiter in Lebensgefahr."
    Dass der folgenschwere Unfall eines deutschen Skifahrers in den französischen Alpen zur Hauptnachricht der Tagesschau avancierte, das darf man nach den Regeln des seriösen Journalismus, mit Verlaub, als außergewöhnlich bezeichnen. Auch wenn der Skifahrer Michael Schumacher heißt.
    Zumal sich der Unfall in einer keineswegs nachrichtenarmen Zeit ereignete. Außerdem, auch das sei angefügt, hat sich Michael Schumacher nie als ethisch-moralische Instanz für Deutschland in der Welt profiliert. Als Rennfahrer gab es für ihn nur ein Ziel: auf der Überholspur zu gewinnen.
    Zurück in die Schlagzeilen
    Entgegenhalten ließe sich allenfalls: Auch nach seinem Rückzug aus dem Formel-1-Zirkus blieb er eine Person des vermeintlich öffentlichen Lebens. Bei Fans des Motorsports genießt er bis heute geradezu Kult-Status. Also stand er, was immer er tat, ungefragt ab und an noch im Fokus der Medien, die von Auflage und Einschaltquote leben. Der der Kampf um sein Leben hat ihn nun zurück in die Schlagzeilen bis in die ZDF-Hauptnachrichten katapultiert.
    "Die Ärzte, die Michael Schumacher operiert haben, konnten heute jedenfalls nicht beruhigen. Sein Zustand sei kritisch, eine Prognose derzeit nicht möglich."
    In der öffentlich zelebrierten Betroffenheit mochte nicht einmal der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, im Namen der Kanzlerin zurückstehen.
    "Wir hoffen mit Michael Schumacher und seiner Familie, dass er diese Verletzungen überwinden und genesen kann."
    Medienauflauf in Kerpen
    Der ehemalige Rennfahrer ist schließlich kein X-beliebiger Verletzter, der wie andere Unbekannte im Koma liegt. Popularität lässt Politiker nicht unbewegt. Auch das gehört für die Beteiligten zum Mediengeschäft. Ebenso wie in Kerpen, der Heimatstadt von Michael Schumacher, wie die Heuschrecken einzufallen und Bürger willkürlich vor die Kamera zu zerren.
    "Die Stadt Kerpen bangt um ihren berühmtesten Sohn."
    "Ich versteh das gar nicht. Der hat doch zig Jahre Rennen gefahren."
    "Und jetzt macht er so 'nen Mist und fährt, ich weiß nicht wie schnell und das auch noch auf 'ner anderen Piste, ist auf den Felsen geklatscht. Das kann ich nicht nachvollziehen."
    Beunruhigende Dimension
    Von der Rentnerin bis zum Vorsitzenden des Fan-Klubs ist jeder willkommen, der nur eine Silbe sagt. Und fast jeder Sender geht auf die Suche nach einem interviewwilligen Neurochirurgen an irgendeiner Klinik, der, selbstverständlich ohne die Kenntnis der Fakten, etwas zu den Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas sagen soll. Ein um sich greifender Boulevardjournalismus stößt in beunruhigende Dimensionen vor. Ganz sicher belastet die Belagerung der Klinik in Grenoble durch die Berichterstatter die Familie. Doch der durch die allzeit präsenten Medien aufgebaute Druck geht längst viel weiter.
    "Das macht die Arbeit für die Ärzte jetzt auch so schwer. Denn alle Welt erwartet natürlich möglichst schnell irgendeine positive Nachricht."
    Der mediale Umgang mit dem Unfall von Michael Schumacher stimmt ausgesprochen nachdenklich.