Der Name „Rolf Dieter Brinkmann“ hat einen besonderen Klang. Ganz anders etwa als der Name „Born, Nicolas Born“, ein Zeitgenosse Brinkmanns, der nun ebenfalls wieder gewürdigt wird. Während man bei Born jedoch die hohe dichterische Qualität wieder entdeckt und ihm (in Gestalt seiner Tochter) posthum, lange Jahre nach seinem Tod, jene Preise verleiht, die man ihm zu Lebzeiten vorenthielt, geht es bei Brinkmanns neuem Ruhm nur nachrangig um Dichtung.
Bei Brinkmann flirrt etwas mit, man denkt an Aufstand, an permanente Revolte, so weitreichend, dass sie sogar die 68er-Rebellion noch übersteigert, eine Meta-Revolte. Mit Rolf Dieter Brinkmanns Texten und deren literarischer Bedeutung hat das wenig zu tun, auch mit seiner realen Biografie nicht viel. Von allen, die ihn noch persönlich kannten, wird Brinkmann – trotz gelegentlicher sanfter Anwallungen – als ein ziemliches Ekel beschrieben, bis hin zu einem sozialen Autismus, der in seinen legendenbehafteten Tagebüchern etwa im Wunsch gipfelt, die Leute von der Straße in LKW zu sperren und die Abgase einzuleiten.
Wer das nicht sieht und das verschweigt, betreibt ziemlich unverantwortliche Mythosbildung – eines Mythos nämlich, der ähnlich weit an der Realität vorbeigeht wie jener, der sich um die Gründergeneration der RAF rankt. Selbst die wissenschaftliche Rezeption, mittlerweile auf ein ungewöhnliches Maß angeschwollen, kann sich davon nicht freisprechen.
Häufig ist die Frage dabei weniger, was bedeutet Brinkmanns Werk objektiv mit aller literaturhistorischer Distanz, sondern was bedeutet er als Person, was bedeutet sein Werk seinen Interpreten und Apologeten, was lesen diese da hinein, welche eigenen Süchte und Sehnsüchte projizieren sie auf Brinkmann. Vor allem scheint das jener unbestimmte Geist der Rebellion zu sein, ein generalisierender Hass auf die Welt, dem der exzessiv ver- und aburteilende Kölner Autor eine treffliche Matrix bietet.
Einer wissenschaftlichen Bewertung Brinkmanns realem Stellenwert steht das natürlich im Wege. Jedoch, um das vorweg zu nehmen, der neue Sammelband „Brinkmann. Schnitte im Atemschutz“, zusammengestellt von Karl-Eckhard Carius dokumentiert beides: die reflexionslose Verherrlichung des Autors ebenso wie maßgebende, neue Bewertungsansätze seiner Person und seines Werks.
Das Buch ist sozusagen der ästhetische Vorlauf zum geplanten Brinkmann-Monument in Vechta. Grafisch ausgesprochen schön gestaltet von Carius, Design-Professor in Vechta, und seinen Studenten. Bildtafeln mit Brinkmann-Cut-ups sind zwischen die Essays der einzelnen Beiträger gestreut. Das ist gut so, weil deren Äußerungen sehr heterogen ausfallen: winzige Sympathiebekundungen von Peter Handke und Elfriede Jelinek finden sich da, aber auch ein höchst aufschlussreiches Schreiben Marcel Reich-Ranickis, den Brinkmann seinerzeit bei einer öffentlichen Veranstaltung „bedroht“ hatte (Originalzitat: „Wenn dieses Buch ein Maschinengewehr wäre, würde ich sie jetzt auf den Haufen schießen."). Reich-Ranicki versagt aus diesem Grunde seine Mitarbeit, gestattet aber den Abdruck seiner damaligen Rezensionen zu Brinkmanns frühen Prosabänden, welche bei aller Würdigung des Newcomers die manifesten Bruchstellen in Brinkmanns Werk bereits klarsichtig markieren.
Ein Highlight ist auch der lange Aufsatz von Dieter Wellershof, der – aus einer intimen Kenntnis Brinkmanns von den absoluten Anfängen her – in dieselbe Kerbe stößt wie Reich-Ranicki, Werk und Autor menschlich wie literarisch unvoreingenommen einordnet. Gerade die charakterliche Unsicherheit und überzogene Aggressivität des Autors müssen herausgestellt werden, um Brinkmann wieder menschlicher werden zu lassen – weniger überhöht, aber vielleicht etwas verständlicher in seinen faschistoiden Ausfällen.
Bereits zu Lebzeiten auf ein kreatürliches Maß zurückgestutzt hat ihn März-Verleger Jörg Schröder. Von ihm gibt es einen nüchternen Tatsachenbericht, der Brinkmann in seiner offensiven Unbeholfenheit anschaulich macht.
Neues und Spannendes bietet der Band über die Beziehung zwischen Rolf Dieter Brinkmann und dem Film (Michael Töteberg), weniger Interessantes über Brinkmanns Verhältnis zum Buddhismus (Kagel/Wallis). Eine Geschichte der Dichter-Denkmäler von Marc Wellmann bleibt in diesem Zusammenhang viel zu allgemein. Bazon Brock redet wie immer vornehmlich über sich selbst. Der Rest erschöpft sich in Hommage und Apotheose.
Dennoch: der Band hat einiges für sich, gerade in seiner inneren Unstimmigkeit: konzipiert als erstes Substrat einer geplanten Musealisierung, beweist er – durch die Widersprüchlichkeit seiner Beiträge – wie unpassend eine solche Ikonisierung im Falle Brinkmanns ist und wie sehr sie letztlich historisch scheitern muss.
Das Fazit: statt Denkmäler bedürfte es einer literaturhistorischen Analyse, die das Werk von den mythischen Ranken befreit. Dazu aber wäre die Einsicht in den Nachlass erforderlich, um aus dem konkreten Material heraus Distanz zu gewinnen.
Karl-Eckhard Carius (Hg.): Brinkmann. Schnitte im Atemschutz,
edition text + kritik, 190 Seiten, Preis: 34 Euro
Bei Brinkmann flirrt etwas mit, man denkt an Aufstand, an permanente Revolte, so weitreichend, dass sie sogar die 68er-Rebellion noch übersteigert, eine Meta-Revolte. Mit Rolf Dieter Brinkmanns Texten und deren literarischer Bedeutung hat das wenig zu tun, auch mit seiner realen Biografie nicht viel. Von allen, die ihn noch persönlich kannten, wird Brinkmann – trotz gelegentlicher sanfter Anwallungen – als ein ziemliches Ekel beschrieben, bis hin zu einem sozialen Autismus, der in seinen legendenbehafteten Tagebüchern etwa im Wunsch gipfelt, die Leute von der Straße in LKW zu sperren und die Abgase einzuleiten.
Wer das nicht sieht und das verschweigt, betreibt ziemlich unverantwortliche Mythosbildung – eines Mythos nämlich, der ähnlich weit an der Realität vorbeigeht wie jener, der sich um die Gründergeneration der RAF rankt. Selbst die wissenschaftliche Rezeption, mittlerweile auf ein ungewöhnliches Maß angeschwollen, kann sich davon nicht freisprechen.
Häufig ist die Frage dabei weniger, was bedeutet Brinkmanns Werk objektiv mit aller literaturhistorischer Distanz, sondern was bedeutet er als Person, was bedeutet sein Werk seinen Interpreten und Apologeten, was lesen diese da hinein, welche eigenen Süchte und Sehnsüchte projizieren sie auf Brinkmann. Vor allem scheint das jener unbestimmte Geist der Rebellion zu sein, ein generalisierender Hass auf die Welt, dem der exzessiv ver- und aburteilende Kölner Autor eine treffliche Matrix bietet.
Einer wissenschaftlichen Bewertung Brinkmanns realem Stellenwert steht das natürlich im Wege. Jedoch, um das vorweg zu nehmen, der neue Sammelband „Brinkmann. Schnitte im Atemschutz“, zusammengestellt von Karl-Eckhard Carius dokumentiert beides: die reflexionslose Verherrlichung des Autors ebenso wie maßgebende, neue Bewertungsansätze seiner Person und seines Werks.
Das Buch ist sozusagen der ästhetische Vorlauf zum geplanten Brinkmann-Monument in Vechta. Grafisch ausgesprochen schön gestaltet von Carius, Design-Professor in Vechta, und seinen Studenten. Bildtafeln mit Brinkmann-Cut-ups sind zwischen die Essays der einzelnen Beiträger gestreut. Das ist gut so, weil deren Äußerungen sehr heterogen ausfallen: winzige Sympathiebekundungen von Peter Handke und Elfriede Jelinek finden sich da, aber auch ein höchst aufschlussreiches Schreiben Marcel Reich-Ranickis, den Brinkmann seinerzeit bei einer öffentlichen Veranstaltung „bedroht“ hatte (Originalzitat: „Wenn dieses Buch ein Maschinengewehr wäre, würde ich sie jetzt auf den Haufen schießen."). Reich-Ranicki versagt aus diesem Grunde seine Mitarbeit, gestattet aber den Abdruck seiner damaligen Rezensionen zu Brinkmanns frühen Prosabänden, welche bei aller Würdigung des Newcomers die manifesten Bruchstellen in Brinkmanns Werk bereits klarsichtig markieren.
Ein Highlight ist auch der lange Aufsatz von Dieter Wellershof, der – aus einer intimen Kenntnis Brinkmanns von den absoluten Anfängen her – in dieselbe Kerbe stößt wie Reich-Ranicki, Werk und Autor menschlich wie literarisch unvoreingenommen einordnet. Gerade die charakterliche Unsicherheit und überzogene Aggressivität des Autors müssen herausgestellt werden, um Brinkmann wieder menschlicher werden zu lassen – weniger überhöht, aber vielleicht etwas verständlicher in seinen faschistoiden Ausfällen.
Bereits zu Lebzeiten auf ein kreatürliches Maß zurückgestutzt hat ihn März-Verleger Jörg Schröder. Von ihm gibt es einen nüchternen Tatsachenbericht, der Brinkmann in seiner offensiven Unbeholfenheit anschaulich macht.
Neues und Spannendes bietet der Band über die Beziehung zwischen Rolf Dieter Brinkmann und dem Film (Michael Töteberg), weniger Interessantes über Brinkmanns Verhältnis zum Buddhismus (Kagel/Wallis). Eine Geschichte der Dichter-Denkmäler von Marc Wellmann bleibt in diesem Zusammenhang viel zu allgemein. Bazon Brock redet wie immer vornehmlich über sich selbst. Der Rest erschöpft sich in Hommage und Apotheose.
Dennoch: der Band hat einiges für sich, gerade in seiner inneren Unstimmigkeit: konzipiert als erstes Substrat einer geplanten Musealisierung, beweist er – durch die Widersprüchlichkeit seiner Beiträge – wie unpassend eine solche Ikonisierung im Falle Brinkmanns ist und wie sehr sie letztlich historisch scheitern muss.
Das Fazit: statt Denkmäler bedürfte es einer literaturhistorischen Analyse, die das Werk von den mythischen Ranken befreit. Dazu aber wäre die Einsicht in den Nachlass erforderlich, um aus dem konkreten Material heraus Distanz zu gewinnen.
Karl-Eckhard Carius (Hg.): Brinkmann. Schnitte im Atemschutz,
edition text + kritik, 190 Seiten, Preis: 34 Euro