Hugh Aldersey-Williams: "Die Wellen des Lichts"

    Wiederentdeckung eines vergessenen Genies

    05:44 Minuten
    Buchcover "Die Wellen des Lichts" von Hugh Aldersey-Williams
    © Hanser Verlag

    Hugh Aldersey-Williams

    Sabine Reinhardus, Elsbeth Ranke

    Die Wellen des Lichts. Christiaan Huygens und die Erfindung der modernen NaturwissenschaftHanser Verlag, München 2021

    496 Seiten

    28,00 Euro

    Von Gerrit Stratmann · 24.11.2021
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    Er entdeckte die Ringe des Saturn und maß den Wert der Erdbeschleunigung: Zu Lebzeiten genoss der Naturforscher Christian Huygens großes Ansehen. Und er kann auch heute noch als Idealbild des Forschers gelten, wie Hugh Aldersey-Williams zeigt.
    Der Naturforscher Christiaan Huygens wurde 1629 in den Niederlanden in ein kriegerisches Jahrhundert hinein geboren. Seine hinterlassenen Schriften füllen eine 22-bändige Gesamtausgabe. Trotzdem ist sein Name heute nur noch wenigen ein Begriff.
    Der britische Chemiker und Wissenschaftsautor Hugh Aldersey-Williams ergründet in einer breit angelegten Lebensbeschreibung, warum man sich an ihn erinnern sollte.

    Umfassend gebildeter Mann

    Christiaan Huygens war ein umfassend gebildeter Mann, der aus einer Diplomatenfamilie stammte. Sein Vater war Sekretär zweier niederländischer Herrscher, sprach ein halbes Dutzend Sprachen, förderte Rembrandt, war mit Descartes bekannt und schuf für seine Kinder ein weltoffenes Umfeld.
    Hugh Aldersey-Williams schildert Christiaan Huygens in seinem etwas assoziativ angelegten Buch als einen der ersten Berufswissenschaftler, der nachvollziehbaren Experimenten mehr vertraute als idealisierten Vorstellungen über die Natur.
    Bereits zu Lebzeiten genoss er so großes Ansehen, dass er als Ausländer zum ersten informellen Direktor der neugegründeten Akademie der Wissenschaften in Paris berufen wurde. Im selbstverständlichen Austausch mit Kollegen aus halb Europa trat er für eine offene Wissenschaftskommunikation ein, frei von nationalem Dünkel.
    Überzeugend porträtiert Aldersey-Williams ihn als einen Typ Forscher, der heute noch als Idealbild gelten könnte.

    Wellentheorie über die Natur des Lichts

    Die wissenschaftlichen Leistungen von Christiaan Huygens würden dabei auch für zwei Forscherleben reichen. Er beschäftigte sich mit Astronomie, Optik, Mathematik, Musik und baute die genauesten Pendeluhren seiner Generation.
    Als Erster beschrieb er die seltsamen „Henkel“ an den Seiten des Saturn folgerichtig als Ring um den Planeten und entdeckte dessen ersten Mond mit einem selbst gebauten Teleskop. Er verfasste eine Einführung zur Wahrscheinlichkeitsrechnung, erklärte die Zentrifugalkraft und maß den Wert der Erdbeschleunigung. Und er entwickelte eine stimmige Wellentheorie über die Natur des Lichts.

    Stärke des Buchs liegt im detailgenauen Erzählen

    Hugh Aldersey-Williams zeichnet das Bild eines weithin geschätzten Mannes, dessen Nachruf unter dem aufgehenden Stern des 13 Jahre jüngeren Isaac Newton litt. Dessen Hauptwerk „Principia Mathematica“ überstrahlte ab 1688 zwei Jahrhunderte lang andere wissenschaftliche Verdienste, auch wenn z. B. seine „Korpuskeltheorie“ des Lichts weniger Erklärkraft besaß als die von Huygens.
    Die Stärke von Aldersey-Williams‘ Buch liegt weniger im szenischen als im detailgenauen Erzählen. Manchmal etwas sprunghaft, aber immer fundiert recherchiert öffnet sein Werk den Blick auf die wechselhafte Zeit zwischen Glaubenskriegen und der beginnenden Aufklärung. Seine Charakterisierung von Huygens als großer Europäer und vorurteilsfreier Denker taugt auch für unsere Tage noch als Vorbild.