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Lohndumping
Osteuropäische Bauarbeiter leiden unter Ausbeutung

Auf Baustellen im Rhein-Main-Gebiet werden Bauarbeiter aus Osteuropa teils von kriminellen Banden beschäftigt, die ihnen Löhne und Sozialleistungen vorenthalten. Behörden wie der Zoll sind mit Kontrollen oft personell überfordert. Doch es gibt Hilfe: bei einem Verein für Wanderarbeiter.

Von Ludger Fittkau | 04.03.2019
Eigentums- und Sozialwohnungen im Bau in Freiburg.
Manche Baufirmen beschäftigen osteuropäische Arbeiter schwarz, zumindest teilweise. Die Betroffenen bekommen dadurch unter anderem weniger Kranken- und Urlaubsgeld. (picture alliance / Winfried Rothermel)
Die beiden Männer wollen anonym bleiben. Ihr Alter ist nicht leicht zu schätzen. Ihre Gesichter sind tief zerfurcht, doch älter als 50 Jahre sind sie nicht. Harte körperliche Arbeit, die sind beide schon seit Langem gewöhnt. Das erzählen sie in ihrer Muttersprache – rumänisch. Michael Baumgarten vom Europäischen Verein für Wanderarbeiterfragen übersetzt:
"Sie arbeiten auf dem Bau als Maurer, Bautischler, Einschaler, Eisenbieger und er arbeitet noch als Kranfahrer."
Betrug bei Sozialleistungen wie Kranken- oder Urlaubsgeld
Mehr als das Doppelte als in ihrer Heimat verdienen die Rumänen auf den Baustellen im Rhein-Main-Gebiet. Dennoch werden sie von der Firma, die sie angestellt hat, betrogen. Denn diese Firma zahlt ihnen einen Teil ihres Lohnes schwarz aus und spart sich damit einen Teil der Sozialleistungen für die Rumänen. Es geht etwa um Rentenanteile, Kranken- oder Urlaubsgeld, das ihnen vorenthalten wird.
"Sie sind in einem System beschäftigt, das von Serben dominiert wird. Sie arbeiten in der Regel zehn Stunden pro Tag. Und sie sind in einem System der Schwarzarbeit, wo so 50 zu 50 herrscht. Das heißt, ein Teil des Lohnes wird offiziell bezahlt, auf das Konto, mit Lohnabrechnungen und ein Teil wird schwarz bezahlt. Und so kommen sie auf 55 Stunden pro Woche und verlieren Ansprüche auf Rente, verlieren Ansprüche auf Lohnfortzahlung und bekommen auch keinen Urlaub."
Gewerkschaften arbeiten international zusammen
Während Michael Baumgarten die Arbeiter auf Rumänisch berät, macht das sein Kollege Ivan Ivanow auf Bulgarisch. Der Europäische Verein für Wanderarbeiterfragen ist im Gebäude des DGB in der Wilhelm-Leuschner-Straße im Stadtzentrum von Frankfurt am Main untergebracht. Ivan Ivanow erklärt, dass man auch eng etwa mit rumänischen und bulgarischen Gewerkschaften zusammenarbeite, um die Arbeiter über ausbeuterischere Strukturen in Deutschland zu informieren:
"Unabhängig von der Art und Weise, wie die Menschen ausgebeutet werden: Viele dieser Baubetriebe, die Arbeitnehmer aus Osteuropa haben und nicht ordentlich bezahlen beziehungsweise nicht ordentlich anmelden, bei denen ist das so, dass die so schnell wie möglich großen Profit auf dem Rücken der Menschen schlagen wollen. (…) Es ist auch häufig so, dass die Menschen nicht den ihnen zustehenden Lohn bekommen. Entweder bekommen sie einen Teil des Lohns nicht bezahlt oder sie werden komplett gar nicht bezahlt."
Der für die Kontrollen zuständige Zoll sei aufgrund von Personalmangel oftmals nicht in der Lage, verdächtige Baustellen zu überprüfen, kritisiert Michael Baumgarten. Und dies, obwohl man sich hier auf Firmenseite zumindest im Grenzbereich zum Gangstertum bewege:
Im Grenzbereich zur Organisierten Kriminalität
"Man kennt so ein paar Größen im Geschäft, da kennt man die Namen. Da kennt man auch die Firmen, die mittlerweile auch zum Teil auch sehr groß geworden sind. Aber es tauchen dann auch immer wieder neue Firmen auf. Es gibt eine gewisse Überschneidung zur Organisierten Kriminalität, wo man auch wirklich merkt, dass Informationen ausgetauscht werden. Das man auf sich ändernde Rahmenbedingungen reagiert. Dass wenn jetzt zum Beispiel mehr Zollkontrollen sind, dann kommt es seltener vor, dass Leute wirklich zu 100 Prozent schwarzarbeiten. Sondern dann werden so Verträge geschlossen, wie wir hier schon gehört haben."
Dass nämlich zur Verschleierung ein Teil der Arbeit offiziell angemeldet wird, ein anderer nicht. Die Ausbeutung der Bauarbeiter endet auch nach der Arbeit nicht. Sie geht bei der Unterbringung weiter:
"Sie sind nicht zufrieden mit der Unterkunft. Sie zahlen 300 Euro für ein Bett in einem Vierbettzimmer und das sind sehr anstrengende Bedingungen."
Dennoch wollen die rumänischen Bauleute noch ein, zwei Jahre in Deutschland durchhalten. Dann, so hoffen sie, sind die Löhne in ihrem Heimatland vielleicht so gestiegen, dass sie zuhause bleiben können. Doch solange sie hier sind, wollen sie die gleichen Rechte wie alle anderen auf dem Bau. Nicht mehr und nicht weniger.