Dienstag, 30. April 2024

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Artenkenner auf der Roten Liste
Naturexperten vom Aussterben bedroht

Es gibt verschiedene Projekte um die Tier- und Pflanzenarten vor dem Aussterben zu retten. Allerdings wissen immer weniger Menschen, was in der Natur zwitschert, wächst oder herumläuft. Die Zahl der Artenkenner geht zurück. Welche Probleme dadurch entstehen, erklären Naturschützer.

Von Markus Kaiser | 13.07.2015
    Naturpark Eifel
    Heute beschäftigen sich Kinder mehr mit dem Smartphone oder dem Computer und gehen weniger nach draußen. (Imago / Westend61)
    Wilhelm Holzer: Was hast denn du gehört?
    Schüler 1: Den Buchfink!
    Wilhelm Holzer: Den Buchfink, gut, und?
    Schülerin 1: Ich hab die Amsel gehört!
    Wilhelm Holzer: Die Amsel!
    Die erste Klasse der Grundschule Eching bei München erkundet ein Naturschutzgebiet zusammen mit dem Hobby-Vogelkundler Wilhelm Holzer. Die Schüler versuchen, Vogelstimmen in den Bäumen des Waldes zu erkennen. Eine Fähigkeit, die heute bei Kindern nicht mehr selbstverständlich ist, sagt Wilhelm Holzer. "Früher war es so, dass die Eltern und vor allen Dingen auch die Großeltern für die Artenkenntnis auch zuständig waren. Bei mir war es mein Vater, der mich seit meinem dritten Lebensjahr zum Fischen mitgenommen hat und mir eben einfach dann die verschiedenen Vogelarten schon gezeigt hat und da ist eben das Interesse schon da gewesen."
    Kinder gehen weniger in die Natur
    Heute beschäftigen sich Kinder mehr mit dem Smartphone oder dem Computer und gehen weniger nach draußen. Das heißt aber nicht, dass sie kein Interesse an der Natur hätten. Die Faszination sei da, aber oft für eine Natur, die es hierzulande nicht gibt, sagt Martin Geilhufe vom Bund Naturschutz. "Nehmen wir mal Eisbären, Löwen, Wale, die durch gute Kampagnen in einer breiten Öffentlichkeit als bedroht wahrgenommen werden. Aber dass sozusagen jetzt direkt vor der Haustür eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt verloren geht, wird so nicht bemerkt."
    Durch ausgeräumte Landschaften ohne Hecken und Gräben und die intensive Landwirtschaft mit Pestiziden verschwinden immer mehr Arten, zum Beispiel die Feldlerche. Doch nicht nur Vögel, auch die Natur-Spezialisten sterben langsam aus. Eine Studie des BUND Naturschutz in Bayern prophezeit einen dramatischen Rückgang der Artenkenner in den nächsten zehn bis 20 Jahren. "Uns ist zunehmend bewusster geworden, dass wir das Problem des Nachwuchses jetzt angehen müssen, weil wir die aktuellen Kartierungsarbeiten oder das was wir in der Fläche ab decken müssen, das können wir gerade noch gut gewährleisten, weil wir eine sehr, sehr interessierte und hochmotivierte Generation der über 60-jährigen haben."
    Geocoaching, um weiter für die Tierwelt zu begeistern
    Qualifizierter Nachwuchs fehlt aber in Planungsbüros und bei Naturschutzbehörden - so die Studie des BUND Naturschutz von Kai Frobel und Helmut Schlumprecht. Darüber hinaus habe der Artenschutz an Universitäten Image-Probleme. Frobel und Schlumprecht befürchten, dass eine Gesellschaft ohne Experten, die Natur immer weniger wahrnimmt. Das hieße: weniger Betroffenheit bei Naturzerstörungen und somit weniger Rückhalt für den Naturschutz. Professor Volker Zahner von der Hochschule Weihenstephan in Freising ist sich jedoch sicher: Eine kaputte Umwelt fällt irgendwann auf den Menschen zurück.
    "Gerade die Vogelwelt, spielt eine ganz große Rolle, was unser Wohlbefinden angeht. Der Gesang im Frühling, das nehmen sehr viele Leute positiv wahr. Dort, wo wir wenig Rücksicht nehmen auf Natur, auch messbar in großen Studien, gibt es zum Beispiel mehr Kriminalität."
    "Zilpzalp! Zilpzalp! Zilpzalp!"
    Die Kinder in Eching üben den Ruf des Zilpzalps. Heute können sie sich noch für Vögel begeistern. In der Jugend lässt das Interesse meistens nach. Professor Zahner hat aber Ideen, wie man Jugendliche über elektronische Medien weiter für die Tierwelt zu begeistern könnte. "Über Geocaching, also eine Art Schnitzeljagd, um Vogelarten draußen zu finden zum Beispiel. Dass man auch mit Kameras in Nistkästen verfolgt, was da tatsächlich passiert. Dass man mit Bewegung, mit Gruppe mit elektronischen Medien ein Paket schnürt, das einfach spannend ist."