Appell für neuen Umgang mit Kolonialgeschichte

Die Neugestaltung der Gegenwart

14.02.2018, Hamburg: Drei Raubkunst-Bronzen aus dem Land Benin in Westafrika sind im Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) in einer Vitrine ausgestellt. Das MKG hat die Herkunftsgeschichte der drei Bronzen aus seiner Sammlung erforscht und präsentiert die Ergebnisse nun in einer Ausstellung.
Ulrike Lindner fordert einen intensiveren Umgang mit der "gemeinsamen mit der "gemeinsamen verflochtenen Geschichte der Kolonialisierenden und Kolonialisierten". © picture alliance / dpa / Daniel Bockwoldt
Ulrike Lindner im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 12.12.2018
Die Diskussion über die Rückgabe von kolonialem Raubgut setzt sich fort. In der „Zeit“ erscheint ein Appell, in dem Wissenschaftler einen „neuen Umgang mit der Kolonialgeschichte“ fordern. Mit-Initiatorin ist Ulrike Lindner geht noch weiter.
Seit Wochen ist eine hitzige Debatte um die Rückgabe von kolonialem Raubgut im Gange. Die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und der senegalesische Ökonom und Schriftsteller Felwine Sarr hatten mit ihrem Papier im Auftrag von Frankreichs Präsident Macron Ende November der Diskussion einen neuen Schub gegeben. Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp, einer der drei Gründungsdirektoren des Berliner Humboldt-Forums, hat im Deutschlandfunk Kultur seine Einwände formuliert und dafür heftigen Widerspruch bekommen, unter anderem von dem Kolonialismusforscher Jürgen Zimmerer.

"Europäische Kolonialherren haben sich unterstützt"

In dem Appell in der Wochenzeitung "Die Zeit" fordern nun die mehr als 80 Unterzeichner aus der ganzen Welt, die Debatte breiter zu führen. Ulrike Lindner, Professorin für die Geschichte Europas und des europäischen Kolonialismus an der Universität Köln, wünscht sich einen intensiveren Umgang mit der "gemeinsamen verflochtenen Geschichte der Kolonialisierenden und Kolonialisierten". Denn "die europäischen Kolonialherren haben sich untereinander unterstützt. Geraubt wurde Kulturgut zum Beispiel von Engländern, aber in alle europäischen Museen verteilt. Das ist ja nicht eine Sache, die nur ein Staat für ein Museum gemacht hat, sondern es waren oft größere Aktionen."
Historikerin Ulrike Lindner, Professorin für Europäische Geschichte und die Geschichte des Europäischen Kolonialismus an der Universität Köln, zu Gast bei Deutschlandradio Kultur.
Historikerin Ulrike Lindner hofft, dass Perspektiven eröffnet werden können für eine Neugestaltung der Gegenwart.© Deutschlandradio / Cornelia Sachse

Prozess mit "Restitution nicht beendet"

Aber die Forscher in den Herkunftsländern vermissten auch ihre "Akteursrolle" in der Diskussion, so Lindner: "Die Akteursrolle der Kolonisierten, die ja zum Teil auch mitgehandelt haben und bestimmte Positionen eingenommen haben." Deswegen sei es ihr so wichtig, darauf hinzuweisen, dass es mit der Restitution nicht beendet sei, sondern dass es eine "schon lang währende Diskussion gibt, die weitergeführt werden muss und die eine Chance hat: Perspektiven können eröffnet werden, auch für eine Neugestaltung der Gegenwart".

Wir brauchen "eine freiere Debatte"

Darüber hinaus gibt es bereits mehrere lokale Initiativen wie Hamburg Postkolonial oder Köln Postkolonial, die schon "sehr gute Arbeit geleistet" hätten und Unterstützung brauchten: "Was wir uns vorstellen, ist eine Art Stiftung, die in Berlin ansässig ist und die eben solche Dinge bündeln kann." Allerdings sei das Humboldt Forum kein geeigneter Partner. "Es hat schon sehr viel Kritik ausgelöst und wir bräuchten doch eine freiere Debatte und einen Ort der Forschung", meint Lindner.
Auch sei es wichtig, die Kolonialgeschichte in den Geschichtsunterricht aufzunehmen. "Es gibt eine sehr wirksame europäische Kolonialgeschichte, die auch auf die heutige Gegenwart stark wirkt, und dies wird sehr wenig in den Lehrplänen wahrgenommen." Vielleicht könne man das etwas stärker in den Vordergrund rücken, wünscht sich Ulrike Lindner.
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