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Schallschutz für den Schweinswal

Die Bundesregierung fördert massiv Windräder vor den Küsten. Doch die bringen neue Umweltprobleme mit sich. Eines der großen Probleme ist der Schallschutz in der Bauzeit: Die Rammschläge sind extrem laut und für Schweinswale sogar lebensgefährlich.

Von Axel Schröder | 26.08.2011
    Das Problem ist allen Beteiligten schon seit Jahren bekannt. Allen voran Christian Dahlke vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie. Er ist zuständig für die Genehmigung von Offshore-Parks in der deutschen See. Er weiß: Der Lärm, der beim Einrammen der Stahlrohre für Offshore-Windräder in den Meeresboden entsteht, ist lebensbedrohlich laut:

    "Ein Schweinswal, der gleich neben einer Rammstelle schwimmen würde – genauso übrigens wie ein Taucher, da muss man sehr vorsichtig sein! – der würde sofort sterben. Bei 750 Metern gehen wir noch von einer Hörschwellenverschiebung aus. Das heißt, der Schweinswal wäre eine Zeit lang eher betäubt und könnte nicht mehr kommunizieren."

    Bisher, so Dahlke, dürfen die Offshore-Pioniere den vom Umweltbundesamt festgelegten Grenzwert von 160 Dezibel noch überschreiten. Denn noch gibt es keine marktreifen Instrumente, die das Einhalten des Grenzwerts gewährleisten könnten. Die Ausnahmeregelung gilt aber nur, wenn sich die Offshore-Branche aktiv an der Erforschung von Unterwasser-Schallschutzmethoden beteiligt. Also haben sich die Firmen BARD, Dong Energy, EnBW, E-On, EWE, RWE, SWM und Vattenfall zusammengetan und das Projekt ESRa entwickelt. Die Abkürzung steht für "Evaluation von Systemen zur Rammschallminderung". Fünf verschiedene Schallschutzmethoden wurden dafür in der Ostsee erprobt.

    Drei Kilometer vor Travemünde ankert ein Schwerlast-Ponton, darauf steht ein mächtiger Kran und hievt den signalgelben Hydraulikhammer über den Testpfahl, ein Stahlrohr mit zwei Metern Durchmesser. Vier Millionen Euro kostet das ESRa-Projekt, gefördert wird es durch das Bundesumweltministerium. Fabian Wilke, Projektleiter von ESRa erklärt die Wucht des Hammers, die den Lärm auslöst:

    "Wenn der mit maximaler Energie arbeitet, dann entspricht das 30 Tonnen, also fünfzehn großen Autos, die sie aus einem Meter Höhe auf ein festes Hindernis fallen lassen. Das ist die Energie, die in diesem Hammer steckt."

    Und dabei, so Wilke, sei das ein eher kleines Gerät.

    Zweihundert Meter von Ponton und Ramme entfernt steht der Projektchef auf einem Schlepper. Die Energie aus dem Hammer setzt sich im Wasser fort und sorgt auch noch auf dem Schlepper für ein Kribbeln an den Fußsohlen. Obwohl gerade die letzte Schallschutz-Technik der Versuchsreihe im Einsatz ist: Rings um den Pfahl haben die Ingenieure den "Hydro-Sound-Damper" installiert: ein weitmaschiges Netz, das von der Wasseroberfläche bis auf den Meeresgrund reicht. Gleichmäßig verteilt sind tennisballgroße, mit Luft gefüllte Plastikbälle im Netz fixiert. Sie sollen den Rammschall abfangen:

    "Wenn die optimal auf die Frequenz des Schalls abgestimmt sind, dann reichen wirklich an wenigen Stellen im Netz diese Blasen. Das wird gebrochen und gestreut, fängt an zu schwingen und vernichtet dann einen Großteil."

    Das Prinzip dahinter ist schon lange bekannt: Bei Bombenfunden im Meer legt der Kampfmittelräumdienst vor der kontrollierten Sprengung einen perforierten Schlauch rings um die Stelle. Daraus sprudeln dann kleine Bläschen und dämpfen den Lärm unter Idealbedingungen um bis zu 60 Prozent. – Zwar werden diese Blasenschleier schon heute auch in der Nordsee eingesetzt. Aber anders als die Plastikbälle des Hydro-Sound Dampers werden die Bläschen dabei viel zu schnell von der Strömung verdriftet und die Schalldämpfung ist viel zu gering, um den 160 Dezibel-Grenzwert einzuhalten.

    Schaffen könnten das die im ESRa-Projekt getesteten Instrumente: tonnenschwere Hüllen für die Rammrohre, ausgekleidet mit Dämmstoffen. Doppelwandige Hüllen, in deren Inneren Bläschen aufsteigen oder eine flexible Hülle aus ringförmig montierten, mit luftgefüllten Feuerwehrschläuchen, die vom Grund bis an die Wasseroberfläche reichen. Fünf dieser Gerätschaften werden in der Ostsee getestet, der Unterwasserschall wird jedes Mal aufgezeichnet und mit ersten Ergebnissen rechnet Wilke Anfang nächsten Jahres. Bis eine optimale Lösung gefunden ist, behelfen sich die Bautrupps draußen auf See mit dem Blasenschleier und damit, dass sie die Schweinswale und Seehunde vor den Rammungen mit Unterwasser-Krach unterhalb der Schmerzgrenze vertreiben.