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Gasstreit Ukraine-Russland
Frostige Stimmung vor Verhandlungen

Keine guten Voraussetzungen für die neue Runde der Energieverhandlungen mit Russland und der Ukraine. Neue, gewalttätige Konfrontationen in der Ostukraine überschatten die Gespräche. EU-Energiekommissar Günter Oettinger stellt sich auf eine frostige Verhandlungsatmosphäre ein.

Von Stephan Detjen | 30.05.2014
    Porträt von Günther Oettinger
    EU-Energiekommissar Günther Oettinger erwartet frostige Verhandlungen im Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland. (dpa / Jens Büttner)
    "Nachdem gestern mit dem Hubschrauber, der abgeschossen wurde, mit diesen vielen Toten, eine weitere Eskalation eintrat, wird heute mit Sicherheit zunächst einmal die Stimmung und die Atmosphäre sehr, sehr feindselig sein", sagte Oettinger am Morgen im Deutschlandfunk. Am frühen Nachmittag soll der neue Vermittlungsversuch in der Berliner Vertretung der EU Kommission beginnen. Für 17 Uhr ist eine Pressekonferenz mit Oettinger und den Vertretern Russlands und der Ukraine angekündigt.
    Nach wie vor steht die Drohung Russlands im Raum, die Gaslieferungen an die Ukraine im Juni einzustellen. Anfang der Woche hatten sich beide Länder in der ersten Vermittlungsrunde unter Leitung des deutschen EU-Kommissars auf eine Teileinigung verständigt. Die Ukraine hat sich dabei verpflichtet, knapp 1.5 Milliarden Dollar für Gaslieferungen aus den vergangenen acht Monaten zu bezahlen. Eine erste Rate sollte gestern bei dem russischen Staatskonzern Gasprom eingegangen sein.
    Gaspreis nicht marktgerecht
    "Wer Gas bekommt, muss bezahlen. Umgekehrt ist der Preis von 485 Dollar für 1.000 Kubikmeter Gas unzumutbar. Er ist nicht marktgerecht, sondern er ist eindeutig von der Politik bestimmt",sagte Oettinger. 485 Dollar - das ist der Preis, den die Ukraine ab kommender Woche für 1.000 Kubikmeter russischer Erdgas zahlen soll, und zwar per Vorkasse. Nach Erhebungen der EU sind 350 bis 390 Dollar der Marktpreis, der von anderen europäischen Abnehmern gezahlt wird. Für Oettinger geht es im Augenblick vor allem darum, den Streitstoff einzugrenzen. Nicht alle Probleme zwischen Russland und der Ukraine könnten in der jetzigen Verhandlungsrunde gelöst werden, sagte Oettinger. Das gelte etwa für die Auseinandersetzung um die russische Annexion der Krim und die dort gelagerten Gasvorräte.
    Oettinger kein neutraler Ermittler
    Der EU-Kommissar macht derweil keinen Hehl daraus, dass er dabei kein gänzlich neutraler Vermittler ist. Europa ist von russischen Gaslieferungen abhängig - die Möglichkeiten, einen Lieferstopp aus Lagerbeständen auszugleichen, sind begrenzt: "Wir können jetzt unsere Speicher stärker füllen als wir es normal tun. Wir können vielleicht noch schneller einige Investitionen in Gasleitungen vornehmen, die gegenseitigen Hilfsmöglichkeiten der Mitgliedsstaaten verstärken. Aber klar ist: Kurzfristig sitzen wir am kürzeren Hebel."
    Noch mehr als Deutschland aber haben eine Reihe von östlichen EU-Mitgliedern ein Interesse an einem schnellen Verhandlungsergebnis in Berlin. Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier hatte am Mittwoch in Berlin von erheblicher Nervosität berichtet, die er bei Gesprächen in den baltischen Ländern, in Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei erspürt habe: "Bei vielen unserer östlichen EU-Nachbarn wird die politische Sorge mit Blick einerseits auf die Annexion der Krim, aber eben gepaart mit den wirtschaftlichen Abhängigkeiten von Russland; für viele in Osteuropa wird das zu einer höchstdramatischen Mischung."
    Druck auf die Ukraine
    Die Sorge, dass der Gasstreit zu zusätzlichen Eskalationen in dem osteuropäischen Konflikt führt, ist in Berlin dieser Tage unüberhörbar. Hinter den Kulissen wird deswegen vor allem auf die Ukraine Druck ausgeübt, sich auf die Kompromissvorschläge von EU Kommissar Oettinger einzulassen. Durch eine schnelle Überweisung der vereinbarten Zahlungen könnte zunächst vor allem Zeit gewonnen werden. Die Ukraine wird das mit entsprechenden Unterstützungsforderungen an die EU verbinden.