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Start des Medienschiedsgerichts
Lieber Schlichtung als Gericht

Streitigkeiten zwischen Medienhäusern dauern sehr lange, vor allem wenn sie vor Gericht ausgetragen werden. Ein Beispiel dafür ist der Streit um die "Tagesschau"-App. Genau hier will ab September das erste deutsche Medienschiedsgericht für Abhilfe sorgen - einige Medienhäuser nehmen daran bereits teil.

Von Jens Falkowski | 20.08.2016
    Neun Millionen Menschen nutzen die App der Tagesschau.
    Tagesschau-App: Hieran entzündete sich ein langer Streit. (imago stock & people)
    Bereits im vergangenen Jahr bekundeten die öffentlich-rechtlichen und privaten Sender die Notwendigkeit eines Medienschiedsgerichtes. Hintergrund war der langwierige Streit um eine neue Onlineplattform für die Zweitverwertung von öffentlich-rechtlichen Produktionen. Angesichts des Drucks durch internationale Plattformanbieter wie Netflix, war der Rechtsstreit eine Bedrohung für mögliche Angebote aus Deutschland. Das Schiedsgericht soll hier eine Lösung schaffen. Die Federführung hat dabei Fritz Jaeckel von der sächsischen Staatskanzlei übernommen.
    "Mein Ziel ist es eigentlich, etwas anzubieten, was in unserer komplexen Welt, zu einfacheren, schnelleren Entscheidungen führt. Ich glaube, dass dies genutzt wird, weil viele Interessen und viel Geld dahinter steht. Ich glaube, dass es auch im Interesse aller in Deutschland ist, auch der Bürgerinnen und Bürger, dass nicht Beitragsmittel der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für Rechtsprozesse verwendet wird. Das muss nicht sein."
    Allerdings müssen sich beide Parteien freiwillig auf die Anrufung des Schiedsgerichtes einigen. Dabei sieht Jens-Ole Schröder, juristischer Direktor des Mitteldeutschen Rundfunks, einen großen Bedarf aus Sicht der ARD-Anstalten.
    "Die juristischen Direktionen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten führen eine Fülle von Streitigkeiten. Natürlich versuchen auch wir, nie einen Streit um seiner selbst Willen zu führen, sondern ihm im Vorfeld zu vermeiden. Aber häufig gelingt das nicht. Und dann muss man gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Das kann in der Tat bei der heutigen Beanspruchung der Justiz sehr lange dauern."
    Lange Verfahren kosten viel Geld
    Dadurch entstehen nicht nur lange Verfahrensdauern, sondern es kostet die Sender auch viel Geld. Deshalb will sich Jens-Ole Schröder mit dem MDR an dem Schiedsgericht in Leipzig beteiligen.
    "Die Aussichten sind gut, dass es gelingen kann, mit einer Schiedsinstitution genau diese Funktion zu erfüllen. Nicht Streit langwierig vor den ordentlichen Gerichten auszutragen, sondern sich im Einzelfall immer zu einigen auf eine Streitbeilegung, Streitbeendigung, eine Schlichtung vor einem Schiedsgericht. Dann kann das Streitverfahren vermeiden helfen und wenn sie schon einmal entstehen müssen, beschleunigen helfen. Deswegen halte ich das für eine gute Idee."
    Rechtlich bindend ist der Schiedsspruch nur, wenn es beide Parteien vorher vertraglich festgelegt haben. Dafür bietet es die Möglichkeit, Streitfälle durch Experten ohne Öffentlichkeit schlichten zu lassen. Inwieweit die Urteile veröffentlicht werden, steht noch nicht fest.
    Für kleinere und mittlere Produktionsfirmen kommt das Schiedsgericht kaum infrage. Der Streitwert soll bei über 100.000 Euro liegen. Viele Produktionen in Mitteldeutschland erreichen diese Höhe nicht. Trotzdem sieht Joachim Günther von Filmverband Sachsen:
    "Dass das auch für Produzenten auf einer regionalen Ebene, wir haben durchaus einige die überregional und international agieren, von Interesse sein kann. Um dann eben auch auftretende Dissenzfragen schlicht schneller und günstiger zu klären."
    Auch Chancen für den Medienstandort Leipzig
    Der Filmverband beteiligt sich derzeit nicht an dem Projekt. Doch Joachim Günther sieht neben der reinen Rechtsprechung vor allem auch neue Chancen für den Medienstandort Leipzig:
    "Ich finde das für Leipzig eine sehr positive Entwicklung, weil ich als Vorstand des Filmverbandes selbstverständlich auch ich auch alles gut finde, was tatsächlich den Medien und den Filmproduktionsstandort Sachsen und Leipzig stärkt. Ich erwarte, dass das Schiedsgericht, wenn es hier in Leipzig seine Arbeit aufnimmt, dazu beitragen wird."
    Für Joachim Günther passt das Medienschiedsgericht gut in die juristische Tradition in Leipzig. Hier ist auch das Bundesverwaltungsgericht ansässig. Ende August soll der Trägerverein des Schiedsgerichtes gegründet werden. Dabei konnte Fritz Jaeckel von der sächsischen Staatskanzlei bereits große Verbände und Medienhäuser einwerben.
    "Es ist mittlerweile gelungen, acht Verbände aus der deutschen Medienszene zu gewinnen, auch übrigens öffentlich-rechtliche Träger, beispielhaft das ZDF, ARD-Anstalten, Verwertungsgesellschaften, Produzentenallianzen, den Verband der privaten Rundfunk und Fernsehtreibenden, zu gewinnen als Vereinsmitglieder mitzuwirken und diesen Verein als Träger dieses Schiedsgerichts zu etablieren."
    Zum 1. September soll das Schiedsgericht seine Arbeit aufnehmen. Für die Verhandlungen werden dann rund 20 Richter aus dem gesamten Bundesgebiet ernannt. Alle sind ausgewiesene Medienexperten und haben die Befähigung zum Richteramt.
    Einen ersten Fall gibt es dabei noch nicht, denn bisher existiert weder das Schiedsgericht noch der Trägerverein. Wie groß die tatsächliche Nachfrage nach dem Medienschiedsgericht ist, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen.