Pop-up-Buchmesse in Leipzig

Literatur zwischen Pandemie und Krieg

07:00 Minuten
Publikum bei der Pop-Up-Buchmesse in Leipzig an Tischen mit Büchern.
"Improvisationstalent und Trotz": Publikum beim Buchmesse-Pop-up in Leipzig. © picture alliance / dpa-Zentralbild / Jan Woitas
Von Alexander Moritz · 20.03.2022
Audio herunterladen
Zum dritten Mal in Folge musste die Leipziger Buchmesse coronabedngt ausfallen. Mittlere und kleine Verlage haben stattdessen eine Pop-up-Messe organisiert. Und auch hier war die Invasion der Ukraine omnipräsent.
Bei der Pop-up-Buchmesse in einer ehemaligen Fabrikhalle in Leipzig hatten rund 60 Verlage ihr Sortiment aufgebaut – viel weniger als gewöhnlich, aber immerhin. Zumeist waren es kleinere Verlage, doch auch sehr bekannte Namen wie Matthes & Seitz, Hanser und Suhrkamp waren darunter. Daneben gab es über 300 Lesungen und Veranstaltungen in Kulturorten überall in der Stadt.
Ein Besucher beklagt im Gespräch den Ausfall der regulären Messe, freut sich aber über die "kunterbunte, schöne Mischung" in der Halle. Auch Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, zieht ein Resümee.

Es gibt viel Buchmenschen-Wiedersehensfreude und ganz viel Buchbegeisterung in der Stadt. Und es gibt dieses Improvisationstalent: Leipzig liest trotzdem! Es gibt Trotz in einer positiven Form.

Karin Schmidt-Friderichs, Börsenverein des Deutschen Buchhandels

Von Normalität aber war Leipzig auch in anderem Sinne weit entfernt. Wie sollte es anders sein in Woche vier des russischen Angriffskrieges. Kiew ist die Partnerstadt von Leipzig. In einer der Messehallen sind statt Bücherständen nun Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht.

Die Ohnmacht der Literatur

Die Frage was Bücher ausrichten können, wenn einige tausend Kilometer entfernt militärische Fakten geschaffen werden, ist Teil einer Diskussion des Schriftstellerverbands PEN. Die Antwort des russischen Autors Michail Schischkin lautet: "Die Literatur hat versagt. Die Literatur versagt immer, wenn ein Krieg beginnt."
Verzweiflung und Ohnmacht prägten die Gesprächsrunde. Auch Wut darüber, dass Deutschland die Aggressivität russischer Politik jahrelang ignoriert hat. "Ich kann erst dann schreiben, wenn wir diesen Krieg gewonnen haben und Russland und Weißrussland von diesen Diktatoren befreit haben. Ich glaube fest daran", sagt die ukrainische Schriftstellerin Marjana Gaponenko.

Forderung nach Waffenlieferungen

Sie ist überzeugt, dass gut gemeinte Solidarität nicht ausreicht und fordert ebenfalls Waffen von den Unterstützern ein.

Das klingt brutal, Waffen! Aber ich habe den Eindruck, viele Menschen ergötzen sich an ihrem Menschsein, an dieser Geste. Aber Putin interessiert das nicht. Dem ist das völlig wurscht. Ich fürchte, der würde Lemberg oder die Ukraine in Schutt und Asche legen. Kultur ist diesem Menschen egal.

Marjana Gaponenko, ukrainische Schriftstellerin

In Leipzig dagegen wurde die Kultur gefeiert, dem Krieg zum Trotz. Schwerpunktlesungen gab es unter anderem zu Literatur aus dem Gastland Portugal und dem Balkan. Der Lyriker Daniel Bayerstorfer freut sich darüber, dass es auch wieder Verlagspartys gibt.
"Die Leipziger Buchmesse war für uns immer der Szenetreff. Es wäre wirklich eine absolute Tragödie, wenn es das nicht mehr gäbe. Und deswegen bin ich so unfassbar glücklich, hier zu sein. Und ich denke, das ist von jedem von uns, der hier ist, ein Statement, dass wir das die nächsten Jahre auch haben wollen."

Kritik am Rückzug großer Verlage

Nach der dritten Absage in Folge sahen manche schon das Ende der Leipziger Messe gekommen. Auch gibt es Befürchtungen, dass sich die großen Verlagshäuser dauerhaft aus Leipzig zurückziehen. Die Pop-up-Messe könnte ein Impulsgeber sein, um die Messe weiterzuentwickeln, sagt Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig, der auch seinem Ärger Luft macht.

Ich bin sauer auf die großen Verlage, weil sie es sich meiner Meinung nach zu einfach gemacht haben. Ich erwarte, dass die Verlage alles dafür tun, dass die Messe stattfinden kann.

Martin Dulig (SPD), sächsischer Wirtschaftsminister

Dafür hat Kulturstaatsministerin Claudia Roth Unterstützung signalisiert. Der Leiter der Leipziger Messe, Oliver Zille, ist optimistisch: "Jetzt ist Krieg in Europa. Die Buchmesse wäre dringend gebraucht, hier die entsprechenden Debatten zu führen. Das fehlt. Und das kann auch jetzt so eine sympathische Kleinveranstaltung nicht versetzen. Und deswegen glaube ich, dass wir Partner und Möglichkeiten finden, diese Buchmesse auch wieder ins Werk zu setzen im nächsten Jahr."
Mehr zum Thema