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Debatte über Sozialstaatsreformen
Linke will SPD an ihren Taten messen

Mit ihrem Konzept für eine Sozialstaatsreform will die SPD ihr soziales Profil schärfen - und könnte der Linken einige Butter vom Brot nehmen. Linken-Parteichef Bernd Riexinger reagiert gelassen: Vieles sei zu zaghaft. Mittelfristig allerdings könnten sich neue Spielräume für ein Mitte-Links-Bündnis auftun.

Von Mathias von Lieben | 13.02.2019
    Bernd Riexinger, Parteivorsitzender der Partei Die Linke, während einer Pressekonferenz in Berlin.
    Bernd Riexinger reagiert auf SPD-Sozialstaatsreformen mit Kritik: Die Hartz IV-Sätze würden nicht angehoben – und die Sanktionen nur teilweise abgeschafft werden. (imago/photothek/Janine Schmitz)
    Jahrelang war es fester Bestandteil der Wahlkampfrhetorik der Linkspartei, den Sozialdemokraten die Agenda-Reformen von Ex-Kanzler Gerhard Schröder um die Ohren zu hauen. Keine Überraschung, ist die Linke doch erst durch die Kritik an Hartz IV in der Wählergunst deutlich gestiegen. Schärft die SPD nun ihr soziales Profil, beobachtet das die Linke ganz genau – denn so wird der Platz im linken Lager immer enger. Hält nun die Angst vor der neuen, linken SPD Einzug in der Partei?
    "Für die Linke eine ausgesprochen positive Debatte"
    Ich hatte noch nie Angst vor der SPD. Insofern stört mich das nicht, im Gegenteil. Ich freue mich, wenn die SPD jetzt zu dem selben Ergebnis kommt", sagt André Hahn, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken. Auch andere Parteimitglieder reagieren betont gelassen. Die Butter vom Brot nehmen lasse man sich mit der sozialpolitischen Offensive der Sozialdemokraten ganz bestimmt nicht, so der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch:
    "Ich sehe diese Gefahr überhaupt nicht, weil mit diesen Vorschlägen Butter auf unser Brot kommt. Wenn das soziale Thema ist, werden andere Parteien eher darunter leiden. Ich begrüße das ausdrücklich und für die Linke ist das eine ausgesprochen positive Debatte."
    In die richtige Richtung unterwegs sieht die Sozialdemokraten auch Linken-Parteichef Bernd Riexinger. Zum Beispiel bei der Forderung nach einem Mindestlohn von zwölf Euro, der Einführung einer Kindergrundgrundsicherung, einer Erweiterung der Tarifverträge - oder bei der Grundrente. Doch er sagt auch:
    "Natürlich kritisieren wir, dass es nicht weit genug geht. Die Erwartung wäre aber auch vielleicht etwas zu hoch gegriffen, dass sie alles von uns abschreiben."
    Vieles sei noch zu zaghaft. Und hier werden die Unterschiede zwischen dem SPD-Programm und dem der Linken dann deutlich: Riexinger kritisiert, dass die Hartz IV-Sätze nicht angehoben – und die Sanktionen nur teilweise abgeschafft werden sollen. Außerdem hätte er sich allgemein verbindliche Tarifverträge gewünscht – und dass ein Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit auch für kleinere Betriebe gelte.
    Wir wollen die SPD jetzt an ihren Taten messen, hießt es daher bei der Linken geschlossen. Und da sei man doch sehr skeptisch, ob die Reformvorschläge in einer Koalition mit der Union auch wirklich umgesetzt werden können, sagt auch die CO-Parteivorsitzende und zugleich sozialpolitische Sprecherin der Linken, Katja Kipping:
    "Die positiven Sachen, die in dem Papier stehen: Davon wird die Union nichts aber auch gar nichts an der Seite der Union durchsetzen. Und davon wird sich auch nichts durchsetzen, wenn sie nicht bereit ist, Konzerne wirklich stärker zur Kasse zu bitten. Was wir also jetzt brauchen, ist, dass wir gemeinsam für andere Mehrheiten streiten."
    Neue Spielräume für Die Linke?
    Denn was auch klar ist: Machttaktisch könnten sich für die Linke zukünftig wieder neue Spielräume für mögliche Mitte-Links-Bündnisse ergeben. Das weiß auch Bernd Riexinger:
    "Und wenn man feststellt: Es geht nicht mit der CDU, und es wird mit der CDU nicht gehen, dann muss man diese Koalition verlassen und eigene Mehrheiten vorschlagen. Wir laden die SPD dazu ein, mit uns die Frage der Reform des Sozialstaats zu diskutieren."
    Gespannt wird die Linke in den nächsten Wochen und Monaten verfolgen, wie belastbar die Große Koalition ist in Zeiten, in denen Union und SPD programmatisch wieder vermehrt ihren Markenkern betonen wollen – und wie sehr darunter die Regierungsarbeit leiden wird. Was dann passieren wird?
    "Vielleicht gibt es ja dann auch wieder eine Option auf R2G", fabuliert Anke-Domscheit-Berg, netzpolitische Sprecherin der Linken - und bringt damit eine rot-rot-grüne Koalition auf Bundesebene ins Spiel.