Nur in einem Punkt ist "Tod den Ärtzten" tatsächlich ein literarisches Dokument: Dieses Genre wird heute nicht mehr geschrieben. Man denkt sofort an Alexander Kluge, ein bißchen auch an den "Werkkreis Literatur der Arbeitswelt", an die Realismusforderungen der späten Sechziger. Wahrscheinlich wäre ein ähnlicher Text mit aktuellen Zitaten wesentlich stumpfer als dieses dreißig Jahre alte Pamphlet. Die Choreographie der Worte tritt ungleich schärfer ins Bewußtsein, wenn sich die Worte ein wenig vom Alltagsgebrauch entfernt haben. "Tod den Ärtzten" ist von der Zeitsatire zum literarischen Kunstwerk geworden, ohne an Biß einzubüßen. So mancher Autor mag sich eine solche Rezeptionsgeschichte erträumen.
Tod den Ärtzten
An manchen Tageszeiten empfiehlt sich das Einschalten des heimischen Fernsehgerätes für Menschen mit hypochondrischen Neigungen nicht. Vorzugsweise zwischen Abendessen und Schlafengehen kann der potentielle Kranke - jeder Gesunde ist ein solcher - aus einem reichhaltigen Angebot an tödlichen Krankheiten, Unfällen und Schicksalsschlägen auswählen und sich davon in schlechte Träume wiegen lassen. Arztserien gehen immer - eine der wenigen Gewißheiten einer ansonsten unkalkulierbaren Branche. Aber warum, fragt man sich, glauben die Leute, in breiter Mehrheit Atheisten, jeder huldvollen Geste eines Arztdarstellers mehr als einem echten Geistlichen? Daß ein Arzt, vorzugsweise in Krankenhäusern, notorisch übermüdet, schlecht gelaunt und in einer harschen Hierarchie weitgehend entmündigt ist, sieht man in diesen Serien nie. Als direkte Erben der Heftromane transportieren sie ein Mediziner-Image, das von keinerlei kritischem Blick getrübt wird. Allerdings sind Heftromane etwas Peinliches, das man tunlichst meidet, während Fernsehen ubiquitär ist; die Arztserien haben das Peinliche gewöhnlich gemacht, das ist ihr fataler Erfolg. Höchste Zeit also für eine Demontage falscher Götter oder zumindest der Inszenierung falscher Göttlichkeit. "Nicht Neues!" wendet der belesene Literaturfreund ein; zu allen Zeiten haben Ärzte auch im Fokus kritischer Literatur gestandenn. Nein - nichts Neues ist zu verkünden, sondern nur etwas Wiederaufgetauchtes. Das hat indes dreißig Jahre Lagerung bestens überstanden und wirkt, als sei es eine Antwort auf die Fernse-härzteschwemme.
Nur in einem Punkt ist "Tod den Ärtzten" tatsächlich ein literarisches Dokument: Dieses Genre wird heute nicht mehr geschrieben. Man denkt sofort an Alexander Kluge, ein bißchen auch an den "Werkkreis Literatur der Arbeitswelt", an die Realismusforderungen der späten Sechziger. Wahrscheinlich wäre ein ähnlicher Text mit aktuellen Zitaten wesentlich stumpfer als dieses dreißig Jahre alte Pamphlet. Die Choreographie der Worte tritt ungleich schärfer ins Bewußtsein, wenn sich die Worte ein wenig vom Alltagsgebrauch entfernt haben. "Tod den Ärtzten" ist von der Zeitsatire zum literarischen Kunstwerk geworden, ohne an Biß einzubüßen. So mancher Autor mag sich eine solche Rezeptionsgeschichte erträumen.