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Berlin nach dem Anschlag
Zwischen Wut und Ohnmacht

Viele Berlinerinnen und Berliner haben am Breitscheidplatz der Anschlagsopfer gedacht und Blumen und Kerzen dort abgelegt. Zum Teil entsponnen sich auch hitzige Diskussionen zwischen den Besuchern über die politischen Konsequenzen des Attentats.

Von Paul Vorreiter | 21.12.2016
    Ein Mann hockt vor einer erleuchteten Fläche aus Kerzen und Blumen am Breitscheidplatz
    Gedenken für die Anschlagopfer am Breitscheidplatz in Berlin am Abend nach der Tat. (imago stock&people)
    Einige Meter unter der Oberfläche scheint in Berlin alles seinen gewohnten Lauf zu nehmen. Die Menschen steigen in die U-Bahn ein und aus, spielen während der Fahrt auf ihren Smartphones herum, gehen dem Alltag nach.
    Nichts vom Alltag spürt man dagegen oberirdisch, auf dem Breitscheidplatz in Berlin, dem Unglücksort, an dem ein Lastwagen in eine Menschenmenge gerast ist.
    Einige dutzend Meter von der Stelle, an der der Sattelzug zum Stehen gekommen ist, legen Menschen Kerzen nieder.
    "Wenn ich die schönen Blumen und Kerzen sehe, dann könnte ich schon beinahe weinen. Da drüben habe ich auch eine Kerze abgestellt, deswegen bin ich auch hergekommen."
    Monika Heide weiß nicht so recht, wie sie mit dem Unglück umgehen soll.
    "Da drüben, ja, da standen auch sehr viele Leute, keiner hat gesprochen, alle standen richtig ergriffen da und haben auf die Blumen und auf die Kerzen geguckt und die Schilder, das ist ja rührend, was die Leute schreiben, also sehr schön fand ich 'Give peace a chance'."
    Streit über politische Konsequenzen
    Die Charlottenburgerin wohnt nur einen Kilometer von der Gedächtniskirche entfernt. Während die einen so wie sie still an die Opfer denken und das was hier passiert ist, streiten sich andere über die politischen Konsequenzen:
    "Ich bin sehr emotional im Moment, weil - diese Ungerechtigkeit. Man will hier den Bürgerkrieg. Ich kann mich nicht äußern richtig, entschuldigen Sie, er hat mich gefragt, was hier abgeht."
    "Die deutsche Bevölkerung unterhält sich über ihre verschiedenen Ansichten zu diesem Problem."
    "Hier war eine der Willkommenskultur, die uns hier nervt. Also ich hoffe der nächste Geisterfahrer fährt mal in das Bundeskanzleramt rein, das fände ich viel besser."
    "Also was erzählen Sie da für eine Kacke? Kriegen Sie das überhaupt mit ? Können Sie sich selber zuhören?"
    "Merken sie meinen Ärger nicht?"
    "Deswegen muss man jetzt selber propagieren andere Leute umzubringen, wenn andere umgebracht wurden."
    "Merkel will alle Grenzen offen haben, dann sage ich, ok, dann soll Sie den Besuch bekommen. ich möchte Grenzen haben und Kontrollen - und wenn man im Bundeskanzleramt schön geschützt ist mit Bodyguards, Personenschutz und Mauern und Zäunen, da lässt sich gut reden."
    "Es war absehbar"
    Etwa zehn Meter weiter steht ein mittelalter Mann mit grauer Jacke, die Hände in den Hosentaschen: Dieter Biermann. Er nimmt an dieser Debatte nicht teil.
    "Die ganze Szene hier ist natürlich schon bedrückend, muss man sagen. Mehr als traurig bin ich eigentlich wütend, dass es überhaupt so weit gekommen ist, weil es war absehbar gewesen, jeder hat damit gerechnet, irgendwann erwischt es Deutschland."
    Wenig zuversichtlich hört sich Dieter Biermann an, ohnmächtig fühlt er sich. Er schaut auf die Gedächtniskirche und denkt über das nach, was gestern passiert ist:
    "Mein Sohn hat da hinten 'nen Stand am anderen Ende vom Markt gehabt und war schon ziemlich in Sorge, als der dann anrief und dann geschildert hat, was passiert ist, konnte das auch nur aus der Ferne sehen, ist zuerst von 'nem Unfall ausgegangen. Eer sagte, da ist ein LKW reingerauscht und als ich den am Telefon gehört habe, habe ich sofort gesagt, er soll den Laden dicht machen und sofort zurückkommen, weil wer weiß, was da noch passiert."