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Algenblüte an der schwedischen Küste

Vor unnötiger Panik hat der WWF Deutschland gestern gewarnt im Zusammenhang mit den Algen-Meldungen, die nun wieder - wie jedes Jahr im Hochsommer- über den Nachrichtenticker laufen. Zwar seien die gesundheitlichen Auswirkungen giftiger Algenblüten nicht zu unterschätzen, jedoch sei es falsch, jeden Krankheitsfall der Badelustigen Urlauber voreilig auf die Algen zurückführen.

Von Alexander Budde | 28.07.2005
    Allerdings schaden Algenblüten der Meeresumwelt. So können giftige Blaualgen zum Beispiel ein Massenstreben von Fischen auslösen. Für die badehungrigen Ostsee-Urlauber gab der WWF gestern Entwarnung. Der Algenteppich habe sich weitgehend aufgelöst dank Wind und Regen. Doch in Schweden stöhnen die Urlauber noch immer. Und die schwedische Grünen-Vorsitzende Maria Wetterstrand klagte neulich: "Die Ostsee ist klinisch tot".

    Unterwegs in der Inselwelt der Stockholmer Schären: Vor der Küste von Sandhamn macht die Meeresbiologin Lena Kautsky eine unangenehme Entdeckung. Auf den dunklen Wassern der Ostsee treibt eine braungrüne Suppe übelriechender Algen. Was da so blüht sind winzige Organismen, so genannte Cyanobakterien, im Volksmund schlicht Blaualgen genannt. Durch den hohen Phosphatgehalt im Wasser und das relativ windstille Wetter können die Einzeller wunderbar gedeihen. Eine so ausgedehnte Algenblüte hat Lena Kautsky noch nie gesehen. Die grellen Schlagzeilen der letzten Wochen hält die Biologin allerdings für maßlos übertrieben:

    "Da ist wieder einmal von gefährlichen "Giftalgen" die Rede. Angeblich regt sich im Wasser überhaupt kein Leben mehr. Dabei ist die Ostsee schlicht und einfach überdüngt und die Arten passen sich diesen veränderten Lebensbedingungen an. In 50 oder 60 Metern Tiefe gibt es heute mehr Muscheln als jemals zuvor. Muscheln und Algen fühlen sich wohl. Fische wie der Dorsch dagegen leiden unter dem Sauerstoffmangel in den tieferen Schichten. Und die Badegäste sind natürlich auch nicht erfreut. Die wünschen sich eine saubere Bucht und klares Wasser ohne Seetang und Algen. "

    Algen-Toxine können böse Hautreizungen und Übelkeit verursachen. Die schwedischen Behörden haben Warnungen ausgegeben, doch in die klebrige Brühe mag ohnehin niemand steigen.

    "Keine zehn Pferde kriegen mich ins Wasser! Das ist ein ekelhaftes Zeug! Mich macht das ganz wütend! Man sieht keine Vögel mehr, die finden keine Beute. Und die Fische treiben tot an der Oberfläche. Es ist furchtbar! "

    Von flüchtenden Urlaubern wisse er nichts, versichert Gunnar Bohman. Der Leiter der Tourismuszentrale im südschwedischen Hafenstädtchen Västervik macht sich dennoch Sorgen um die Arbeitsplätze in den Küstenorten.

    "Wir sind alle hier auf saubere Strände und klares Wasser angewiesen. Unsere Gäste sind flexibel, die werden sich genau anschauen, wo die Algen sind. "

    Viel schlimmer kann es mit der Ostsee gar nicht werden, klagt Maria Wetterstrand. Auf einer Stippvisite auf der Ostseeinsel Gotland forderte die Vorsitzende der schwedischen Grünen radikale Maßnahmen, um das empfindliche und flache Meer zu schützen:

    "Sollen wir uns damit abfinden, dass dieses Meer zugrunde geht? Dass die Kinder hier nicht baden dürfen, weil giftige Algen im Wasser treiben? Dass der Dorsch so gut wie verschwunden ist? Und dass die wenigen Fische, die noch gefangen werden, mit Dioxin vergiftet sind? "
    Zur Überdüngung und Verunreinigung des Meeres durch Industrie, Landwirtschaft und Seefahrt kommt der ungehemmte Raubbau an den Fischgründen. Die schwedische Regierung fordert einen totalen Fangstopp für bedrohte Meeresfische wie den Dorsch, konnte sich bei den übrigen Anrainerstaaten bislang aber nicht durchsetzen. Immerhin, für die Algen-Plage hat Mutter Natur eine Lösung parat. Für die nächsten Tage sind Regen und kräftige Winde vorhergesagt. Dann werden die Algen wohl von allein verschwinden.