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Mit dem Rikscha-Dreiradtaxi durch die Stadt

Ob in Berlin, München oder Köln: Mit doppelter Schrittgeschwindigkeit fahren Rikschas durch die Stadt, ob als originelle Stadtführung für Touristen oder ganz normales Taxi. Ein Besuch bei den Rikscha-Boys auf der Kölner Domplatte.

Von Peter Backof | 06.08.2012
    "- Etienne: "Es hört sich irgendwie ein bisschen mager an, wenn man sagt: Ich bin mit meinem Fahrrad unterwegs. Immer! Und das ist eine Lebenseinstellung, aber da steckt auf jeden Fall noch was anderes dahinter."
    - Ulf: "Freiheit! So ein Freiheitsgefühl. Du kannst machen, was du willst, du kannst deine Pausen selber einteilen, kannst dir einen schönen Tag machen, in Köln.""

    Du solltest aber auch fahren, wenn sich Monsunwetter einstellt. 180 Euro sind drin, an einem durchschnittlichen Sommertag, für Etienne Kirchhoff, Ulf Grüne und Slotti Schlitt, Kölner Rikscha-Boys. Die Standardfahrt: halbe Stunde Sightseeing für 20 Euro inklusive Trinkgeld. Im Sommer heißt das: Strampeln, was der Körper hergibt.

    Etienne: "Ja, klar, sieben Tage die Woche. Leute, die das von außen beobachten, die würden dann sagen: Der ist ja verrückt, der arbeitet manchmal 14 Stunden auf der Rikscha, ist ja im Endeffekt harte Arbeit."

    Aber er fährt im Sommer für die umsatzschwachen Tage im November mit, wenn er konsequent vom Fahrradfahren leben will. Sein Kollege in Kalkutta übrigens leistet dasselbe, bekommt dafür aber nur drei Euro pro Tag. In Indien gibt es acht Millionen Rikscha-Fahrer insgesamt, die Rikscha ist dort vor allem ein Taxi. Modellversuche laufen, den indischen Boys den Arbeitstag durch gesponserte Elektromotoren zu erleichtern. Ganz andere Bedingungen in Köln: Nur etwa 20 Fahrer sind gleichzeitig unterwegs. Freiberufler, im Prinzip Tagelöhner: Morgens lösen sie gegen Kaution ein Velotaxi in der Zentrale aus und sind dann etwas Exotisches.

    Etienne: "Wo das auch mit dazugehört, ist an dem Tag, wenn Kölner Lichter sind."

    Das riesige Feuerwerksspektakel am Rhein. Vergleichsweise lässt man sich auch auf dem Münchener Oktoberfest oder auf einer Bundesgartenschau von einer Rikscha chauffieren.

    Etienne: "Oder Karneval! Weil dann die Taxis rar gesät sind. Und dann ist so eine Rikscha Gold wert, für die Leute, die sehen, die Rikscha, die können wir jetzt spontan direkt nehmen, da müssen wir nicht warten."

    Die Rikscha als Taxi, das funktioniert mit Fahrgästen in Sonntagslaune ganz gut. Im Alltag erlebt Etienne aber meistens Berührungsängste.

    "Im Mittelpunkt zu stehen, das ist ja auch so ein Thema. Ich hatte einen, der wollte nur nach dem Weg fragen. Ich habe den dann angesprochen: Ja, wollen Sie denn nicht auch fahren, ist ja dann auch einfacher. – Der sagt: Nee, soweit bin ich noch nicht. Er ist noch nicht so weit, so in der Öffentlichkeit zu sitzen, aber er arbeitet dran. Das fand ich dann toll, dass jemand so reflektiert ist und sagt: OK, das ist noch eine Baustelle, da bin ich noch dran. In 30 Jahren, denke ich, wenn ich den Mann dann noch mal treffe, dann wird er soweit sein."

    Die eine Rikscha trägt Blümchen am Regenverdeck, die andere ist futuristisch gestylt als Innenstadtvehikel der Zukunft: Auch im Design spiegeln sich die unterschiedlichen Rollen, die die Rikscha heute spielt. Bei Slotti hat es gerade einmal wieder geklappt. Halbe Stunde Sightseeing, mit:

    Angelina: "Angelina!" (5 Jahre)

    Mit Oma. Und Opa, der heute seine Pensionierung feiert. Besondere Lebenslagen, da steigen dann auch Kölner einmal in Kölner Rikschas.

    "- Oma: "Ja, und jetzt bei ihnen, wie viele Räder haben sie?
    - Slotti: "Wie viele Räder? Drei an jedem Rad. (Gelächter)"
    - " Nee, wie viele Rikschas?
    - "25 ungefähr. Alles klar, gut, los geht´s!""

    Die meisten haben sich Wissen aus der Stadtgeschichte angelesen und lassen hier und da mal eine Anekdote oder einen Gag fallen. Das Fahrtempo ist langsam, doppelte Schrittgeschwindigkeit, ganz bewusst entschleunigt, anders als der funktionale Verkehrsalltag. Daher ist Rikscha-Fahren auch kein ausgesprochener Knochenjob. Obwohl abends um 23 Uhr, wenn sie zum zehnten Mal Touristen über das Kopfsteinpflaster der Altstadt kutschieren, dann doch die Wade brennt. Aber ein bestimmtes Körpergefühl, danach suchen die Rikscha-Boys, das macht den Spaß am Leben aus.

    Etienne: "Dann halt noch mal alles mobilisieren, weil du aus diesem Tal wieder rausfahren musst. Aber wenn du die dann auch noch packst, dann bist du manchmal auch so aufgeladen. Es ist ja genauso wie mit dem Laufen: Dass du soviel Energie spürst, wie halt sonst überhaupt nicht!"