Dienstag, 30. April 2024

Archiv

Italiens Journalisten in Gefahr
"Sonst legt die Mafia mich doch sofort um"

Roberto Saviano ist einer der bekanntesten italienischen Journalisten, weltweit. Seit seinen Enthüllungen über die Mafia lebt er unter Polizeischutz – doch den stellt Matteo Salvini inzwischen infrage. Auch anderen kritischen Journalisten droht der Innenminister.

Von Thomas Migge | 26.02.2019
Der italienische Autor und Journalist Roberto Saviano im Sanita Theater in Neapel, Italien, 2016.
Der italienische Autor und Journalist Roberto Saviano: "Was glaubt denn dieser Salvini? Dass es mir Spaß macht, seit mehr als elf Jahren unter Polizeischutz zu leben?" (ANSA / Cesare Abbate)
Das Video zeigt einen Journalisten der RAI, der in Ostia bei Rom am Eingang in einen Boxclub blutig geschlagen wird. Der Schläger heißt Roberto Spada und ist Chef einer mafiösen Bande in Ostia. Inzwischen sitzt er in Haft. Der Journalist ist Daniele Piervincenzi vom RAI-Reportageprogramm "Nemo". Der Angriff auf den Journalisten ereignete sich Ende 2017.
Mitte Februar dieses Jahres wurde Piervincenzi erneut brutal zusammengeschlagen. In einem Stadtrandviertel von Pescara. Der Journalist recherchierte dort zur lokalen Kriminalität.
"Ich bin kein Held, sondern nur jemand, der in sozial gefährdeten Stadtvierteln unbequeme Fragen stellt."
Daniele Piervincenzi genießt keinen Polizeischutz durch das Innenministerium. Noch nicht. Mehr als 60 seiner Kollegen können ihre Arbeit nur noch mit Hilfe von Bodyguards ausführen, die ihnen vom Staat zur Seite gestellt werden. Journalisten unter Polizeischutz recherchieren nicht nur zur Drogen-Mafia, wie etwa Roberto Saviano. Es reicht, dass man, wie Piervincenzi, urbane Gegenden aufsucht, in denen der Staat abwesend ist und die lokale Kriminalität das Sagen hat. Es reicht auch, zum Thema Neofaschismus zu recherchieren. Wie Paolo Berizzi von der Tageszeitung "La Repubblica":
"Man wirft mir vor, dass dieses Thema für mich zu einer Obsession geworden sei. Das ist nicht der Fall. Mich interessiert dieses Thema, das zu einer großen Gefahr für Italien geworden ist. Italien wird immer faschistischer."
Salvini will unbequemen Journalisten Schutz streichen
Berizzi genießt Polizeischutz. Noch. Denn Innenminister Matteo Salvini droht seit kurzem damit, Journalisten, die er als unbequem einschätzt, diesen Schutz zu streichen. Vor allem einen Journalisten hat er auf dem Kieker - wirft dieser ihm doch ständig vor, zu wenig gegen die organisierte Kriminalität zu unternehmen:
"Wir werden jetzt mal alle diese Leute unter die Lupe nehmen, die Polizeischutz genießen. Auch Roberto Saviano. Dieser Schutz kostet ja viel Geld."
Italiens berühmtester Anti-Mafia-Journalist reagierte prompt auf die Drohgebärde des Innenministers: "Was glaubt denn dieser Salvini? Dass es mir Spaß macht, seit mehr als elf Jahren unter Polizeischutz zu leben? Wenn man weiß, dass der Clan der Casalesi und die mexikanischen Narcos dich beseitigen wollen? Wenn Salvini glaubt, mir Angst einzujagen, dann täuscht er sich gewaltig."
Umfrage stärkt Salvini
Noch traut sich Salvini nicht, Saviano den Polizeischutz zu streichen. Aber bei anderen ihm gegenüber kritischen Journalisten, die weniger prominent sind, schlägt der Minister zu. Wie bei Sandro Ruotolo, einem investigativen Anti-Mafia-Journalisten der RAI. Anfang Februar strich das Innenministerium Ruotolo den Polizeischutz:
"Für mich ist klar: Ohne Polizeischutz kann ich meine Arbeit nicht ausführen, sonst legt die Mafia mich doch sofort um. Die Todesdrohungen der Mafia verjähren ja nicht."
Nach Protesten gegen die Streichung des Polizeischutzes für Ruotolo durch Kollegen, den Journalistenverband, Politiker und Intellektuelle gab der Innenminister klein bei. Jetzt hat der Journalist wieder Polizeischutz, aber wer weiß, wie lange.
Einer Umfrage der Tageszeitung "Libero" zufolge sprechen sich inzwischen rund 50 Prozent aller Befragten dagegen aus, dass staatliche Gelder für den Polizeischutz von Journalisten bereitgestellt werden. Diese Geldmittel sollte man lieber, so auch der Innenminister vor einigen Tagen, für minderbemittelte Bürger ausgeben, anstatt für hochbezahlte Journalisten. "Eine erschreckende Aussage", so die Tageszeitung "La Repubblica". Kritischer Journalismus, so die Zeitung, habe heute in Italien "einen sehr schweren Stand".